Fresnelsche Formeln

Fresnelsche Formeln

Partielle Reflexion und Transmission einer eindimensionalen Welle an einer Potentialstufe. Der Anteil der reflektierten und transmittierten Intensität einer elektromagnetischen Welle lässt sich mit den fresnelschen Formeln berechnen.

Die fresnelschen Formeln (nach Augustin Jean Fresnel) beschreiben quantitativ die Reflexion und Transmission einer ebenen, elektromagnetischen Welle an einer ebenen Grenzfläche. Der zunächst berechnete Reflexions- und Transmissionsfaktor ist das Verhältnis der reflektierten bzw. transmittierten Amplitude zu jener der einfallenden Welle. Durch Quadrieren erhält man den Reflexions- bzw. den Transmissionsgrad, welche als Energiegrößen Intensitätsverhältnisse darstellen.

Vorbetrachtungen

Die fresnelschen Formeln können aus den maxwellschen Gleichungen hergeleitet werden, dabei nutzt man Sonderfälle der Randbedingungen elektromagnetischer Wellen an einer ladungs- und stromfreien Grenzschicht:

n×(E2E1)=0 n×(H2H1)=0
n(D2D1)=0 n(B2B1)=0

Hierbei ist n die Normale auf die Grenzfläche und die anderen Größen beschreiben Magnetfeld und elektrisches Feld in den beiden Medien. Die Tangentialkomponente der elektrischen Feldstärke E und der magnetischen Feldstärke H sind an der Grenzfläche stetig, ebenso wie die Normalkomponente der elektrischen Flussdichte D und der magnetischen Flussdichte B (tangential und normal bezieht sich auf die Grenzfläche).

Abhängig von der Polarisation der einfallenden Welle ergeben sich unterschiedliche Randbedingungen für das Auftreffen einer elektromagnetischen Welle auf eine optische Grenzfläche. Jede beliebig polarisierte elektromagnetische Welle lässt sich als Superposition zweier linear polarisierter Wellen, die senkrecht zueinander schwingen, darstellen. Als Bezugsebene dient die Einfallsebene, die vom Wellenvektor ke der einfallenden Welle und der Flächennormalen n aufgespannt wird. Eine einfallende, beliebig polarisierte Welle lässt sich also als Superposition einer parallel (p) und senkrecht (s) zur Einfallsebene polarisierten Welle schreiben:

E=[(E0e)s es eiδs+(E0e)p ep eiδp] ei(kerωt)=(E0e)s es ei(kerωt+δs)+(E0e)p ep ei(kerωt+δp)

Dabei ist E der Feldvektor des elektrischen Feldes, ei sind die Einheitsvektoren für s- und p-Polarisation, und die Parameter δi entsprechen beliebigen Phasenverschiebungen.

Wegen des Superpositionsprinzips reicht es aus, die Amplitudenverhältnisse für parallel und senkrecht zur Einfallsebene linear polarisierte Wellen zu berechnen.

Die Polarisationsrichtung (senkrecht bzw. parallel zur Einfallsebene) bleibt nach der Reflexion unverändert.

Allgemeiner Fall

Einfluss des komplexen Brechungsindex eines Materials (n1+ik1) auf das Reflexionsverhalten eines Lichtstrahls beim Auftreffen auf die Grenzfläche Luft/Material

Im allgemeinen Fall haben beide Medien eine unterschiedliche Permittivität εr und Permeabilität μr sowie einen komplexen Brechungsindex

N=n+ik.

Vorbetrachtung für Gleichungen mit eliminiertem Brechungswinkel

Im Allgemeinen sind für die Berechnung der Reflexions- bzw. Transmissionsgrade mit den fresnelschen Formeln sowohl der Brechungsindex der beteiligten Medien als auch der Einfalls- und Brechungswinkel notwendig.

Um neben diesen allgemeinen Gleichungen auch eine vom Brechungswinkel unabhängige Form anzugeben, muss der Brechungswinkel aus der allgemeinen Form eliminiert werden. Da beide Winkel (α und β) über das snelliussche Brechungsgesetz verknüpft sind, kann dies wie folgt (mit Hilfe einer Falleingrenzung) erreicht werden:

N1sinα=N2sinβ (Brechungsgesetz)

Quadrieren liefert (unter Nutzung einer trigonometrischen Umrechnung) folgenden Zusammenhang:

N12sin2α=N22sin2β=N22(1cos2β)

Umgestellt ergibt sich daraus:

cosβ=±N22N12sin2αN2

Als Lösung wird der Fall mit dem positiven Vorzeichen genutzt, damit später der Reflexionsfaktor r ≤ 1 ist.

Senkrechte Polarisation (TE)

Bei der senkrechten Polarisation bildet die elektrische Komponente mit der Einfallsebene einen rechten Winkel.

Als erstes betrachtet man die Komponente, die linear senkrecht (Index: s) zur Einfallsebene polarisiert ist. Sie wird in der Literatur auch häufig als transversalelektrische (TE) Komponente bezeichnet.

(E0tE0e)s=ts=2N1cosαN1cosα+μr1μr2N2cosβ=2N1cosαN1cosα+μr1μr2N22N12sin2α
(E0rE0e)s=rs=N1cosαμr1μr2N2cosβN1cosα+μr1μr2N2cosβ=N1cosαμr1μr2N22N12sin2αN1cosα+μr1μr2N22N12sin2α

Mit dem Transmissionsfaktor ts und Reflexionsfaktor rs.

Parallele Polarisation (TM)

Bei paralleler Polarisation schwingt die elektrische Komponente in der Einfallsebene.
Reflexion parallel polarisiert

Im anderen Fall wird die Amplitude einer in der Einfallsebene linear parallel (Index: p) polarisierten Welle betrachtet. Sie wird in der Literatur auch häufig als transversalmagnetische (TM) Komponente bezeichnet.

(E0tE0e)p=tp=2N1cosαN2μr1μr2cosα+N1cosβ=2N1N2cosαN22μr1μr2cosα+N1N22N12sin2α
(E0rE0e)p=rp=N2μr1μr2cosαN1cosβN2μr1μr2cosα+N1cosβ=N22μr1μr2cosαN1N22N12sin2αN22μr1μr2cosα+N1N22N12sin2α

Die Richtungen der elektrischen Feldvektoren Er bzw. Et entsprechen den Richtungen der Vektoren ne×kr bzw. ne×kt, wobei ne der Normalenvektor der Einfallsebene ist.

Spezialfall: gleiche magnetische Permeabilität

Für den in der Praxis häufigen Spezialfall, dass die beteiligten Materialien näherungsweise die gleiche magnetische Permeabilität besitzen (μr1=μr2), z. B. μr=1 für nicht magnetische Materialien, vereinfachen sich die Fresnel-Formeln wie folgt:

Senkrechte Polarisation (TE)
(E0tE0e)s=ts=2N1cosαN1cosα+N2cosβ
(E0rE0e)s=rs=N1cosαN2cosβN1cosα+N2cosβ
Parallele Polarisation (TM)
(E0tE0e)p=tp=2N1cosαN2cosα+N1cosβ
(E0rE0e)p=rp=N2cosαN1cosβN2cosα+N1cosβ

Spezialfall: dielektrische Materialien

Datei:Fresnel Luft-Glas-Grenzfläche.png
Amplitudenverhältnisse r,t (oben) und Reflexions-/ Transmissionsvermögen R,T (unten) für die Grenzfläche Luft n=1 und Glas n=1,5 (μ1=μ2=1 und κ1=κ2=0). Auf Grenzfläche einfallendes Licht von der Luftseite (links) und von der Glasseite (rechts).

Ein weiterer Spezialfall ergibt sich für ideale Dielektrika, bei denen der Absorptionskoeffizient κ des komplexen Brechungsindex gleich null ist. Das heißt, das Material auf beiden Seiten der Grenzfläche absorbiert die entsprechende elektromagnetische Strahlung nicht (k1=k2=0). Es gilt:

Ni=ni(1+iκi)=ni+ikiki=0Ni=ni

Durch den Wegfall der komplexen Anteile vereinfachen sich die fresnelschen Formeln wie folgt:

Senkrechte Polarisation (TE)
(E0tE0e)s=ts=2n1cosαn1cosα+n2cosβ=2sinβcosαsin(α+β)
(E0rE0e)s=rs=n1cosαn2cosβn1cosα+n2cosβ=sin(αβ)sin(α+β)
Parallele Polarisation (TM)
(E0tE0e)p=tp=2n1cosαn2cosα+n1cosβ=2sinβcosαsin(α+β)cos(αβ)
(E0rE0e)p=rp=n2cosαn1cosβn2cosα+n1cosβ=tan(αβ)tan(α+β)

Hinweis: Das zweite Gleichheitszeichen ergibt sich durch Anwenden des Brechungsgesetzes n1n2=sinβsinα und Additionstheoremen.[1] Die dabei getroffenen Annahmen sind für Einfallswinkel von 0° und 90° nicht gültig und die Formeln können daher nicht genutzt werden. Hierfür muss die ursprüngliche Form aus reinen Kosinustermen verwendet werden

Senkrechter Einfall

Eine weitere Vereinfachung ergibt sich für den Fall, dass der Einfallswinkel α gleich dem Brechungswinkel β ist (senkrechter Einfall):

(E0rE0e)s=rs=n1n2n1+n2=rp=(E0rE0e)p
(E0tE0e)s=ts=2n1n1+n2=tp=(E0tE0e)p

Fällt beispielsweise sichtbares Licht senkrecht auf die Grenzfläche Luft/Quarzglas, dann wird der Anteil

R=r2=(n1n2n1+n2)2=(1,4611,46+1)2=0,035=3,5%

der einfallenden Intensität unabhängig von der Polarisation reflektiert (vgl. Abschnitt Zusammenhang mit Reflexions- und Transmissionskoeffizienten).

Diskussion der Amplitudenverhältnisse

Dort, wo die Amplitudenkoeffizienten reell und negativ sind, tritt ein Phasensprung von 180=π auf (bei reell und positiv keine Phasenänderung):

r=|r|=|r|eiπ

Das Amplitudenverhältnis rp besitzt einen Nulldurchgang am Brewster-Winkel αB:

rp=tan(αβ)tan(α+β)=0 genau bei α+β=90
n2n1=sinαsinβ=sinαsin(90α)=sinαcosα=tanα also αB=arctann2n1

Beispiele: Brewster-Winkel für Luft-Glas n2n1=1,51 ist αB=56,3 und für Glas-Luft n2n1=11,5 ist αB=33,7.

Für n2<n1 werden ab einem bestimmten Winkel die Amplitudenverhältnisse komplex. Ab diesem kritischen Winkel oder Grenzwinkel tritt Totalreflexion auf. Der Grenzwinkel αc entspricht dem Brechungswinkel β=90 also sinβ=1, d. h., die Welle läuft an der Grenzfläche entlang.

n2n1=sinαsin90=sinα also αc=arcsinn2n1

Beispiel: Grenzwinkel für Glas-Luft n2n1=11,5 ist αc=41,8.

Zusammenhang mit Reflexions- und Transmissionskoeffizienten

Reflexionskoeffizient in Abhängigkeit vom Einfallswinkel beim Einfall von Licht auf die Grenzfläche zweier idealer Dielektrika (k1=k2=0)

Man betrachte ein Strahlenbündel, das auf der Grenzfläche die Fläche A bestrahlt. Somit sind die Strahlquerschnitte des einfallenden, reflektierten bzw. transmittierten Strahls gleich Acosα, Acosα bzw. Acosβ. Die Energie, die pro Zeit- und Flächeneinheit durch eine Fläche, deren Normale parallel zur Energieflussrichtung S (bei isotropen Medien gleich Ausbreitungsrichutung k) steht, fließt, ist gegeben durch den Poynting-Vektor S:

S=1μ0(E×B)
S=ε0cNE2

Die mittlere Energieflussdichte erhält man durch zeitliche Mittelung:

I=S=ε0cN2|E0|2

Die mittlere Energie, die pro Zeiteinheit vom Strahlenbündel transportiert wird (mittlere Leistung, die auf Fläche A trifft), entspricht der mittleren Energieflussdichte mal der Querschnittsfläche, also

IeAcosα,
IrAcosα

bzw.

ItAcosβ.

Allgemein (unpolarisiertes Licht) wird der Reflexionskoeffizient R (oft auch mit ρ bezeichnet) folgendermaßen definiert:

R=reflektierte Leistungeingestrahlte Leistung=|ASrnASen|=|IrAcosαIeAcosα|=|N1cosαN1cosα||E0rE0e|2=|E0rE0e|2

und als Transmissionskoeffizienten T (oft auch mit τ bezeichnet):

T=transmittierte Leistungeingestrahlte Leistung=|AStnASen|=|ItAcosβIeAcosα|=|N2cosβN1cosα||E0tE0e|2

Die beiden Koeffizienten lassen sich nun mit Hilfe der fresnelschen Formeln berechnen, sie sind das Produkt des entsprechenden Reflexions- bzw. Transmissionsfaktors mit dessen konjugiert komplexem Wert.

Ri=|(E0rE0e)i|2=rir¯i
Ti=|N2cosβN1cosα||(E0tE0e)i|2=|N2cosβN1cosα|tit¯i

Für ideale Dielektrika, die keinen Absorptionskoeffizienten aufweisen und deren Reflexionsfaktoren reell sind, vereinfachen sich die Gleichungen zu:

Ri=|(E0rE0e)i|2=ri2
Ti=n2n1cosβcosα|(E0tE0e)i|2=n2n1cosβcosαti2=tanαtanβti2

mit i für die s- bzw. p-polarisierte Komponente.

Ohne Absorption gilt folgende Energiestrombilanz für die einzelnen Polarisationsrichtungen:

Ts+Rs=1
Tp+Rp=1

Mit der Gesamtamplitude |E0i|2=|E0i|p2+|E0i|s2 (i für die einfallende, reflektierte oder transmittierte Welle) gilt ohne Absorption die Gesamtenergiestrombilanz:

T+R=1

Literatur

  • Wolfgang Nolting: Grundkurs Theoretische Physik 3: Elektrodynamik. 7. Auflage. Springer, Berlin 2002, ISBN 3-540-20509-8
  • Wolfgang Demtröder: Experimentalphysik 2. Springer, Berlin 2004, ISBN 3-540-20210-2.
  • John David Jackson: Klassische Elektrodynamik. de Gruyter, Berlin 2006, ISBN 3-11-018970-4.
  • Karl J. Ebeling : Integrierte Optoelektronik: Wellenleiteroptik, Photonik, Halbleiter. 2. Auflage, Springer. Berlin 1998, ISBN 3-540-54655-3.

Weblinks

Commons: Fresnelsche Formeln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Einzelnachweise

  1. Eugene Hecht: Schaum's outline of theory and problems of optics. McGraw-Hill Professional, 1975, ISBN 0070277303, S. 40–50.