Turmalingruppe

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Turmalingruppe
Tourmaline-20303.jpg
Zonar unterschiedlich gefärbter Turmalin (grün-rot-gelb-grün-rot) aus der Himalaya Mine, Gem Hill, Mesa Grande, San Diego County, Kalifornien, USA (Größe: 7.5 x 1.9 x 1.9 cm)
Chemische Formel

XY3Z6[(BO3)3T6O18(OH,O)3(OH,F,O)] X=(Ca,Na,K,[]), Y=(Mg,Li,Al,Mn,Fe2+,Fe3+,V,Cr,Ti,Cu,[]), Z=(Al,Mg,Cr,V,Fe3+,Ti), T=(Si,Al,B,Be)

Mineralklasse siehe Einzelminerale
Kristallsystem trigonal
Kristallklasse; Symbol nach Hermann-Mauguin ditrigonal-pyramidal $ \ 3m $
Farbe siehe Einzelminerale
Strichfarbe weiß
Mohshärte 7 bis 7,5
Dichte (g/cm3) 3 bis 3,2
Glanz Glasglanz
Transparenz durchsichtig bis undurchsichtig
Bruch muschelig
Spaltbarkeit keine, häufig aber Absonderung senkrecht C
Habitus prismatische, säulige bis nadelige Kristalle, massige bis körnige Aggregate
Zwillingsbildung Selten Zwillinge nach den Prismenflächen
Kristalloptik
Pleochroismus je nach Mineral teilweise sehr stark
Weitere Eigenschaften
Besondere Kennzeichen Kristalle zeigen piezoelektrischen, pyroelektrischen Effekt und starken Pleochroismus

Die Turmalingruppe besteht aus einer Mischreihe im trigonalen Kristallsystem kristallisierender Ringsilikate mit der komplexen chemischen Zusammensetzung:

XY3Z6[(BO3)3T6O18(OH,F,O)4]

X = (Ca,Na,K,[])
Y = (Mg,Li,Al,Mn,Fe2+,Fe3+,V,Cr,Ti,Cu,[])
Z = (Al,Mg,Cr,V,Fe3+,Ti)
T = (Si,Al,B,Be)

X, Y und Z sind dabei durch ein beliebiges Element aus der jeweils in Klammern angegebenen Gruppe vertreten, die Klammerung (OH,F) bedeutet, dass Hydroxid- und Fluorid-Ionen in beliebigem Mischungsverhältnis zueinander stehen können, aber immer in derselben Relation zu den anderen Bestandteilen des Minerals stehen (Substitution). Das Symbol [] steht für eine Leerstelle im Kristallgitter.

Turmalin hat eine Härte von 7 bis 7,5 und eine weiße Strichfarbe. Die Farbe selbst ist äußerst variabel und kann sogar entlang der Längsachse eines einzelnen Kristalls variieren. Häufig kommen blaue, grüne, rote, rosafarbene, braune oder schwarze Varianten vor. Ein einzelner Kristall kann oft mehrere Farben aufweisen. Helle Kristalle mit dunkler Spitze werden Mohrenkopfturmaline und rote Kristalle mit grüner Hülle werden oft Wassermelonenturmaline genannt. Besonders schön sind die manchmal zu sehenden dünnen Querschnitte durch vermeintlich schwarze Turmaline, die eine mit dem Achat vergleichbare Zeichnung mit den verschiedensten Farbtönen aufweisen können.

An Turmalinen kann man oft den so genannten Pleochroismus beobachten, das heißt, dass ein Kristall je nach Betrachtungsrichtung verschiedene Farben aufweist. Von der Seite aus betrachtete grüne Turmaline sehen oft immer dunkler braun aus, wenn man sie immer weiter von der Spitze her anschaut. Andere Turmaline werden immer dunkler, je weiter man von der Spitze her schaut. Eine besondere Farbe wäre noch ein fast immer sehr dunkler bläulich-roter Farbton, der beim Drehen des Kristalls erst in ein reines Blau und dann in ein fast reines Schwarz übergeht.

Mit dem Pleochroismus einher geht die Eigenschaft der Turmaline, komplementär polarisiertes Licht zu absorbieren, geschliffene dünne Scheiben können als Polarisationsfilter fungieren.

Eine weitere Besonderheit des Turmalins ist der bei Kristallen auftretende piezo- und pyroelektrische Effekt: Ersterer besagt, dass mechanische Beanspruchung durch Druck oder Torsion dazu führt, dass sich gegenüberliegende Kristallenden elektrisch entgegengesetzt aufladen, letzterer, dass diese Aufladung auch durch Temperaturänderungen hervorgerufen wird.

Etymologie und Geschichte

Der Name stammt vom singhalesischen Wort thuramali (තුරමලි) bzw. thoramalli (තෝරමල්ලි) ab, das man allgemein für bunte Schmucksteine verwendete, die man in Sri Lanka fand. Für Europa wurde der Name erstmals 1707 schriftlich belegt[1] bzw. 1711 unter dem Namen Chrysolithus Turmale[2]. Größere Mengen wurden erst seit Mitte des 18. Jahrhundert von Sri Lanka nach Europa exportiert. Zu dieser Zeit besaß die Holländische Ostindienkompanie praktisch ein Handelsmonopol für Turmaline. Wegen seiner pyroelektrischen Eigenschaften wurde er im niederländischen Sprachraum auch als Aschetrekker (Aschenzieher) bezeichnet. Volkskundlich wird davon berichtet, dass die Niederländer sich die pyroelektrischen Eigenschaften zunutze machten, indem sie mit Turmalinen die Aschereste aus ihren Meerschaumpfeifen entfernten.

Schörl

Schörl aus Nigeria

Am häufigsten kommt der Fe-Turmalin mit dem Namen Schörl vor. Die erste genauere Beschreibung von Schörl mit der Bezeichnung „schürl“ und dessen Vorkommen im Sächsischen Erzgebirge erfolgte 1562 durch Johannes Mathesius (1504–1565).[3]

Die etymologische Untersuchung des geographischen Begriffes Zschorlau (Gemeinde in Sachsen mit der ursprünglichen Bezeichnung Schorl) und der Bezeichnung „Schörl“ für ein Mineral der Turmalin-Gruppe lässt einen gemeinsamen Wortstamm vermuten, der bereits vor 1400 n. Chr. gebräuchlich war. In der Nähe von Zschorlau wurde Zinnstein (Kassiterit), häufig vergesellschaftet mit Schörl (schwarzer Fe2+-reicher Turmalin), gefunden und abgebaut. Bis etwa 1600 waren noch folgende Namen in Gebrauch: „Schurel“, „Schörle“ und auch „Schurl“. Im 18. Jahrhundert setzte sich dann im deutschen Sprachraum der Name „Schörl“ durch, der auch heute noch Verwendung findet. Im 18. Jahrhundert wurden die Bezeichnungen „shorl“ und „shirl“ im angelsächsischen Sprachraum eingeführt, im 19. Jahrhundert auch die Bezeichnungen „common schorl“, „schörl“, „schorl“ und „iron tourmaline“.[3]

Dravit

Der Name Dravit wurde erstmals von Gustav Tschermak (1836–1927, Professor für Mineralogie und Petrographie an der Universität Wien) in seinem 1884 erschienenen „Lehrbuch der Mineralogie“ für Mg-reichen (und Na-reichen) Turmalin verwendet, dessen Vorkommen nahe der Ortschaft Unterdrauburg in Kärnten lag, also im „Dravegebiet“, dem Gebiet entlang der Drau (lateinisch: Dravus), der österreichisch-ungarischen Monarchie.[4] Heute gehört die Turmalin-Fundstelle (Typlokalität für Dravit) nahe der Gemeinde Dravograd (die Fundstelle befindet sich bei Dobrova pri Dravogradu) zur Republik Slowenien. Die chemische Zusammensetzung, die Tschermak 1884 für Dravit angibt, entspricht der ungefähren Formel NaMg3(Al,Mg)6B3Si6O27(OH), die bis auf den OH-Gehalt gut mit der heutigen Endgliedformel für Dravit, NaMg3Al6B3Si6O27(OH)4, beziehungsweise NaMg3Al6(BO3)3 (Si6O18)(OH)4, übereinstimmt.[4]

Elbait

Ein Lithium-Turmalin (Elbait) war eines von drei Mineralien aus Utö (Schweden), in welchem das neue Alkali-Element Lithium (Li) im Jahr 1818 von Johan August Arfwedson bestimmt wurde.[5] Die italienische Insel Elba war einer der ersten Fundorte, von dem gefärbte sowie farblose Turmaline extensiv chemisch analysiert wurden. Im Jahr 1850 hat Karl Friedrich Rammelsberg zum ersten Mal Fluor im Turmalin beschrieben. Im Jahr 1870 bewies er, dass alle Turmalin-Varietäten chemisch gebundenes Wasser besitzen.

Scharizer vermutete im Jahr 1889 in rotem Li-Turmalin aus Schüttenhofen (heute Sušice, Tschechien) eine Substitution von (OH). Wladimir Iwanowitsch Wernadski publizierte im Jahr 1914 den Namen „Elbait“ für Li-, Na- und Al-reichen Turmalin von Elba, Italien, mit der vereinfachten Formel (Li,Na)HAl6B2Si4O21. Sehr wahrscheinlich stammt das Typmaterial für Elbait von Fonte del Prete, San Piero in Campo, Campo nell'Elba, Insel Elba, Italien.[5]

Winchell publizierte im Jahr 1933 eine aktualisierte Formel für Elbait, H8Na2Li3Al3B6Al12Si12O62, welche heute allgemein mit der Schreibweise Na(Li1.5Al1.5)Al6 (BO3)3[Si6O18](OH)3(OH) verwendet wird.[5]

Einzelminerale und Varietäten

Die einzelnen Minerale der Turmalingruppe (mit ihren Varietäten) sind im folgenden mit ihrer chemischen Zusammensetzung angegeben:

  • Buergerit NaFe33+Al6[F|O3|(BO3)3|Si6O18]
  • Chromdravit NaMg3(Cr,Fe3+)6[(OH)4|(BO3)3|Si6O18]
  • Dravit NaMg3Al6[(OH)4|(BO3)3|Si6O18]
  • Elbait Na(Li,Al)3Al6[(OH,F)4|(BO3)3|Si6O18]
    • Achroit, farblos
    • Indigolith, blau
    • Rubellit, rosa bis rot
    • Siberit, rotviolett bis blauviolett
    • Tsilaisit, dunkelgelb (selten)
    • Verdelith, grün
  • Feruvit CaFe32+(Al,Mg)6[(OH)4|(BO3)3|Si6O18]
  • Foitit Na<0,5(Fe2+,Al)3Al6[(OH)4|(BO3)3|Si6O18]
  • Liddicoatit Ca(Li,Al)3Al6[(OH,F)4|(BO3)3|Si6O18]
  • Magnesiofoitit Na<0,5(Mg,Fe2+,Al)3Al6[(OH)4|(BO3)3|Si6O18]
  • Olenit Na0,5-1Al3Al6[(O,OH)4|(BO3)3|Si6O18]
  • Povondrait (Na,K)(Fe3+Fe2+)3(Fe3+,Mg,Al)6[(OH,O)4|(BO3)3|Si6O18]
  • Rossmanit Na<0,5(Al,Li,Mn2+)3Al6[(OH)4|(BO3)3|Si6O18]
  • Schörl NaFe32+(Al,Fe3+)6[(OH)4|(BO3)3|Si6O18]
  • Uvit Ca(Mg,Fe2+)3MgAl5[(OH,F)4|(BO3)3|Si6O18]
  • Vanadiumdravit NaMg3(V3+,Al)6[(OH)4|(BO3)3|Si6O18]

Bildung und Fundorte

Turmalin findet sich in Form prismatischer Kristalle in granitischen Pegmatiten, aber auch in metamorphen Gesteinen wie Gneis, die durch borhaltige hydrothermale Lösungen in ihrer Zusammensetzung verändert wurden.

Verwendung

Besonders schöne Exemplare finden als Schmuckstein Verwendung, etwa der Rubellit, eine rote Variante des Turmalin. Das bekannteste Beispiel dürfte die Meisterschale der Fußball-Bundesliga sein, die mit insgesamt 21 Turmalinen besetzt ist. Auch der DFB-Pokal ist mit Turmalinen bestückt.

Aufgrund seiner Wirkung als Polarisationsfilter wurden geschliffene Turmalinscheiben bereits im 19. Jahrhundert in der Fotografie verwendet, um störende Glanzreflexe zu unterdrücken. Früh fanden Polarisationsfilter aus Turmalin (neben solchen aus Kalkspat und Herapathit) auch Eingang in die Mikroskopie, daraus wurden Polarisationsmikroskope entwickelt.[6] Wegen der besonderen elektrischen Eigenschaften wird Turmalin zudem auch in der Elektronik genutzt.

Galerie

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Schmidt, Johann Georg; Curiöse Speculationes bey Schlaflosen Nächten — von einem Liebhaber, der immer gern speculiert; Chemnitz und Leipzig, 1707
  2. Hermann, Paul; Catalogus musei Indici, continens varia exotica, tum animalia, tum vegetabilia etc.; 1711
  3. 3,0 3,1  Andreas Ertl: Über die Etymologie und die Typlokalitäten des Minerals Schörl. In: Mitteilungen der Österreichischen Mineralogischen Gesellschaft. Nr. 152, 2006, S. 7–16.
  4. 4,0 4,1  Andreas Ertl: Über die Typlokalität und die Nomenklatur des Minerals Dravit. In: Mitteilungen der Österreichischen Mineralogischen Gesellschaft. Nr. 153, 2007, S. 265–271.
  5. 5,0 5,1 5,2  Andreas Ertl: About the nomenclature and the type locality of elbaite: A historical review. In: Mitteilungen der Österreichischen Mineralogischen Gesellschaft. Nr. 154, 2008, S. 35–44.
  6. Dieter Gerlach: Geschichte der Mikroskopie. Erschienen im Verlag Harri Deutsch, S. 709

Literatur

  •  Friedrich Benesch: Der Turmalin. Eine Monographie. Urachhaus, Stuttgart 1990, ISBN 3-87838-650-8.
  •  Andreas Ertl, Franz Pertlik, Heinz-Jürgen Bernhardt: Investigations on olenite with excess boron from the Koralpe, Styria, Austria. In: Sitzungsberichte und Anzeiger Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse, Abt. I. Nr. 134, 1997, S. 3–10.
  •  Paul Rustemeyer: Faszination Turmalin. Formen, Farben, Strukturen. Spektrum, Heidelberg 2003, ISBN 3-8274-1424-5.
  •  Stiftung Deutsches Edelsteinmuseum Idar-Oberstein (Hrsg.), Joachim Werner Zang (Redaktion): Turmalin 2000. Gebhard + Hilden, Idar-Oberstein 2000, ISBN 3-932515-22-6 (Ausstellungskatalog).
  •  Christian Weise (Hrsg.): Neueste Nachrichten vom Turmalin. Weise, München 1994, ISBN 3-921656-31-1 (Extra-Lapis. Band 6).
  •  Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie. Nebel, Eggolsheim 2002, ISBN 3-89555-076-0.
  •  Stefan Weiß: Das große Lapis-Mineralienverzeichnis. 4. Auflage. Weise, München 2002, ISBN 3-921656-17-6.

Weblinks

 Commons: Turmalin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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