Fulcanelli

Fulcanelli

Fulcanelli (genaue Lebensdaten unbekannt) ist das mutmaßliche Pseudonym eines französischen Autors alchemistischer Schriften in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts.

Leben

Die Identität Fulcanellis ist legendenumwoben und nicht zuverlässig geklärt. Die meisten Angaben gehen zurück auf Eugène Canseliet (1899–1982), der Fulcanelli 1915 in Marseille als einen Buchbinder mit Namen Ch. Violette kennengelernt, sein einziger wirklicher Schüler gewesen sein und von ihm dessen schriftlichen Nachlass empfangen haben will, ehe Fulcanelli 1926 verschwand. Fulcanelli wurde laut Canseliet 1839 geboren. Sein Todesdatum wird zuweilen nach 1953 angesetzt, weil Canseliet Fulcanelli in diesem Jahr, in dem dieser demnach 114 Jahre alt gewesen wäre, in der Nähe von Sevilla noch einmal getroffen haben will.

Man hat Fulcanelli als eine Fiktion Canseliets entlarven, aber auch mit zahlreichen anderen Personen der Zeit wie Jean Julien Champagne (1877–1932), dem Illustrator seiner Schriften, der sich gelegentlich als Fulcanelli ausgab, oder mit Wissenschaftlern wie dem Physiker Jules Violle (1841–1924) oder dem Astronomen Camille Flammarion (1842–1925) identifizieren wollen. Nach einer neueren Theorie soll es sich bei Fulcanelli um den Bauingenieur, Chemiker und Industriellen Hilaire de Chardonnet gehandelt haben, der ebenfalls 1839 geboren wurde, in seinem beruflichen Werdegang mit Angaben Canseliets übereinstimmt und ungefähr zu jener Zeit verstarb, als Fulcanelli laut Canseliet verschwand. Eine Verbindung zwischen Chardonnet und den Personen um Fulcanelli (Canseliet, Champagne usw.) ist bisher jedoch nicht bekannt.

Werk

Fulcanellis Ruhm als einer der gelehrtesten und originellsten Autoren auf dem Gebiet (neo-)alchemistischer esoterischer Literatur gründet sich auf zwei Werke, die er vor seinem Verschwinden 1926 Canseliet zur Veröffentlichung übergeben haben soll: Le Mystère des Cathédrales (Das Geheimnis der Kathedralen, von 1922?, von Canseliet 1926 herausgegeben) und Les Demeures Philosophales (Die Wohnstätten der Philosophen, von Canseliet 1930 herausgegeben). Er interpretiert darin sakrale Bauwerke der Gotik und, in seiner zweiten Schrift, profane Bauwerke der Renaissance mit im weitesten Sinn kabbalistischen Methoden als Manifestationen einer Geheimsprache, von ihm auch als „Sprache der Vögel“ bezeichnet,[1] die auch in ihren Ausprägungen in Architektur und bildender Kunst sprachlich basiert und dann vorwiegend mithilfe von lautlichen Ähnlichkeiten zwischen Wörtern und äquivoken Wortbedeutungen zu erschließen sei.[2]

Fulcanelli soll Canseliet außerdem eine Sammlung von Aufzeichnungen unter dem Titel Finis Gloriae Mundi hinterlassen, sie aber nicht zur Veröffentlichung, sondern zur Vernichtung bestimmt haben. Eine Übersicht von hierzu gehörigen Dokumenten aus dem Nachlass Canseliets wurde 1988 von Jean Laplace anonym in der Revue La tourbe des philosophes veröffentlicht. Ein angeblich authentisches und nunmehr zur Veröffentlichung bestimmtes Werk dieses Titels will in jüngerer Zeit der Adept Jacques d'Arès mit einem Begleitschreiben Fulcanellis per E-Mail empfangen haben und wurde dann von Jean Marc Savary mit einem Vorwort von Jacques d'Arès 1999 in London veröffentlicht.

Schriften

  • Le Mystère des cathédrales et l'interprétation ésotérique des symboles hermétiques du Grand-Oeuvre. Préface de E. Canseliet. F. C. H. Imprimerie P. Daupeley-Gouverneur, Nogent-le-Rotrou; Jean Schemit, Paris, (25. Sept.) 1930; dt.: Mysterium der Kathedralen. (Übersetzt von Martin P. Steiner) Edition Oriflamme, Basel 2004, ISBN 3-9520787-2-7
  • Les Demeures Philosophales et le Symbolisme hermétique dans les rapports avec l'art sacré et l'ésotérisme du Grand-oeuvre. Préface de Eugène Canseliet. F.C.H. Imprimerie P. Daupeley-Gouverneur, Nogent-le-Rotrou, Jean Schemit, Paris, (22. Nov.) 1930; dt.: Wohnstätten der Adepten (Übersetzt von Martin P. Steiner) Edition Oriflamme, Basel 2008, ISBN 3-9520787-7-8
  • Aperçu vitriolique (Anonymer Artikel von Jean Laplace zu Finis Gloriae Mundi). In: La Tourbe des Philosophes. Band 31, 1988
  • Finis gloriae mundi. Préface de Jacques d'Arès. Liber Mirabilis, London 1999

Literatur

  • Bernard Allieu, Bernard Lonzième: Index général de l'oeuvre de Fulcanelli: répertoriant environ 30 000 groupes de vocables avec un lexique des termes grecs, une bibliographie et les tables de correspondance pour toutes les éditions. Im Selbstverlag, LeMesnil-Saint-Denis 1992
  • Axel Brücker: Fulcanelli et le mystère de la croix d'Hendaye. Imprimerie Séguier, Biarritz 2005, ISBN 2-84049-421-3
  • Frédéric Courjeaud: Fulcanelli, une identité révélée. C. Vigne, Paris 1996, ISBN 2-84193-050-5
  • Geneviève Dubois: Fulcanelli dévoilé. Éd. Dervy, Paris 1996, ISBN 2-85076-513-9
  • Kenneth Rayner Johnson: The Fulcanelli phenomenon: the story of a Twentieth-Century alchemist in the light of a new examination of the hermetic tradition . Neville Spearman, Jersey 1980, ISBN 0-85978-051-1
  • Richard Khaitzine: Fulcanelli et le cabaret du Chat noir: histoire artistique, politique et secrète de Montmartre. Éd. Ramuel, Villeselve 1997, ISBN 2-910401-72-3
  • Jean Laplace: Le poêle alchimique de Winterthur et le feu des sages: étude analogique du symbolisme hermétique par la pratique philosophale selon l'enseignement de Fulcanelli et d’Eugène Canseliet. Savary, Carcassonne 1992, ISBN 2-909704-00-9
  • Luis Miguel Martínez Otero: Apuntes para una biografía imposible de Fulcanelli, Obelisco, Barcelona 1986; frz. Fulcanelli: une biographie impossible. Éditions Arista, Plazac, 1989, ISBN 2-904616-30-6
  • Patrick Rivière: Fulcanelli: sa véritable identité enfin révélée, la lumière sur son oeuvre. De Vecchi, Paris 2000, ISBN 2-7328-3313-4
  • Jay Weidner: A monument to the end of time: the cross at Hendaye: Alchemy, Fulcanelli and the Great Cross. 2. Aufl. Aethyrea Books, Mount Gilead (NC) 2000

Weblinks

Anmerkungen

  1. In Anlehnung an eine besonders im mystischen und esoterischen Schrifttum des Islam entwickelten Tradition, die dort an Sure 27,16 des Koran anknüpft.
  2. Le Mystère des Cathédrales, Kap. III; vgl. Les Demeures Philosophales, Kap. VI