Sildenafil
Strukturformel | |||||||||
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Allgemeines | |||||||||
Freiname | Sildenafil | ||||||||
Andere Namen | |||||||||
Summenformel | C22H30N6O4S | ||||||||
CAS-Nummer |
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PubChem | 5212 | ||||||||
ATC-Code | |||||||||
DrugBank | DB00203 | ||||||||
Arzneistoffangaben | |||||||||
Wirkstoffklasse | |||||||||
Wirkmechanismus | |||||||||
Verschreibungspflichtig: Ja | |||||||||
Eigenschaften | |||||||||
Molare Masse | 474,58 g·mol−1 | ||||||||
Schmelzpunkt | |||||||||
Sicherheitshinweise | |||||||||
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Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Sildenafil ist ein Arzneistoff, der 1998 von dem US-amerikanischen Unternehmen Pfizer unter dem Namen Viagra zur Behandlung der erektilen Dysfunktion (Erektionsstörung) beim Mann, also als Potenzmittel, als Tabletten in abgestuften Wirkstärken auf den Markt gebracht wurde. Seit 2006 wird Sildenafil auch zur Behandlung der idiopathischen pulmonal-arteriellen Hypertonie unter dem Markennamen Revatio vertrieben.
Sildenafil war der erste Arzneistoff der Wirkstoffklasse der PDE-5-Hemmer. Umgangssprachlich wird der Name Viagra gelegentlich auch als Sammelbegriff für andere Medikamente dieser Wirkstoffgruppe, beispielsweise Tadalafil (Cialis), Vardenafil (Levitra) verwendet.
In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist Sildenafil in allen verfügbaren Darreichungsformen (Filmtabletten: 25, 50, 100 mg Sildenafil) verschreibungspflichtig.
Wirkungsweise
Wirkmechanismus
Ein Teil des physischen Prozesses der Erektion beinhaltet die Freisetzung von Stickstoffmonoxid (NO) im Corpus cavernosum. Dadurch wird das Enzym Guanylatzyklase aktiviert, welches die Ausschüttung von cyclischem Guanosinmonophosphat (cGMP) erhöht. So wird eine leichte Muskelentspannung im Corpus Cavernosum ausgelöst, welche das Einströmen von Blut und damit die Erektion ermöglicht.
Sildenafil ist ein potenter selektiver Hemmer der cGMP-spezifischen Phosphodiesterase vom Typ 5 (PDE-5), die für die Herabsetzung von cGMP im Corpus Cavernosum verantwortlich ist. Als Resultat wird beim Einsatz von Sildenafil eine normale sexuelle Stimulation zu erhöhten Blutspiegeln von cGMP im Corpus cavernosum und damit zu einer verstärkten Erektion führen. Ohne eine sexuelle Stimulation und Aktivierung des NO/cGMP-Systems löst Sildenafil keine Erektion aus.
Der gleiche Wirkmechanismus trifft auch für die Substanzen Tadalafil und Vardenafil zu.
Sildenafil wird durch Leberenzyme abgebaut und sowohl über die Leber als auch über die Nieren ausgeschieden. Wenn es mit fettreicher Nahrung eingenommen wird, ist ein verzögerter Abbau und eine verringerte Wirkung zu erwarten.
Einsatz bei erektiler Dysfunktion (ED)
Nach Studien ermöglicht der Wirkstoff Sildenafil bei 69 % der männlichen Patienten eine Erektion, die für die Dauer eines Geschlechtsverkehrs aufrechterhalten wird. Sildenafil hat im Gegensatz zu den bis dahin eingesetzten Potenzmitteln, die sich die Patienten z. B. mit der Nadel in den Penis spritzen mussten, den Vorteil, dass es nur dann wirkt, wenn der Patient auch sexuell erregt ist.
Ausmaß und Dauer einer Erektion hängen vom Blutzufluss und Blutabfluss in den Schwellkörpern des Penis ab. Die Blutzufuhr wird durch ringförmige Muskeln in der Arterienwand des Corpus cavernosum gesteuert. Im nicht erigierten Zustand sind diese angespannt und verschließen die Gefäße. Wird der Mann jedoch sexuell erregt, führt dies in den betreffenden Muskelzellen zur Bildung von cGMP (zyklischem Guanosinmonophosphat). Die Muskeln entspannen sich und der Gefäßquerschnitt wird vergrößert, was dazu führt, dass arterielles Blut in die Schwellkörper fließt und eine Erektion auslöst. Molekularer Gegenspieler des cGMP ist das Enzym Phosphodiesterase-5 (PDE-5), welches das cGMP spaltet. Sildenafil wirkt dadurch, dass es PDE-5 blockiert und dafür sorgt, dass auch geringe Mengen von cGMP zu einer Erektion führen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Viagra auch bei Non-Respondern wirken kann, wenn vorher Arginin gegeben worden war. Zudem konnte bei Sildenafil eine Art Dosiseinsparungseffekt festgestellt werden. Arginin setzt ebenfalls Stickstoffmonoxid frei, welches eine Erweiterung (Dilatation) der Blutgefäße bewirkt.
Einsatz bei sexuellen Funktionsstörungen der Frau
2004 hat der Pharmakonzern Pfizer nach mehrjähriger Forschung entschieden, den Wirkstoff Sildenafil nicht für Frauen auf den Markt zu bringen. Tests an rund 3000 Frauen mit sexuellen Funktionsstörungen hätten keine brauchbaren Ergebnisse geliefert. Nach dem großen Erfolg von Sildenafil im Einsatz bei Männern sollte eigentlich ein ähnlich gewinnbringender Markt für Frauen aufgebaut werden. Das Unternehmen war jedoch (vor allem durch die Fachzeitschrift „British Medical Journal“) in die Kritik geraten, unter dem Namen „weibliche sexuelle Funktionsstörung“ (FSD) gezielt ein Krankheitsbild zu schaffen.
Einsatz bei idiopathischer pulmonal-arterieller Hypertonie
Seit 2006 ist Sildenafil unter dem Markennamen Revatio zur Behandlung der idiopathischen pulmonal-arteriellen Hypertonie bei Patienten im NYHA-Stadium III im Handel. Kritiker bemängeln, dass die zugelassene Dosierung von 3×20 mg für eine optimale Therapie nicht ausreichend sei und die wichtigsten Studien mit bis zu 3×80 mg Sildenafil durchgeführt wurden. Diese Dosierung ist aber in Deutschland nicht für die Therapie zugelassen.[4]
Sonstige Wirkungen und Einsatzbereiche
Außer den oben genannten Bereichen ist eine Wirkung und ein Einsatz von Sildenafil bei verschiedenen speziellen Krankheitsbildern beschrieben:
- Sklerodermie
- Arterielle Hypertonie bei Hunden
- Höhenkrankheit
- Bronchopulmonale Dysplasie
In der Neonatologie wird Sildenafil in letzter Zeit außerhalb der Arzneimittelzulassung zunehmend bei extremen Frühgeborenen mit bronchopulmonaler Dysplasie (BPD) zur Senkung des pulmonalen arteriellen Gefäßwiderstands eingesetzt.[5]
Es gibt erste Untersuchungen, nach denen Sildenafil die Auswirkungen des bei der Krankheit Mukoviszidose durch einen Gendefekt gestörten CFTR-Proteins korrigieren kann. Ebenfalls diskutiert wird der Einsatz von Sildenafil zur Behandlung des Schlaganfalls.
Risiken und Nebenwirkungen
Kontraindikationen
Die gleichzeitige Einnahme von Sildenafil mit nitrathaltigen Medikamenten (z. B. das bei älteren Menschen weit verbreitete Nitrolingual-Spray) oder NO-Donatoren (dazu zählt auch das Szene-Medikament Poppers) ist kontraindiziert. Durch die kombinierte Wirkung auf den Blutdruck droht ein akuter lebensbedrohlicher Blutdruckabfall – es sollte sofort ein Notarzt alarmiert werden, der über die genommene Medikation in Kenntnis gesetzt werden muss.
Abgesehen von dieser Kontraindikation stellt der Einsatz bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit dann ein Risiko dar, wenn der erfolgreiche Geschlechtsverkehr für den Kreislauf eine zu hohe Beanspruchung bedeutet.
Wechselwirkungen
Auch einige AIDS-Medikamente werden durch Sildenafil negativ beeinflusst, so dass HIV-Infizierte das Mittel nur mit gewissen Risiken einnehmen können.
Nebenwirkungen
Bei der Einnahme auftretende Nebenwirkungen: Kopfschmerzen (10,8 %), Gesichtsrötung (10,9 %), Magenbeschwerden (3 %), Rhinitis (4 %), abnorme visuelle Wahrnehmungen (2,8 %; z. B. blaue Schleier im Gesichtsfeld, erhöhte Lichtempfindlichkeit), Herabsetzung des Reaktionsvermögens, Schwindelgefühle, Dyspepsie, verstopfte Nase, Rücken- und Muskelschmerzen, Dauererektion (Priapismus). Es wurden bereits Fälle von nichtarteriitischer anteriorer ischämischer Optikusneuropathie beobachtet.[6] Dies führt in seltenen Fällen zu Einbußen der Sehfähigkeit oder zur Erblindung. Die aktuellen Erkenntnisse zu diesen Nebenwirkungen führten im Sommer 2006 zur Aussendung eines Rote-Hand-Briefes sowie zur Änderung der Fachinformation für Sildenafil. Neuerdings liegen auch Hinweise vor auf plötzlich auftretende Hörstörungen im Zusammenhang mit Sildenafileinnahme.
In der Vergangenheit wurde Sildenafil hin und wieder durch großaufgemachte Pressemitteilungen bekannt, in welchen von Todesfällen berichtet wurde. Diese traten aber in allen nachvollziehbaren Fällen durch Nichtbeachtung der Kontraindikationen auf. Ein hohes Risiko ist in diesem Zusammenhang, Sildenafil ohne die Verordnung eines Arztes, der diese Risiken abschätzen kann, einzunehmen.
Bedeutung des Handelsnamens Viagra
Die Bezeichnung Viagra ist ein rechtlich geschütztes Kunstwort. Angeblich setzt sie sich aus den Begriffen vigor (lateinisch für „Stärke“) und Niagara zusammen. Nebenbei ist „Viagra“ homophon zu vyaghra, dem Sanskrit-Wort für Tiger.
Große Bekanntheit hat das Produkt erhalten, weil es im Internet millionenfach mittels Spam-Mails beworben wird. Internetversandhändler, meist aus den USA, versenden die entsprechenden Tabletten auch ohne das notwendige Rezept in alle Welt. Abgesehen von den Nebenwirkungen des Wirkstoffs setzt man sich dabei dem Risiko aus, gefälschte oder verunreinigte Produkte zu erhalten.[7]
Generika
Die Herstellung von Sildenafil ist patentrechtlich geschützt; es darf daher nur von dem Unternehmen Pfizer oder in deren Lizenz auf den Markt gebracht werden.
Nach Klage eines Generikaherstellers wurde Pfizer im November 2012 vom Obersten Gerichtshof Kanadas das Patent wieder entzogen, weil die Offenlegung über die Erfindung und deren Funktionsweise nicht stattgefunden habe. Dies sei aber die Voraussetzung, um einen zeitlich begrenztes Verwertungsmonopol in Form des Patentschutzes gewähren zu können.[8]
Am 22. Juni 2013 läuft das Pfizer-Patent in Deutschland aus. Ratiopharm kündigte für diesen Zeitpunkt bereits ein billiges Sildenafil-Generikum an.[9] In Österreich wurden inzwischen mehrere generische Sildenafil-Präparate zugelassen, dennoch können sie, trotz gültiger behördlicher Zulassung, aufgrund der Patentsituation derzeit noch nicht vermarktet werden.[10] Indien ist Herkunftsland für eine Reihe von Sildenafil-Generika, da es noch kein den Anforderungen der WTO entsprechendes Patentrecht für Pharmazeutika besitzt. Die Kosten für den Wirkstoff machen nur einen verschwindend geringen Teil des Abgabepreises aus: im Jahr 2004 kostete der Rohstoff für Viagra, Sildenafilcitrat, 650 Euro pro Kilogramm. Daraus lassen sich 20.000 Tabletten mit einem Verkaufswert von 240.000 Euro herstellen, was einen Kostenanteil von lediglich 0,26 Prozent für den Wirkstoff bedeutet[11] bzw. 0,0325 Euro pro Tablette. Dies erklärt den im Vergleich zum Originalpräparat niedrigen Schwarzmarktpreis für Generika z.B. aus Indien. Die Einfuhr von verschreibungspflichtigen Medikamenten ist in Deutschland zollrechtlich wie auch arzneimittelrechtlich verboten und unterliegt den VuB-Regeln.
Neben den oben erwähnten echten Generika gibt es im Handel auch Scherzartikel oder Produkte mit anderer Zusammensetzung, die lediglich den Namen und die Rautenform bzw. blaue Farbe der Originalpillen imitieren.
Auswirkungen
Mit der Markteinführung von Sildenafil war die erektile Dysfunktion erstmals bei vielen Patienten ohne große Unannehmlichkeiten behandelbar. Dies hatte weitreichende Folgen auf das Sexualleben in vielen Familien und Partnerschaften. Auf der einen Seite war vielen Patienten, die aufgrund von Erkrankungen wie Diabetes, KHK, usw. nicht mehr in der Lage waren, eine Erektion zu erlangen, wieder die Möglichkeit zu einem erfüllten Liebesleben gegeben.
Auf der anderen Seite klagten schon bald Ehefrauen/Partnerinnen, die an den sexarmen Zustand „gewöhnt“ waren, dass ihr Partner für sie plötzlich anstrengender geworden sei, als sie es sich wünschen würden. Es stellte sich heraus, dass für den Einsatz von Viagra eine intensive Beratung nicht nur mit dem Arzt, sondern auch mit der Partnerin sinnvoll ist.
Ein weiteres breites Einsatzfeld findet Viagra in der Pornoindustrie. Es gibt Gerüchte, nach denen der Gebrauch von Sildenafil bei männlichen Pornodarstellern weit verbreitet sei. Ob Sildenafil wirklich zur „Standardtherapie“ gehört, oder nur als „Notnagel“ zur Verfügung steht, ist unklar.
Viagra gilt als dasjenige Medikament, das als erstes nachweislich zu einer Verbesserung des internationalen Artenschutzes beigetragen hat: Vor allem in asiatischen Ländern werden traditionell von seltenen Tieren gewonnene Stoffe als Aphrodisiaka verwendet. Durch die weltweite Verbreitung von Sildenafil ist die Jagd auf bedrohte Tierarten zum Zweck der Potenzmittel-Gewinnung mittlerweile zurückgegangen.[12]
Kostenübernahme durch Krankenversicherung, Beihilfe und Sozialamt bzw. Jobcenter
Die Kostenübernahme für das Medikaments war seit dessen Einführung Ende der 1990er Jahre umstritten; eine Liste der Gerichtsentscheidungen aus der Sozialgerichtsbarkeit (GKV), der Zivilgerichtsbarkeit (PKV) und der Verwaltungsgerichtsbarkeit (beamtenrechtliche Beihilferegelungen des Bundes und der jeweiligen Länder) findet sich in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 12. August 2003 (Geschäftsnummer 10 E 5407/01)[13]. Die Bewilligung ist von den jeweiligen Gerichten aller drei Gerichtsbarkeiten in der Regel bei medizinischer Indikation für berechtigt gehalten worden.
Seit dem 1. Januar 2004 schließt der durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) in § 34 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB V die Arzneimittel aus, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Dazu zählen u. a. Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion oder der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dienen, wie Viagra. Auf die Ursache der Störung kommt es nach dem Gesetzestext nicht an. Eine Ausnahmeregelung sehen weder Gesetz noch die Arzneimittel-Richtlinien (Anlage 8) vor.
Auch nach der Rechtsänderung und der Einbeziehung der Hilfeempfänger nach dem SGB II und SGB XII in die gesetzliche Krankenversicherung und die dadurch begründete Zuständigkeit der Sozialgerichte änderte sich die Rechtsprechung nicht.
Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)
Die Kosten für die Behandlung der Pulmoarteriellen Hypertonie mit Revatio werden von den gesetzlichen Krankenkassen getragen.
Private Krankenversicherung (PKV)
Das vielfach von Versicherungen vorgebrachte Argument, Potenzprobleme bei älteren Männern seien „normale altersbedingte Fehlfunktionen“ wurde in einem Verfahren gegen eine private Krankenversicherung vor dem Landgericht Dortmund (Az: 2 S 25/04) im September 2004 zurückgewiesen. Ebenso entschied das OLG Karlsruhe – 12 U 32/03 – 3. Juli 2003; OLG München – 25 U 4628/99 – 8. August 2000 (NJW 2000, 3442)
Anders hatte noch das LG Köln (23.O.57/02) am 20. August 2003 entschieden, als es eine erektile Dysfunktion für keine Krankheit und Viagra für kein symptomatisches Medikament erklärte.
Beamtenrechtliche Beihilfe
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteilen vom 28. Mai 2008 entschieden, dass Sildenafil nicht über die nach den ab 2004 geltenden Beihilferegeln erstattungsfähig ist (Aktenzeichen 2 C 24.07[14] und 2 C 108.07[15]).
Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hatte mit Urteil vom 17. Mai 2002 (Az. 2 A 11755/01.OVG) entschieden, dass Sildenafil ein Arzneimittel ist, dessen Kosten nicht grundsätzlich von der Beihilfegewährung ausgeschlossen werden dürfen, eine entsprechende medizinische Indikation (hier: erektile Dysfunktion nach Prostatakrebsoperation) vorausgesetzt. Auf ähnlicher Linie lag ein Urteil des Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 2. September 2005 (26 K 371/05), das Tadalafil als ein über die Beihilfe erstattungsfähiges Medikament behandelt.
Die Rechtsprechung ist vielfach kritisiert worden.[16]
Kostenübernahme durch das frühere Bundessozialhilfegesetz (BSHG)
Mit Urteil vom 12. August 2003 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (Geschäftsnummer 10 E 5407/01) entschieden, dass Kranken Krankenhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (§ 37 BSHG) zu gewähren ist, wenn sie sich selbst nicht helfen können. Die Sozialhilfe-Behörde durfe die Leistung eines Arzneimittels als Krankenhilfe nicht mit dem Verweis auf die Arzneimittelrichtlinien der gesetzlichen Krankenversicherung ablehnen, wonach unterschiedslos jegliche Behandlung einer [erektilen Dysfunktion] mit Arzneimitteln verweigert wird. Die Richtlinien seien nicht einschlägig, wenn es um die Behandlung einer Krankheit gehe. Deshalb hätten "Kassenpatienten" wie Sozialhilfeempfänger bei einer Krankheit Anspruch auf Behandlung mit Viagra.[17]
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 11. Oktober 2004 (Geschäftsnummer: 10 UE 2731/03) entschieden, dass der durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) ab dem 1. Januar 2004 in § 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V eingeführte Ausschluss von Medikamenten zur Behandlung der erektilen Dysfunktion von der Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ist wegen der gleichzeitig eingeführten strengen Akzessorietät auch im Rahmen der Krankenhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz zu beachten sei. Nach dieser Neufassung komme jedenfalls ab dem 1. Januar 2004 ein Anspruch eines Hilfeempfängers auf Übernahme der Kosten für das Medikament Viagra im Rahmen der genannten Hilfeart nicht mehr in Betracht.[18]
Mit Beschluss vom 1. September 2005 hat das Hessisches Landessozialgericht (Geschäftsnummer L 8 KR 80/05 ER) entschieden, dass das Medikament „Caverject" (oder auch „Viagra") als Leistung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr vorgesehen sei, denn durch Artikel 1 Nr. 22 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) seien mit Wirkung vom 1. Januar 2004 sämtliche Arzneimittel, die der Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.[19]
Handelspräparate
- Erektile Dysfunktion: Viagra (EU, CH), Kamagra, Silagra (Indien), Vigoran (Ägypten)
- Pulmonale Hypertonie: Revatio (EU, CH)
Weblinks
- Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Sildenafil-Präparate
- Umfangreiche Informationen zu Sildenafil (englisch)
- Animation zum Wirkmechanismus von Viagra
Literatur
- U. Gresser, C. H. Gleiter: Erectile Dysfunction: Comparison Of Efficacy And Side Effects Of The PDE-5 Inhibitors Sildenafil, Vardenafil And Taladafil. Review Of The Literature (PDF). Eur. J. Med. Res. (2002) 7: 435-446.
- Shinlapawittayatorn, K. et al. (2005): Effect of sildenafil citrate on the cardiovascular system. In: Braz. J. Med. Biol. Res. Bd. 38, S. 1303–1311. PMID 16138212
- Gunter Schmidt (im Gespräch mit M. Goetsch): Im Glanz der Potenz. Über eine kleine Pille, die Furore macht: "Viagra". In: DS, 22. Mai 1998.
- I. Wibbeke: Wenn Sex zum Terror wird. Kriminologie-Professor Egg warnt vor neuen Nebenwirkungen von Viagra. In: Kölner Express, Mai 1998.
- A. Schwabe: Potent? In: Stuttgarter Nachrichten, 18. Mai 1998.
- S. Dübber: Die spinnen, die Kerle! In: Berliner Kurier, 25. Mai 1998.
- Herbert Riehl-Heyse: Sancta Viagra. In: SZ, 25. Mai 1998.
- Benjamin von Stuckrad-Barre: Anschwellender Würstchengesang. In: taz, 29. Mai 1998.
- Volkmar Sigusch: Das simple Prinzip von Ursache und Wirkung funktioniert nicht. Interview über den durch Viagra ausgelösten Potenzrausch der Männer. In: FR, 13. Juni 1998.
Einzelnachweise
- ↑ The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, S. 1466, ISBN 978-0-911910-00-1.
- ↑ Thieme Chemistry (Hrsg.): RÖMPP Online - Version 3.5. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2009.
- ↑ Diese Substanz wurde in Bezug auf ihre Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
- ↑ J. P. Richalet, P. Gratadour, P. Robach et al.: Sildenafil inhibits altitude-induced hypoxemia and pulmonary hypertension. In: Am. J. Respir. Crit. Care Med.. 171, Nr. 3, Februar 2005, S. 275–81. doi:10.1164/rccm.200406-804OC. PMID 15516532.
- ↑ H. Baquero et al. (2006): Oral sildenafil in infants with persistent pulmonary hypertension of the newborn: a pilot randomized blinded study. In: Pediatrics. Bd. 117, S. 1077–1083. PMID 16585301 doi:10.1542/peds.2005-0523
- ↑ Quelle: Fachinformation Sildenafil
- ↑ Sigrid Averesch (27. September 2007): Auch Viagra wird gern gefälscht. berlinonline.de. Abgerufen am 14. Februar 2011.
- ↑ Eins aus 260 Trillionen. ORF vom 9. November 2012, abgerufen am 9. November 2012.
- ↑ Ratiopharm plant "Billig-Viagra"
- ↑ C. Baumgärtel: Sildenafil – Ein Wirkstoff mit Geschichte, S. 27, Christoph Baumgärtel. 28. Februar 2011, abgerufen am 1. Juli 2011 (PDF).
- ↑ Kurt Langbein, Hans-Peter Martin und Hans Weiss: Bittere Pillen, 77. erg. u. korr. Ausg., S. 35f.
- ↑ Hamburger Abendblatt, 19. November 2002
- ↑ Volltext bei http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/1u96/page/bslaredaprod.psml?doc.id=MWRE011140300%3Ajuris-r03&showdoccase=1&doc.hl=1&documentnumber=10&numberofresults=11¤tNavigationPosition=1&doc.part=K¶mfromHL=true#focuspoint, dort die Randnummern 19, 20 und 21, Abruf am 5. August 2012
- ↑ Volltext bei http://www.bundesverwaltungsgericht.de/enid/49a0509c9b2155e4f3aa833f242bb101,d64275655f76696577092d0964657461696c093a09636f6e5f6964092d093130363537093a095f7472636964092d093133333431/Entscheidungen/Entscheidung_8n.html, Abruf am 5. August 2012
- ↑ Volltext bei http://www.bundesverwaltungsgericht.de/enid/49a0509c9b2155e4f3aa833f242bb101,df4ad3655f76696577092d0964657461696c093a09636f6e5f6964092d093130373335093a095f7472636964092d093133333431/Entscheidungen/Entscheidung_8n.html, Abruf am 5. August 2012
- ↑ Michal Deja: Beihilfezahlung für Viagra - Sexleben von Beamten kein Fall staatlicher Fürsorge, LTO - Legal Tribune online vom 1. Februar 2011, Volltext bei http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/beihilfezahlung-fuer-viagra-sexleben-von-beamten-kein-fall-staatlicher-fuersorge/
- ↑ Volltext bei http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/1u96/page/bslaredaprod.psml?doc.id=MWRE011140300%3Ajuris-r03&showdoccase=1&doc.hl=1&documentnumber=10&numberofresults=11¤tNavigationPosition=1&doc.part=K¶mfromHL=true#focuspoint, Abruf am 5. August 2012; zu den Hintergründen des Falles s. Albrecht Brühl: Florida-Rolf, Viagra-Kalle und Yacht-Hans, info-also, Volltext bei http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2004/Florida-Rolf_Viagra-Kalle_Yacht-Hans.html
- ↑ Volltext bei http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/1tyu/page/bslaredaprod.psml?doc.id=MWRE117680400%3Ajuris-r02&showdoccase=1&doc.hl=1&documentnumber=7&numberofresults=11¤tNavigationPosition=1&doc.part=K¶mfromHL=true#focuspoint, Abruf am 5. August 2012
- ↑ Volltext bei http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/1tyn/page/bslaredaprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=6&numberofresults=11&fromdoctodoc=yes&doc.id=KSRE101000218%3Ajuris-r00&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint, Abruf am 5. August 2012
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