Butzenscheibe

Butzenscheibe

Butzenglas im Kirchenfenster
Butzenscheiben in verschiedenen Farben
Tellerscheibe mit Bleifassung aus dem 16. Jahrhundert
Butzscheibenfenster im Angelika-Kauffmann-Museum in Schwarzenberg (Vorarlberg).

Eine Butzenscheibe, Batzenscheibe, Nabelscheibe, fälschlicherweise als Ochsenauge oder scherzhaft auch „Flaschenboden“ bezeichnet, ist eine runde Glasscheibe von 7–15 cm Durchmesser. Sie hat produktionsbedingt in der Mitte eine Erhöhung, den Butzen oder Nabel.

Beschaffenheit und Verwendung

Eine Butzenscheibe besteht meist aus grünem Waldglas. Sie besitzt die bereits erwähnte beidseitige Erhöhung in der Mitte und hat erhöhte Ränder. Zur Verglasung von Fenstern taucht sie erstmals im 14. Jahrhundert auf. Mittels Bleifassung wurden die Butzenscheiben im 15. und 16. Jahrhundert zu ganzen Fenstern zusammengesetzt. Sie wurden teilweise auch datiert und bemalt. Während man im 18. Jahrhundert die Butzenscheiben beim Neubau fast gänzlich ablehnte, tauchte sie im Zuge der Romantik im 19. Jahrhundert wieder verstärkt auf, teilweise dann aber aus gepresstem verschiedenfarbigem Reliefglas hergestellt.[1] Zur Reparatur im Rahmen der Denkmalpflege wird heute speziell hergestelltes Antikglas, nicht zu verwechseln mit antikem Glas, verwendet.[2]

Rechteckige gebogene Scheiben, sogenannte Wölbscheiben oder bombierte Scheiben, z.B. in Haustüren[3], werden heute fälschlich manchmal auch als „Butzenverglasung“ bezeichnet.

Erfindung und Herstellung

Die Fensterglasherstellung erfolgte bis in das neunzehnte Jahrhundert manuell nach zwei unterschiedlichen Verfahren:

  • durch direkte Formgebung, indem das schmelzflüssige Glas auf vorgeheizte Tische gegossen und anschließend dünngewalzt wurde. Diese Art von Glas bezeichnete man als gewalztes Glas, was nicht mit Walzenglas verwechselt werden darf.
  • durch Blasen – so wird auch die Butzenscheibe hergestellt.

Im Laufe der Zeit verwendete man beim Glasblasen drei verschiedene Verfahrenstechniken:

1. Butzenscheiben gibt es seit dem 12. Jahrhundert mit Durchmessern bis zu 15 Zentimetern.
Butzenscheiben entstehen aus einer mit einer Glasmacherpfeife geblasenen Kugel, die an einem Hefteisen befestigt wird und danach von der Pfeife gesprengt wird. War das Glas durch die Hitze erweicht, wurde das Hefteisen in der Hand gerollt. Durch die Fliehkraft öffnete sich die Glaskugel zu einer Scheibe. Der Prozess wird auch als „Mondglasverfahren“ bezeichnet und kam aus der Normandie. Das entstandene Flachglas wird abgeschnitten.[4] Mondscheiben wurden noch bis in die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts von der Firma SCHOTT DESAG AG produziert.[5]
2. Im 13. Jahrhundert entwickelte man das Tellerscheibenverfahren, mit Durchmesser von bis zu 28 Zentimetern. Auf der Tellerscheibe befinden sich keine Werkzeugspuren und die gesamte Scherbe ist gleichmäßig dick. Die Herstellung erfolgt durch blasen eines erlenmeyerkolbenähnlichen Gebildes. Durch Absprengen des Bodens gewinnt man einen „Teller“, aus dem das benötigte Glasformat geschnitten werden kann.[6]
3. Größere Formate entstanden schließlich im Glaszylinderverfahren. Zuletzt waren Durchmesser bis 90 Zentimeter und Längen von über 2 Metern möglich. Die Glaszylinder wurden nach dem Abkühlen aufgeschnitten und durch Wiedererwärmen in sogenannten Strecköfen zu Tafelglas umgeformt.[7]

Glashütte Weibersbrunn
Glashütte Weibersbrunn


Zeittafel: Entwicklung Fensterglas

Wissenswertes

Die angebliche Erfindung der Butzenscheibe durch den Franzosen Philipp de Cacqueray im Jahr 1330 wurde als Fälschung entlarvt. Mit dieser Methode hergestelltes Glas wurde bereits am Ende des 13. Jahrhunderts in Rouen verwendet.

Als Butzenscheiben im 19. Jahrhundert (nicht zuletzt z.B. in Großbritannien aufgrund der Einführung einer Glassteuer, von der die Butzenscheiben ausgenommen waren und die somit gerne für die rückwärtigen Fenster des Hauses verwendet wurden) wieder beliebt wurden, sprachen kritische Zeitgenossen oftmals verächtlich von der Butzenscheibenromantik. Auch die Bezeichnung Butzenscheibenlyrik, die erstmals 1884 von Paul Heyse gebraucht wurde, sollte jene Dichter abwertend treffen, die begannen, altertümelnde Verserzählungen zu verfassen, so etwa Rudolf Baumbach (Zlatorog) und Julius Wolff (Der wilde Jäger; Der Rattenfänger von Hameln). Der Bi-Ba-Butzemann, der im Kinderlied herumtanzt, lehnt sich an die Glasbläser an, die in Waldhütten – also im Wald gelegenen Glasbläsereien – u.a. auch Butzenscheiben herstellten.[8]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Butzenscheibe in: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 666.
  2. Bruno Siegelin, Rainer Trumpf: Reparaturgläser. PaX Classic GmbH, Fachtagung Herbst 2002, Kap. 7, S. 63 ff.
  3. Falsche Butzenscheiben
  4. Rainer Trumpf: Glas im Bauwesen. PaX Classic GmbH, Fachtagung Herbst 2002, Kap. 6, S. 59 ff.
  5. Rainer Trumpf: Glas im Bauwesen. PaX Classic GmbH, Fachtagung Herbst 2002, Kap. 6, S. 60
  6. Bruno Siegelin, Rainer Trumpf: Reparaturgläser. PaX Classic GmbH, Fachtagung Herbst 2002, Kap. 7, S. 65
  7. Rainer Trumpf: Glas im Bauwesen. PaX Classic GmbH, Fachtagung Herbst 2002, Kap. 6, S. 59f.
  8. Baulexikon. Stichwort Butzenscheiben© Copyright 2009 by pw-Internet Solutions GmbH

Literatur

  • T. Wieckhorst: Historische Fensterverglasung: Lexikonbegriffe Antikglas bis Glasmalerei. In: Bausubstanz. 1994, ISSN 0179-2857 (Butzenscheibe: Für die Herstellung von Butzenscheiben, die im 14. Jh. aufkamen und auch heute noch als historisierende Verglasung anzutreffen sind, wird zunächst eine mit der Glasmacherpfeife mundgeblasene kugelige Hohlglasblase zusammengedrückt oder einseitig über der Flamme aufgeschnitten und zu runden Scheiben mit ca. 10 cm Durchmesser flachgeschleudert. Nach der Umbördelung oder Verstärkung durch den Glasmacher werden die so entstandenen Butzen über Bleistege (Bleiruten) verbunden und zur Fensterscheibe zusammengefügt, die Zwickel werden mit entsprechenden Glasstücken oder mit Bleistegen ausgefüllt. An historischen Fenstern brüchig gewordene Bleiruten müssen handwerklich restauriert oder erneuert werden. Heutzutage werden die Fensterscheiben als Guß-Butzenscheiben unter Verwendung von Profilwalzen hergestellt.).
  • R. Becksmann: Die Fenster des Freiburger Münsters. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. 1980, ISSN 0342-0027.
  • I. Seligmann und R.W. Schmid: Warmglas mit Sprossen und Butzen für historische Bauten. In: Bausanierung. 1993, ISSN 0939-4680 (Mittlerweile werden etwa auch großformatige Butzenscheiben angeboten. Durch das doppelseitige Anbringen von Bleibändern wird die Wirkung einer Bleiverglasung erzielt.).
  • PaX Holz-Fenster, Bad Lausick (Hrsg.): PaXclassic Fachtagung. Fenster im Baudenkmal zur „Denkmal '96“. Tagungsbeiträge vom 1. und 2. November 1996. Lukas Verlag für Kunst- u. Geistesgeschichte, Bad Lausick 1999, ISBN 978-3-931836-38-2, S. 102.
  • E. Drachenberg, R. Meissner: Besserer Schutz für alle Domfenster. In: Die Restaurierung des Doms zu Meißen 1990–2002. 2003, ISBN 3-8167-6214-X.

Weblinks

Commons: Butzenscheiben-Fenster – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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