Methylcellulose

Methylcellulose

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Strukturformel
Strukturformel Methylzellulose
Ausschnitt aus einem Methylcellulosepolymer, Substitutionsgrad 2
Allgemeines
Name Methylzellulose
Andere Namen
  • E 461
  • Cellulosemethylether
CAS-Nummer 9004-67-5
99638-59-2
ATC-Code

A06AC06

Kurzbeschreibung weißes Pulver
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Laxans

Monomer
Monomer methylierte Cellobiose
Summenformel variabel
Molare Masse variabel
Eigenschaften
Aggregatzustand fest
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
keine GHS-Piktogramme
H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze [1]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
keine Gefahrensymbole
R- und S-Sätze R: keine R-Sätze
S: keine S-Sätze
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Methylcellulose (fachsprachlich, standardsprachlich: Methylzellulose) ist eine chemische Verbindung, die von Cellulose abgeleitet ist; chemisch handelt es sich um einen Celluloseether mit ähnlicher Bedeutung wie Carboxymethylcellulose. Sie ist ein hydrophiles weißes Pulver und löst sich in kaltem (aber nicht in heißem) Wasser auf und bildet dabei eine zähflüssige Lösung oder ein Gel.

Methylcellulose ist der Hauptbestandteil vieler Tapetenkleister und wird unter einer Vielzahl von Handelsnamen verkauft. Sie dient zudem als Verdickungsmittel und Emulgator in verschiedenen Nahrungsmittel- und Kosmetikprodukten sowie als Bestandteil von Arzneimitteln. Wie Cellulose ist auch Methylcellulose im menschlichen Organismus nicht verdaulich, nicht allergen und nicht giftig.

Gewinnung und Darstellung

Methylcellulose tritt nicht natürlich auf, sondern wird synthetisch produziert, indem Cellulose in eine heiße, alkalische Lösung (eine Lauge, zum Beispiel Natriumhydroxid) gegeben und mit Methylhalogeniden behandelt wird.

Methylcellulose wird technisch durch die Umsetzung von alkalisch vorbehandelter Cellulose mit Methylchlorid bei erhöhter Temperatur unter Druck hergestellt.[2]

Chemische Eigenschaften

Chemisch ist Methylcellulose ein Methylether der Cellulose und entsteht durch Ersatz von Wasserstoffatomen der Hydroxygruppen durch Methylgruppen.

In Abhängigkeit von der Anzahl der substituierten Hydroxylgruppen unterscheiden sich die Methylcellulosen. Cellulose ist ein Kettenmolekül aus zahlreichen Glucosemolekülen, jede Glucoseeinheit hat drei Hydroxylgruppen. Verschiedene Methylcellulosen lassen sich durch ihren Substitutionsgrad (degree of substitution, DS), die durchschnittliche Zahl ersetzter Hydroxylgruppen pro Glucoseeinheit, beschreiben. Das theoretische Maximum beträgt 3,0, typische Werte liegen im Bereich von 1,3 bis 2,6.

Methylcellulose löst sich in kaltem Wasser. Die Löslichkeit nimmt mit zunehmendem DS-Wert ab, weil die polaren Hydroxylgruppen durch unpolare Ethergruppen ersetzt sind. Niedrig substituierte Methylcellulosen mit einem DS-Wert < 1 benötigen zur Lösung ein alkalisches Milieu. Die Substanz ist in heißem Wasser > 55 °C schwerer löslich als in kaltem. Daher führt das Erhitzen einer gesättigten Lösung von Methylcellulose zu deren Ausfallen. Die Temperatur, bei der dieser Effekt auftritt, hängt vom DS-Wert ab. Höher substituierte Methylcellulosen sind auch in organischen Lösungsmitteln löslich[3]. Da der DS-Wert der Methylcellulose nie einheitlich ist, gibt es immer Partikel, die sich nicht lösen lassen. Daher werden häufig Mischungen von Celluloseethern produziert, die neben Methylcellulosen auch Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC) und Hydroxyethylmethylcellulose (HEMC) oder Ethylmethylcellulose (EMC) enthalten.

Aufgrund der unterschiedlichen funktionellen Gruppen -OH und -OCH3 besitzt Methycellulose sowohl hydrophile wie hydrophobe Eigenschaften. Dadurch verringert sie in Lösung die Oberflächenspannung und wirkt emulgierend in Zwei-Phasen-Mischungen. In Betonmischungen erhöht sie die Wasserhaltefähigkeit und verzögert damit die Abbindung, damit haben die Betonbestandteile mehr Zeit für chemische Reaktionen mit dem enthaltenen Wasser. In Ethermischungen bildet sich ein Film, der über die Zugabe von Formaldehyd reguliert werden kann. Bei Methylcellulosen höherer Substitutionsquoten bildet dieser Film ein thermoplastisches Polymer, das bei Temperaturen von 120 bis 190 °C zu wasserlöslichen Folien extrudierbar ist.

Verwendung

Methylcellulose ist eine vielfältig einsetzbare Verbindung. So werden Methylcellulosen als Verdickungs-, Binde-, Klebe-, Dispergier-, Suspendier-, Emulgier-, Sedimentations-, Filterhilfs-, Flockungs-, Quell-, Gleit- und Wasserrückhaltemittel sowie als Schutzkolloid und Filmbildner eingesetzt. Es wird häufig auch Haarshampoos, Zahnpasten und flüssigen Seifen hinzugefügt, um deren charakteristische Viskosität zu erzeugen[3].

Lebens- und Genussmittel

Methylcellulosen (Zusatzstoffnummer E 461) wie auch andere chemisch modifizierte Abkömmlinge der Cellulose (E 463 bis 469) sind in der EU als Lebensmittelzusatzstoff für verschiedene Verwendungszwecke zugelassen.[4] Im Lebensmittelbereich sind sie als Gelier- , Verdickungs- und Überzugsmittel sowie als Emulgator und Stabilisator häufig Bestandteil von Speiseeis, Backwaren, Kuchencremes, Mayonnaise, Instantprodukten und Tiefkühlkost. Folien aus Methylcellulose können als essbare Folien Verwendung finden.

Im Genussmittelbereich dienen sie als Bindemittel für Tabakstücke, um daraus Zigarrenblätter zum Rollen der Zigarren herzustellen. Diese müssen einen Anteil von mehr als 75% Tabak haben, den Rest stellen Bindemittel dar.[5][6]

Medizin

Wässrige Lösungen der Methylcellulose werden als Augentropfen zur Behandlung des trockenen Auges verwendet („künstliche Tränenflüssigkeit“).[7][8][9]

Methylcellulose wird nach oraler Gabe nicht durch den Darm aufgenommen, bindet große Mengen Wasser und wirkt deshalb abführend. Sie kann wegen ihrer Quellwirkung als Laxans (Abführmittel) eingesetzt werden,[10] um eine Verstopfung zu behandeln, jedoch ist diese Anwendung von untergeordneter Bedeutung[11] und in Deutschland eher ungebräuchlich.

In der konventionellen Radiologie wird Methylcelluloselösung als sogenanntes negatives Kontrastmittel eingesetzt. Der Film wird an den Stellen, wo die Methylcellulose sich angereichert hat, stärker belichtet (sie erscheint schwarz am Röntgenbild). Hauptsächlich findet sie Verwendung in der Darstellung des Dünndarms.

Pharmazie

Neben der Verwendung als Arzneistoff wird Methylcellulose vielfach als pharmazeutischer Hilfsstoff in der Arzneimittelherstellung verwendet: beispielsweise zur Viskositätserhöhung in flüssigen Arzneizubereitungen, zur Stabilisierung von Emulsionen und Suspensionen, als Gelbildner in Cremes und Gelen, als Bindemittel für Tablettengranulate, als Gerüststoff und Sprengmittel für Tabletten sowie als Filmbildner für Lacktabletten.[7][12]

Pharmazeutische Qualitäten der Methylcellulose enthalten gemäß der Charakterisierung im Europäischen Arzneibuch einen Methoxygruppenanteil von 26 % bis 33 %, was einem Substitutionsgrad von etwa 1,6 bis 2,0 gleichkommt. Die mittlere Molmasse liegt bei 10.000 bis 220.000 Gramm pro Mol entsprechend einem Polymerisationsgrad von ungefähr 50 bis 1000.[7] Die verschiedenen Typen der pharmazeutisch verwendeten Methylcellulose sind durch die Angabe der Viskosität einer wässrigen Lösung bei vorgeschriebener Konzentration zu kennzeichnen. In kaltem Wasser löst sich Methylcellulose pharmazeutischer Qualität unter Bildung einer kolloidalen Lösung; in heißem Wasser, in Aceton, wasserfreiem Ethanol und Toluol ist sie praktisch unlöslich.[13] Der pH-Wert einer 1%igen Lösung liegt zwischen 5,0 und 8,0. Es besteht eine Reihe von Unverträglichkeiten mit anderen Stoffen, die zu Ausfällungen („Verklumpung“) der Methylcellulose führen können.

In ophtalmologischen Zubereitungen wird Methylcellulose in Konzentrationen von 0,5−1,0 % eingesetzt.[7]

Technische und sonstige Verwendung

Tapetenkleister

Methylcellulose ist der Hauptbestandteil vieler Tapetenkleister und kann als milder Klebstoff eingesetzt werden, der mit Wasser abgewaschen werden kann. Zum Beispiel kann sie zur Fixierung bei der Restaurierung empfindlicher Kunstgegenstände Anwendung finden.

In großem Umfang wird Methylcellulose zur Produktion von Baustoffen eingesetzt. So wird sie zum Beispiel trockenen Mörtelmischungen zugefügt, um die Eigenschaften des Mörtels wie Wasserrückhaltung, Viskosität und Adhäsion zu den Oberflächen zu verbessern. Außerdem wird sie aus den gleichen Gründen als Zusatzstoff in Putzmischungen und Kittsubstanzen beigefügt.[5] In Wand- und Textilfarben sowie in Tinten dient Methylcellulose als Dickungsmittel und in Reinigungsmitteln und Kosmetika als Emulgator und Stabilisator. Weitere Verwendungen sind als Samenummantelung in der Agrarindustrie und als Zusatzstoff zur Stabilisierung der Monomerlösung bei der Polymerisation von Vinylchlorid zu Polyvinylchlorid (PVC).[5]

Das schleimige, klebrige Aussehen einer passenden Mischung von Methylcellulose mit Wasser, zusätzlich zu seinen ungiftigen, nicht-allergenen Eigenschaften, macht es zu einer gern benutzten Substanz bei Spezialeffekten in der Fotografie und im Fernsehen, wo Schlamm oder schleimige Substanzen benötigt werden. Im Film Ghostbusters beispielsweise war die klebrige Substanz einiger Geister meistens eine konzentrierte wässrige Lösung von Methylcellulose. Methylcellulose wird auch in der pornographischen Industrie häufig benutzt, um Sperma zu simulieren.

Methylcellulose wird wie Agar als Grundstoff in Kulturmedien der Mikrobiologie benutzt, beispielsweise um die Reproduktion von Bakterien zu untersuchen.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Datenblatt Methylcellulose bei Carl Roth, abgerufen am 14. Dezember 2010.
  2. Artikel Methylcellulose in der ChemgaPedia.
  3. 3,0 3,1 Römpp CD 2006, Georg Thieme Verlag 2006.
  4. zusatzstoffe-online.de.
  5. 5,0 5,1 5,2 Stichwort Methylcellulose In: Hans Zoebelein (Hrsg.): Dictionary of Renewable Ressources. 2. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim und New York 1996; Seite 189-190. ISBN 3-527-30114-3.
  6. Stichwort Tobacco Industry In: Hans Zoebelein (Hrsg.): Dictionary of Renewable Ressources. 2. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim und New York 1996; Seite 306-307. ISBN 3-527-30114-3.
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 Handbook of Pharmaceutical Excipients, 5th Edition (2006). Ray C. Rowe (Herausgeber), Paul J. Sheskey (Herausgeber), P.J. Weller (Herausgeber)
  8. Mutschler, Geisslinger, Kroemer, Schäfer-Korting, Mutschler Arzneimittelwirkungen, 9. Auflage, 2008, ISBN 380471952X
  9. Arzneimittelinformationssystem bei PharmNet.Bund
  10. Methylcellulose In: Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. 257. Auflage, de Gruyter Verlag Berlin 1994. ISBN 3-11-012692-3
  11. Den trägen Darm ankurbeln, in: Pharmazeutische Zeitung, Ausgabe 13, 2008.
  12. Kommentar zum Europäischen Arzneibuch 6.1, Loseblattsammlung, 31. Lfg. 2009.
  13. Europäisches Arzneibuch 6. Ausgabe, Grundwerk 2008, 6.0/0345.