Ketamin
Strukturformel | |||||||||||||||
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Strukturformel ohne Stereochemie | |||||||||||||||
Allgemeines | |||||||||||||||
Freiname |
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Andere Namen |
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Summenformel | C13H16ClNO | ||||||||||||||
CAS-Nummer |
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PubChem | 3821 | ||||||||||||||
ATC-Code | |||||||||||||||
DrugBank | APRD00493 | ||||||||||||||
Arzneistoffangaben | |||||||||||||||
Wirkstoffklasse |
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Verschreibungspflichtig: Ja | |||||||||||||||
Eigenschaften | |||||||||||||||
Molare Masse | 237,74 g·mol−1 | ||||||||||||||
Schmelzpunkt | |||||||||||||||
Sicherheitshinweise | |||||||||||||||
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LD50 | |||||||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Ketamin ist ein Arzneistoff und wird in der Human- und Tiermedizin zur Behandlung von Schmerzen, zur Einleitung einer Narkose und gegebenenfalls zur Behandlung von Asthma eingesetzt. Ketamin nimmt durch die Auslösung einer dissoziativen Anästhesie eine Ausnahmestellung gegenüber anderen Analgetika und Narkotika ein, worunter die Erzeugung von Schlaf und Schmerzfreiheit unter weitgehender Erhaltung der Schutzreflexe verstanden wird.
Als Dissoziativum wird Ketamin auch als Droge verwendet.
Klinische Angaben
Ketamin findet in der Anästhesie zu Narkosezwecken und bei der Schmerzbehandlung (Analgesie) in der Notfallmedizin Anwendung. Vorteilhaft ist dabei die kreislaufstabile Wirkung im Gegensatz zu anderen Anästhetika, weshalb Ketamin oft bei Patienten mit gravierenden Verletzungen, die aufgrund eines Blutverlustes instabile Kreislaufverhältnisse aufweisen, eingesetzt wird.
Aufgrund der psychotropen Nebenwirkungen erfolgt die Anwendung meist in Kombination mit einem Benzodiazepin wie Midazolam, Lorazepam oder, seltener, Flunitrazepam.
Ketamin kann aufgrund seiner bronchienerweiternden Eigenschaften auch zur Behandlung des therapieresistenten Status asthmaticus eingesetzt werden, wozu allerdings hohe Dosen notwendig sind, die eine endotracheale Intubation notwendig machen. Allerdings kann man das Ketamin, im meist vorliegenden Notfall, auch alternativ applizieren (z. B. intravenös, subcutan, intranasal; [bei letzterem ist die notwendige Blutplasmakonzentration, bei einen starken Anfall, nicht so leicht zu erreichen. Bei einem leichteren Anfall könnte die nasale Applikation durchaus eine mögliche sowie praktische und akute Lösung sein und somit sogar eine lebensrettende Wirkung haben], überhaupt wenn eine endotracheale Intubation nicht verfügbar ist – sollte die Person etwa allein sein. Das ermöglicht dem Patienten, bereits bei aufkommenden Symptomen, sich selbst zu helfen. So hätte dieser etwa die Möglichkeit „self-controlled“ – und ergänzend durch Kontrolle des Arztes, wenn auch in etwas geringerem Ausmaß – seine Medikation und somit die Symptome der Krankheit steuern zu können und sie zu bekämpfen.
Ketamin findet auch in der Veterinärmedizin (zum Beispiel in Kombination mit Xylazin in der Hellabrunner Mischung) und in der Pädiatrie Anwendung. Ketamin kann nasal, oral, intravenös sowie intramuskulär verabreicht werden.
Charakteristisch für die Wirkung des Ketamin ist die Erzeugung einer sogenannten dissoziativen Anästhesie. Darunter wird die Erzeugung von Schlaf und Schmerzfreiheit unter weitgehender Erhaltung der Reflextätigkeit, insbesondere der Schutzreflexe, verstanden. Ketamin ist sowohl ein schlaferzeugendes Mittel (Hypnotikum) als auch ein potentes Analgetikum.
Die intravenöse Gabe von Ketamin hat nach einer Studie depressive Episoden bei Patienten mit bipolarer Störung innerhalb von 40 Minuten beendet. Die Wirkung war jedoch nicht von Dauer.[5]
- Plasmahalbwertszeit: 2–4 Stunden; klinische Wirkung deutlich kürzer, da schneller Umverteilungseffekt
- Therapeutische Dosis: Abhängig von Zielsetzung (Analgesie, Narkose), Co-Medikation und Kreislaufsituation sowie nach Wirkung im Einzelfall anzupassen.
Pharmakologische Eigenschaften
Ketamin stand bislang als racemisches Gemisch der beiden Enantiomere (S)- und (R)-Ketamin zur Verfügung. Das allgemeine pharmakologische Profil von (S)-Ketamin entspricht weitgehend dem des Racemats. Die analgetische und anästhetische Potenz von (S)-Ketamin ist etwa dreifach höher als die der (R)-Form bzw. doppelt so hoch wie die des Racemats; zur Erzielung gleichartiger Wirkungen ist mit (S)-Ketamin gegenüber dem Racemat eine Dosisreduktion um die Hälfte möglich. Darüber hinaus wird (S)-Ketamin schneller eliminiert und ist damit insgesamt besser steuerbar. Neben der reduzierten Substanzbelastung führt dies zu eindeutig verkürzten Aufwachzeiten.[6] Die unterschiedliche Wirkung von (R)- und (S)-Ketamin ist durch klinische Studien belegt.[7] S-Ketamin steht als Arzneimittelpräparat (Wirkstoffbezeichnung auch Esketamin) zur Verfügung.
Wirkmechanismus
Wirkorte und -mechanismen der vielfältigen Ketamin-Effekte sind nur teilweise geklärt. Der relevanteste Wirkort befindet sich am Glutamat-NMDA-Rezeptorkomplex. Die Aminosäure Glutaminsäure (in anionischer Form als Glutamat) ist ein wichtiger Neurotransmitter des Zentralnervensystems (ZNS), wo sie einen Calciumeinstrom bewirkt, der vielfältige intrazelluläre Prozesse induziert. Ketamin hat am NMDA-Rezeptor eine nicht-kompetitiv antagonistische Wirkung unter Verwendung der Phencyclidin-Bindungsstelle. Ketamin beeinflusst das cholinergene System, indem es die NMDA-Rezeptor-abhängige Acetylcholin-Freisetzung verhindert. Es hemmt ebenfalls andere Glutamatrezeptoren und zeigt darüber hinaus eine schwache agonistische Wirkung an Opioidrezeptoren. Am GABAA-Rezeptor moduliert und aktiviert es die Rezeptortypen α6β2δ und α6β3δ und unterscheidet sich hierin von den NMDAR-Antagonisten Phencyclidin und Dizocilpin.[8] Weiterhin wirkt Ketamin hemmend auf die periphere Wiederaufnahme von Katecholaminen wie Noradrenalin und Dopamin an der synaptischen Endplatte mit Verstärkung endogener und exogener Katecholamineffekte.
Durch diese Mechanismen kommt es zu einer ausgeprägten Stimulation des Herz-Kreislauf-Systems, zum Beispiel erhöhtes Herzschlagvolumen, gesteigerte Herzfrequenz und erhöhten Blutdruck. Durch Überstimulation des Zentralnervensystems oder Induktion eines kataleptischen Stadiums wird eine Amnesie ausgelöst. Das thalamoneocorticale System wird gedämpft, das limbische aktiviert. Ketamin wirkt auf das periphere Nervensystem sowohl depressiv (durch Blockade des Membranstroms) als auch exzitatorisch (durch Modifikation der Natrium-Kanal-Fraktion). Es hat nur geringe viscerale analgetische Effekte, dafür aber ausgeprägte somatische. Weiterhin scheint Ketamin eine antidepressive Wirkkomponente zu besitzen, die bereits nach zwei Stunden einsetzt.[9]
Neben- und Wechselwirkungen
Als sehr häufige Nebenwirkungen können psychotrope Effekte (Pseudohalluzinationen, unangenehme Träume), Übelkeit und Erbrechen, erhöhter Speichelfluss (Hypersalivation), Sehstörungen, Schwindel und motorische Unruhe auftreten. Daneben wirkt Ketamin als einziges Narkotikum blutdruck- und herzfrequenzsteigernd; dies ist bei spezifischen Indikationen erwünscht. Im Rahmen der Notfallmedizin ist es das einzige Medikament, mit dessen Einsatz kreislaufstabilisierende und narkotische Effekte kombiniert werden können. Der Einsatz bei Patienten mit schwerer koronarer Herzerkrankung (zum Beispiel Herzinfarkt) ist hingegen abzulehnen, weil das Medikament durch Herzfrequenz- und Blutdruckanhebung die Herzarbeit steigert und somit den Sauerstoffverbrauch des Herzmuskels erhöht. Ketamin bewirkt eine Erhöhung von Augen- und Hirndruck, weshalb es bei Verletzungen dort nicht als einziges Anästhetikum eingesetzt werden sollte.[10]
Ketamin kann bei längerfristigem Missbrauch die ableitenden Harnwege schädigen. Es kann zu urologischen Beschwerden (LUTS) und zu einer Blasenentzündung mit Bildung von Geschwüren (ulzerative Zystitis) kommen.[11][12]
In der Routineanästhesie wird Ketamin aufgrund der psychotropen Nebenwirkungen weitgehend abgelehnt. Die Kombination mit einem Benzodiazepin kann aber das Auftreten von Albträumen und Halluzinationen teilweise verhindern. Eine Reizabschirmung ist ebenfalls sinnvoll.
Sonstige Informationen
Geschichte
Im Rahmen eines Forschungsauftrages der Firma Parke-Davis bei der Suche nach einem Ersatz für das mit starken Nebenwirkungen behaftete Narkosemittel Phencyclidin (PCP, „Angel Dust“) synthetisierte Calvin L. Stevens, Pharmakologe an der Wayne State University (Detroit, Michigan, USA), im April 1962 erstmalig die Substanz Ketamin. Im Jahre 1966 erhielt dann Parke-Davis ein Patent[13] für die Herstellung von Ketamin als Arzneimittel sowohl für die Humanmedizin als auch für die Tiermedizin. Edward Felix Domino, Professor für klinische Pharmakologie an der Universität in Michigan (USA), führte am 3. August 1964 seinen ersten (nichtmedizinischen) Selbstversuch mit Ketamin durch und erkannte dabei das psychedelische Potential der Substanz. Die Bezeichnung dissoziatives Anästhetikum für Ketamin wurde von ihm dann im folgenden Jahr 1965 eingeführt.
Im Vietnamkrieg wurde Ketamin an amerikanischen Soldaten erprobt und bald routinemäßig als Anästhetikum bei der Behandlung von Kampfverletzungen eingesetzt. 1970 erfolgte die Zulassung als Arzneimittel durch die Food and Drug Administration. Als Straßendroge verbreitete sich Ketamin etwa ab Mitte der 1970er Jahre.
Rechtslage
In Deutschland, der Schweiz und Österreich ist Ketamin verschreibungspflichtig, unterliegt jedoch nicht dem Betäubungsmittelgesetz (Österreich: Suchtmittelgesetz).
In Großbritannien hat der zunehmende Gebrauch von Ketamin als Droge die Regierung veranlasst, das Medikament ab Januar 2006 als Droge der Klasse C einzustufen.[14] Der private Besitz wird dort somit strafbar und kann mit bis zu zwei Jahren Haft, der Handel mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft werden. Mittlerweile wird Ketamin auch in Ländern, in denen es bisher frei erhältlich war (zum Beispiel Indien), unter Restriktion gestellt.
Chemie
Herstellung
Ketamin kann in einer Dreistufensynthese hergestellt werden aus 2-Chlorbenzonitril und Cyclopentylmagnesiumbromid mittels Grignard-Reaktion, dann Umsetzung mit Brom und anschließend mit Methylamin. Das Erhitzen in Decalin führt unter Ringerweiterung zum Ketamin.
Stereochemie
Ketamin ist ein chirales Cyclohexanonderivat, verwandt mit Phencyclidin (PCP) und besitzt ein Stereozentrum. Therapeutisch wird sowohl das Racemat, d. h. das 1:1 Isomerengemisch aus (S)-Ketamin und (R)-Ketamin, als auch das enantiomerenreine Eutomer (S)-Ketamin, auch Esketamin (INN) genannt, eingesetzt. Das (S)-Enantiomer ist etwa doppelt so wirksam wie das racemische Ketamin.
Gebrauch als Rauschmittel
Auf Grund seiner dissoziativen, bewusstseinsverändernden Wirkung ist Ketamin in vielen europäischen Ländern auch als Partydroge bekannt (Szenenamen: K, Kate, Barbara, Ket, Kitty, Kiti, Special K, Vitamin K, Multiketamin, Fiction, Keta).[15] Zu den Nebenwirkungen zählen das Ketamin-Loch sowie das Auftreten von sogenannten Horrortrips (albtraumartige Szenen mit Nahtod-Erlebnissen und Tunnelvisionen).
Ketamin wird aber nicht nur als Partydroge gebraucht, sondern auch in der umstrittenen psycholytischen Psychotherapie angewendet. Auch wird von hedonistischem Drogenkonsum, wie zum Beispiel bei John Cunningham Lilly berichtet, wo Gruppen von Konsumenten, deutlich außerhalb jeder „Partyszene“ angesiedelt, gemeinsame „dissoziative Reisen“ unternehmen.
Kulturelle Rezeption
- Mit der Herausgabe der zwei Bücher „Journeys Into the Bright World“ (Autoren: Marcia Moore und Howard Alltounian) und „The Scientist“ (John Cunningham Lilly) im Jahre 1978, in denen die Erfahrungen mit Ketamin literarisch beschrieben wird, wurde die Substanz allgemein bekannt und danach immer häufiger auch als Droge benutzt.
Handelsnamen
Ketalar (CH), Ketavet ad us. vet. (D), Ketanest (Wirkstoff Esketamin, D), zahlreiche Generika (D)
Weblinks
- Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Ketamin-Präparate
- Ketamin. In: Erowid. (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 (RS)-Ketamin bei ChemIDplus
- ↑ The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, S. 916–917, ISBN 978-0-911910-00-1.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Datenblatt (±)-Ketamine hydrochloride bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 7. April 2011.
- ↑ Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
- ↑ http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=42213
- ↑ Adams, H.A. & Werner, C. (1997): Vom Racemat zum Eutomer: (S)-Ketamin – Renaissance einer Substanz? In: Anaesthesist. Bd. 46, S. 1026–1042. PMID 9451486 doi:10.1007/s001010050503
- ↑ G. Hempelmann und D. F. M. Kuhn: Klinischer Stellenwert von S-(+)-Ketamin, Der Anaesthesist 46 (1997) S3−S7.
- ↑ Hevers W, Hadley SH, Lüddens H, Amin J: Ketamine, but not phencyclidine, selectively modulates cerebellar GABA(A) receptors containing alpha6 and delta subunits. In: J. Neurosci.. 28, Nr. 20, 2008, S. 5383–93. doi:10.1523/JNEUROSCI.5443-07.2008. PMID 18480294.
- ↑ Zarate CA Jr et al: A Randomized Trial of an N-methyl-D-aspartate Antagonist in Treatment-Resistant Major Depression. Arch Gen Psychiatry. 2006 Aug;63(8):856–64. PMID 16894061
- ↑ Fachinformation S-Ketanest, Stand Juni 2008
- ↑ S. Middela, I. Pearce: Ketamine-induced vesicopathy: a literature review. In: International journal of clinical practice Band 65, Nummer 1, Januar 2011, S. 27–30, ISSN 1742-1241. doi:10.1111/j.1742-1241.2010.02502.x. PMID 21155941.
- ↑ R. Hoffman u. a.:Ketamine poisoning. UpToDate 19.1, Januar 2011.
- ↑ Patent US3254124.
- ↑ BBC-News: Club ‘horse’ drug to be outlawed. 28 December 2005
- ↑ Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 30. April 2006, Nr. 17 / Seite 61: Ketamin – Partydroge aus der Apotheke
Literatur
- Bolle, Ralf H.: Am Ursprung der Sehnsucht: tiefenpsychologische Aspekte veränderter Wachbewusstseinszustände am Beispiel des Anästhetikums KETANEST. VWB, Verl. für Wiss. u. Bildung, Berlin 1988, ISBN 3-927408-06-9.
- Jansen, Karl L. R.: Ketamine: dreams and realities. MAPS, Multidisciplinary Ass. for Psychedelic Studies, Sarasota, Fla. 2001, ISBN 0-9660019-3-1.
- Lilly, John C.: Der Scientist. Sphinx-Verlag, 1984 Basel (Originaltitel: The scientist: a metaphysical autobiography, übersetzt von Werner Pieper), ISBN 3-85914-413-8.
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