Diastereomer
Diastereomere sind Stereoisomere (chemische Verbindungen gleicher Konstitution aber unterschiedlicher Konfiguration), welche sich – im Gegensatz zu Enantiomeren – nicht wie Bild und Spiegelbild verhalten.[1] Diastereomere können sowohl chiral als auch achiral sein. In der Regel unterscheiden sich Diastereomere in physikalischen (Schmelzpunkt, Siedepunkt, Löslichkeit usw.) und chemischen Eigenschaften voneinander.
Diastereomerie aufgrund von mehreren Stereozentren
Zwischen zwei molekularen Verbindungen mit gleicher Konstitution und mehreren Stereozentren liegt Diastereomerie vor, wenn sie sich in mindestens einem, jedoch nicht in allen Stereozentren unterscheiden. Unterscheiden sich die beiden Verbindungen in genau einem Stereozentrum, wird diese Diastereomerie auch Epimerie genannt. Ist die Konfiguration in allen Stereozentren zwischen den Verbindungen unterschiedlich, liegt Enantiomerie vor, die nicht zur Diastereomerie gezählt wird.
Ursache der Chiralität in einem Molekül sind meist Atome, die als Stereozentren bezeichnet werden. Meist handelt es sich um asymmetrisch substituierte Kohlenstoff-Atome, die vier unterschiedliche Reste tragen. An einem solchen Stereozentrum sind, bedingt durch die tetraedrische Struktur des C-Atoms, jeweils zwei Konfigurationen möglich, die auch durch Drehung nicht zur Deckung gebracht werden können. Enthält eine Verbindung n Kohlenstoffatome als Stereozentren, so können maximal 2n Konfigurationsisomere existieren. Konfigurationsisomere bei denen sich alle asymmetrischen Kohlenstoffatome unterscheiden sind Enantiomere, von denen es 2n/2 Paare gibt. Sind die Stereozentren in einem Molekül gleichartig, liegt eine Spiegelebene im Molekül vor und die Zahl der Konfigurationsisomere ist kleiner, da auch meso-Verbindungen vorliegen. Diastereomere sind meistens optisch Aktiv, die meso-Verbindungen sind jedoch achiral.
Diastereomere haben in der Regel unterschiedliche physikalische Eigenschaften (Schmelzpunkt, Siedepunkt, Löslichkeit, NMR-Spektrum, IR-Spektrum), während sich Enantiomere ausschließlich in ihrem Drehwert und in ihren chemischen Eigenschaften gegenüber anderen chiralen Molekülen und damit auch in ihren physiologischen Eigenschaften unterscheiden.
Beispiele
D-Glucose und D-Galactose sind zwei Zucker, die sich in einem von vier Chiralitätszentren voneinander unterscheiden. Es handelt sich somit um Diastereomere und gleichzeitig um Epimere.
D-Glucose und L-Galactose unterscheiden sich in drei von vier Stereozentren. Es sind also Diastereomere, aber keine Epimere.
D-Glucose und L-Glucose unterscheiden sich in allen vier Stereozentren und verhalten sich wie Bild und Spiegelbild. Es sind also Enantiomere und keine Diastereomere.
Diastereomerie aufgrund von Doppelbindungen
(E)-(Z)-Isomerie (auch cis-trans-Isomerie) zählt zur Diastereomerie und tritt durch die Starrheit von Doppelbindungen aufgrund von π-Bindungen auf. Doppelbindungen und damit die gebundenen Gruppen sind nicht frei drehbar. So existieren unterschiedliche räumliche Anordnungen. Beispiele sind die cis-trans-Isomerie von Alkenen.
Diastereomerie bei cyclischen Verbindungen
endo-exo-Isomerie ist eine Diastereomerie, die bei substituierten verbrückten bicyclischen Kohlenwasserstoffen auftreten. Diastereomerie tritt auch bei unverbrückten bicyclischen Kohlenwasserstoffen (siehe z.B. cis- und trans-Decalin) und bei substituierten monocyclische Verbindungen, wie 1,2-Dichlorcyclopentan auf. Die letzten beiden Fälle werden häufig als cis-trans-Isomerie betrachtet.
Diastereoselektivität
Chirale Moleküle differenzieren gegenüber anderen chiralen Molekülen zwischen den möglichen Enantiomeren. Das liegt daran, dass zwei verschiedene chirale Moleküle in einem diastereomeren Verhältnis zueinander stehen. Diastereoselektivität tritt in einer chemischen Reaktion sowohl zwischen zwei chiralen Edukten als auch zwischen einem chiralen Edukt oder Reagenz und einem prochiralen oder achiralen Edukt auf, so dass auf der Produktseite ein Enantiomer bevorzugt wird. Bei diastereoselektiven Reaktionen haben die verschiedenen Übergangszustände von Enantiomeren auch unterschiedliche physikalische Eigenschaften, woraus sich letztlich die Selektivität ergibt. Enantioselektive Synthesen beruhen letztlich immer auf diastereoselektiven Mechanismen, weshalb der Begriff Diastereoselektive Synthese zu bevorzugen ist. Eine einmal vorhandene Chiralität setzt sich somit in Folgesystemen fort.
Beispiel aus der makroskopischen Welt
Ebenso wie chirale Moleküle gegenüber anderen chiralen Molekülen zwischen den möglichen Enantiomeren differenzieren können, ist das auch in der makroskopischen Welt möglich. Der Rechtshänder kommt beim Schneiden mit einer Schere für Rechtshänder besser zurecht als der Linkshänder. Das liegt daran, dass (a) die Hände chiral sind und (b) eine handelsübliche Schere auch chiral ist. Die Kombination „Rechtshänder/Schere für Rechtshänder“ ist diastereomer zu der Kombination „Rechtshänder/Schere für Linkshänder“.
Einzelnachweise
- ↑ Eintrag: diastereoisomerism. In: IUPAC Compendium of Chemical Terminology (the “Gold Book”). doi:10.1351/goldbook.D01679 (Version: 2.3.).
Literatur
- Hans Beyer, Wolfgang Walter: Lehrbuch der Organischen Chemie. 19. völlig neu bearbeitete Auflage. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1981, ISBN 3-7776-0356-2.
- Hans Rudolf Christen, Fritz Vögtle: Organische Chemie. Von den Grundlagen zur Forschung. 2. Band. 2. Auflage. Otto Salle Verlag u. a., Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-7935-5398-1.
- Karl Schwister (Hrsg.): Taschenbuch der Chemie. 4. aktualisierte Auflage. Fachbuchverlag Leipzig im Carl-Hanser-Verlag, München 2010, ISBN 978-3-446-42211-7.