Boracit

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Boracit
Boracite-169813.jpg
Chemische Formel

α-(Mg,Fe)3[Cl|B7O13][1]

Mineralklasse Borate (ehemals Carbonate, Nitrate und Borate)
6.GA.05 (8. Auflage: V/L.04) nach Strunz
25.06.01.01 nach Dana
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol nach Hermann-Mauguin rhombisch-pyramidal mm2[2]
Farbe Farblos, Weiß, Hellgrau, Gelblich, Hellgrün bis Dunkelgrün
Strichfarbe Weiß
Mohshärte 7 bis 7,5
Dichte (g/cm3) gemessen: 2,91 bis 3,10 ; berechnet: 2,97[3]
Glanz Glasglanz bis Diamantglanz
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend
Bruch muschelig bis uneben
Spaltbarkeit keine
Habitus isometrische Kristalle; faserige, körnige oder massige Aggregate
Kristalloptik
Brechungsindex nα = 1,658 bis 1,662
nβ = 1,662 bis 1,667
nγ = 1,668 bis 1,673[4]
Doppelbrechung
(optischer Charakter)
δ = 0,010 bis 0,011[4] ; zweiachsig positiv
Optischer Achsenwinkel 2V = 82°[4]
Weitere Eigenschaften
Phasenumwandlungen 268 °C
Chemisches Verhalten leicht wasserlöslich, schwer löslich in Salzsäure (HCl)
Besondere Kennzeichen stark pyroelektrisch und piezoelektrisch

Boracit (Borazit), veraltet auch als cubischer Quarz oder Lüneburger Diamant bekannt, ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Borate“ (ehemals Carbonate, Nitrate und Borate). Es kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung α-(Mg,Fe)3[Cl|B7O13][1] und entwickelt meist isometrische Kristalle, aber auch faserige oder körnige bis massige Aggregate, die entweder farblos oder durch Fremdbeimengungen weiß, grau, gelblich oder hell- bis dunkelgrün gefärbt sein können.

Besondere Eigenschaften

Vollkommener, dodekaedrischer Boracit-Kristall aus der Typlokalität Lüneburger Kalkberg von blaugrüner Farbe (Größe: 1,2 x 1,1 x 0,9 cm)

Boracit ist polymorph und wechselt bei einer Temperatur von 268 °C sein Kristallsystem (siehe auch Kristallstruktur). Die Tieftemperaturform ist stark pyroelektrisch und bildet bei (111) den antilogen (negativen) und bei (111) den analogen (positiven) Pol aus.

Des Weiteren ist Boracit vor der Lötlampe nur schwer schmelzbar und färbt die äußere Flamme grün. Von Salzsäure wird er nur langsam aufgelöst[5], in Wasser löst er sich dagegen leicht[3].

Etymologie und Geschichte

Erstmals entdeckt wurde Boracit im Lüneburger Kalkberg in Niedersachsen und 1787 von G. Lasius[6] als kubische Quarzkristalle von Lüneburg beschrieben[7]. Aufgrund seines Fundortes und seines Glanzes erhielt das Mineral auch den Zusatz Lüneburger Diamant. Seinen bis heute gültigen Namen Boracit erhielt es 1789 von Abraham Gottlob Werner, der es nach seinem Hauptbestandteil Bor benannte.[1]

Weitere von verschiedenen Forschern verwendete Synonyme sind unter anderem kalkartiger Borax, Boraxspath, Würfelstein (um Lüneburg), kalkartiger Quarz, Sedativspath (nach H. Westrumb)[8] und Staßfurtit[7].

Klassifikation

In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Boracit noch zur gemeinsamen Mineralklasse der „Carbonate, Nitrate und Borate“ und dort zur Abteilung der „Gerüstborate“, wo er zusammen mit Chambersit, Congolith, Ericait und Trembathit eine eigenständige Gruppe bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz'schen Mineralsystematik ordnet den Boracit in die nun eigenständige Klasse der „Borate“ und dort in die Abteilung der „Heptaborate und andere Megaborate“ ein. Diese Abteilung ist zudem noch weiter unterteilt nach der Art der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seines Aufbaus in der Unterabteilung „Gerüst-Heptaborate (.05); Schicht-Nanoborate (.10 bis .20); Gerüst-Dodekaborate (.25); Mega-Gerüst-Borate (.30 bis .35)“ zu finden ist, wo es zusammen mit Chambersit und Ericait die unbenannte Gruppe 6.GA.05 bildet.

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Boracit wie die veraltete, 8. Auflage der Strunz'schen Systematik in die gemeinsame Klasse der „Carbonate, Nitrate und Borate“, dort allerdings in die Abteilung der „Wasserfreien Borate mit Hydroxyl oder Halogen“ ein. Hier ist er als Namensgeber der „Boracitgruppe (Orthorhombisch: Rca21)“ mit der System-Nr. 25.06.01 und den weiteren Mitgliedern Chambersit und Ericait innerhalb der Unterabteilung „Wasserfreie Borate mit Hydroxyl oder Halogen“ zu finden.

Modifikationen und Varietäten

Die Verbindung α-(Mg,Fe)3[Cl|B7O13] ist dimorph und kommt in der Natur neben dem orthorhombischen Boracit noch als trigonal kristallisierrnder Trembathit vor.

Huyssenit ist eine eisenhaltige Varietät des Boracit. Als Eisenboracit wird dagegen eine Boracit-Varietät mit einem Stoffmengenanteil von bis zu 36 % Wüstit (FeO) bezeichnet.[9]

Eine trübe Ausbildungsvariante des Boracit ist unter dem Namen Parasit bekannt.[9]

Bildung und Fundorte

Boracit und Pyrit im Muttergestein aus der Typlokalität Lüneburger Kalkberg (Größe: 3.0 x 2.3 x 1.2 cm)
Hildegardit (rot) auf kugeligem Boracit aus der Boulby Mine, Loftus, North Yorkshire, England (Gesamtgröße der Probe: 5,5 x 4,5 x 3,4 cm)

Boracit bildet sich durch Sedimentation oder Metamorphose in Evaporit-Lagerstätten. Begleitminerale sind unter anderem Anhydrit, Carnallit, Gips, Halit, Hildegardit, Kainit und Sylvin. Sehr häufig findet er sich in kleinen, ein- oder aufgewachsenen Kristallen und in Drusen. Durch Zersetzung verwandeln sich die Boracitkristalle ohne ihre äußere Form einzubüßen in Aggregate von faserigen Individuen, welche einige Prozente Wasser enthalten und ein neues Mineral, Parisit, darstellen.

Insgesamt konnte Boracit bisher (Stand: 2011) an rund 50 Fundorten nachgewiesen werden.[10] Neben seiner Typlokalität Lüneburger Kalkberg fand sich das Mineral in Deutschland noch an mehreren Orten in Niedersachsen (Celle, Elze, Göttingen, Hannover, Helmstedt, Hildesheim, Lüneburg), Sachsen-Anhalt (Börde, Staßfurt) und Thüringen (Bleicherode, Sondershausen, Bad Salzungen) sowie am Segeberger Kalkberg in Schleswig-Holstein.

Erwähnenswert aufgrund außergewöhnlicher Boracitfunde sind unter anderem die Provinz Chapare und Cochabamba in Bolivien, wo bis zu 1,5 cm große Kristalle gefunden wurden.[11]

Weitere Fundorte sind unter anderem Tasmanien in Australien; Jiangcheng (Pu'er) in China; Cleveland und North Yorkshire in England (Großbritannien); Lothringen in Frankreich; New Brunswick in Kanada; Kasachstan; Muzo in Kolumbien; Boyacá in Kolumbien; Inowrocław, Lubin und Kłodawa in Polen; Oblast Irkutsk in Russland; sowie Clarke County (Alabama), San Bernardino County und mehrere Orte im Bundesstaat Louisiana in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA). [12]

Kristallstruktur

Kristallographische Daten[1]
Kristallsystem orthorhombisch
Raumgruppe Pca21
Gitterparameter
(Elementarzelle)
a = 8,55 Å ; b = 8,55 Å
c = 12,09 Å
Zahl (Z) der
Formeleinheiten
Z = 4

Boracit kristallisiert zunächst im kubischen Kristallsystem in der Raumgruppe F43c mit dem Gitterparameter a = 12,10 Å sowie 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Bei der Übergangstemperatur von 268 °C klappt das Kristallgitter um in die orthorhombisch-pyramidale Kristallklasse der Raumgruppe Pca21 mit den Gitterparametern a = 8,55 Å, b = 8,55 Å und c = 12,09 Å sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Dieser besondere Vorgang des Strukturwechsels im selben Aggregatzustand wird auch Polymorphie genannt.

Diese Eigenschaft von Boracit ist auch der Grund dafür, dass oft Paramorphosen von Boracit nach kubischen Formen gefunden werden. [5]

Verwendung

Boracit hat außer als Mineralprobe für Museen und Sammler keine weitere Bedeutung. Mitunter werden gut ausgebildete und klare Stücke von Hobbyschleifern zu facettierten Schmucksteinen verschliffen und zum Tausch und/oder Kauf angeboten. [13]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3  Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 358.
  2. Webmineral - Boracite (englisch)
  3. 3,0 3,1 Handbook of Mineralogy - Boracite (englisch, PDF 65,6 kB)
  4. 4,0 4,1 4,2 Mindat - Boracite (englisch)
  5. 5,0 5,1  Paul Ramdohr, Hugo Strunz: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. 16. Auflage. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 593.
  6. kunstundkultur.de - Sonderausstellung im Deutschen Salzmuseum: unter/übertage - Salzmineralien aus aller Welt
  7. 7,0 7,1  Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 561-562.
  8. Boracit in Oeconomische Naturgeschichte für den deutschen Landmann und die Jugend in den mittleren Schulen, Band 5 in der Google Buchsuche
  9. 9,0 9,1 Datenbankensammlung von Indra Günther - Alte Mineralnamen und Synonyme (PDF 2,65 MB)
  10. Mindat - Anzahl der Fundorte
  11.  Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie. Nebel Verlag GmbH, Eggolsheim 2002, ISBN 3-89555-076-0, S. 135 (Dörfler Natur).
  12. MinDat - Localities for Boracite
  13. Walter Schumann: Edelsteine und Schmucksteine. 13. Auflage. BLV Verlags GmbH, 1976/1989, ISBN 3-405-16332-3 (S. 230)

Literatur

Weblinks

 Commons: Boracite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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  • Mineralienatlas:Boracit (Wiki)

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