Partialwelle

Partialwelle

Partialwellen, ein Begriff der Quantenmechanik, sind stationäre Lösungen eines Streuproblems, welche gleichzeitig Eigenfunktionen des Drehimpulses sind. Sinnvoll ist die Partialwellenzerlegung vor allem bei Wechselwirkungen mit kurzer Reichweite, wie z. B. der starken Wechselwirkung. Aufgrund der kurzen Reichweite tragen für niedrige Energien nur geringe Drehimpulse zur Streuung bei, und es ist daher sinnvoll, nach Drehimpulsen zu entwickeln.

Anschauliche Erklärung im Teilchenbild

Wird ein bewegtes Teilchen im Feld eines Streuzentrums – z. B. eines Atomkerns – aus seiner Bahn abgelenkt, entspricht diese Bewegung einem Drehimpuls. Der Drehimpuls kann nur diskrete, durch eine Quantenzahl l beschriebene Werte annehmen; im Einzelfall hängt er bei gegebener Geschwindigkeit des Teilchens vom Stoßparameter ab. Die Beiträge der Einzelprozesse mit l = 1, 2, ... heißen im Wellenbild Partialwellen. Die beteiligten Partialwellen wirken sich jeweils charakteristisch z. B. auf die Verteilung der insgesamt gestreuten Teilchen auf die Streurichtungen, die Winkelverteilung, aus. Die Kennbuchstaben für die Werte von l werden ebenso wie beim gebundenen Elektron im Atom auch hier benutzt, man spricht also von der s-Welle, p-Welle, d-Welle usw.

Herleitung

Ziel ist es, eine Lösung der Schrödingergleichung für ein sphärisch-symmetrisches Potential ($ V({\vec {r}})=V(r) $) wie z. B. das Coulombpotential zu finden.

Die Wellenfunktion $ \psi _{\vec {k}}({\vec {r}}) $ wird für asymptotische Abstände r $ \rightarrow \infty $ als Überlagerung einer einlaufenden ebenen Welle und einer durch die Streuamplitude $ f(\theta ,\phi ) $modifizierten Kugelwelle angesetzt:

$ \psi _{\vec {k}}({\vec {r}})\xrightarrow {r\rightarrow \infty } [e^{i{\vec {k}}{\vec {r}}}+f(\theta ,\phi ){\frac {e^{ikr}}{r}}] $

Aufgrund der Kugelsymmetrie ist in diesem Fall die Streuamplitude $ f(\theta ,\phi )=f(\theta ) $ vom Winkel $ \phi $ unabhängig.

Die Lösungswellenfunktion des Streuproblems ergibt sich nach einigen Umformungen für asymptotische Distanzen zu:

$ \psi _{\vec {k}}({\vec {r}})=\sum _{l=0}^{\infty }i^{l}(2l+1)R_{lk}(r)P_{l}(\cos \theta ) $

$ P_{l}(\cos \theta ) $ sind dabei die Legendre-Polynome. $ R_{lk} $ ist die Lösung der radialen Schrödingergleichung, welche aus einer Linearkombination der sphärischen Bessel-Funktionen $ j_{l}(\rho ) $ und der von-Neumann-Funktion $ n_{l}(\rho ) $ besteht:

$ R_{lk}{\stackrel {\mathrm {r\rightarrow \infty } }{=}}A_{l}j_{l}(kr)+B_{l}n_{l}(kr) $

Im nächsten Schritt wird die Streuphase $ \delta _{l} $ folgendermaßen definiert:

$ A_{l}=a_{l}\cos \delta _{l} $
$ B_{l}=-a_{l}\sin \delta _{l} $

Durch Einsetzen der sphärischen Bessel- und von-Neumann-Funktionen und Vergleich mit dem Ansatz für die Wellenfunktion für asymptotische Distanzen kommt man nach einigen Umformungen auf den folgenden Zusammenhang zwischen Streuamplitude $ f(\theta ) $ und der Streuphase $ f(\delta _{l}) $:

$ f(\theta )=\sum _{l=0}^{\infty }(2l+1)f_{l}(\delta _{l})P_{l}(\cos \theta ) $

wobei

$ f_{l}(\delta _{l})={\frac {1}{k}}e^{i\delta _{l}}\sin \delta _{l} $

den Beitrag der l-ten Partialwelle darstellt.

Bedeutung von Streuphase und Streulänge

Die Phase der auslaufenden Kugelwelle wird also durch das Potential V(r) verschoben. Beschrieben wird diese Verschiebung durch den Term $ e^{i\delta _{l}} $. Die gestreute Welle unterscheidet sich von der ungestörten Welle des freien Teilchens bei elastischer Streuung nur durch einen Phasenfaktor. Man kann sowohl den differentiellen Streuquerschnitt

$ {\frac {d\sigma }{d\Omega }}=|f(\theta )|^{2} $,

als auch den totalen Streuquerschnitt

$ \sigma _{total}=\int _{4\pi }{\frac {d\sigma }{d\Omega }} $

über die Streuwellenamplituden ausdrücken.

Der totale Wirkungsquerschnitt ergibt sich nach Auswertung des Integrals zu:

$ \sigma _{total}={\frac {4\pi }{k^{2}}}\sum _{l=0}^{\infty }(2l+1)\sin ^{2}\delta _{l} $

Eine weitere wichtige Größe für die Analyse von Streuproblemen, die sich aus der Streuamplitude ableiten lässt, ist die Streulänge. Die Streulänge a steht in Beziehung zu jenem totalen Querschnitt, der sich ergibt, wenn die Energie des gestreuten Teilchens gegen 0 geht:

$ \lim _{k\to 0}\sigma =4\pi a^{2} $

Die Streulänge entspricht also einer effektiven Querschnittsfläche, welche sowohl die Stärke als auch die Art eines Potentials anzeigt. Mit obiger Definition für den totalen Streuquerschnitt wird die Streulänge für s-Wellen (l=0) zu:

$ a=\pm \lim _{k\to 0}{\frac {\sin \delta _{0}}{k}} $

Literatur

  • Cohen-Tannoudji: Quantum Mechanics - Vol 2, Wiley-Interscience, 2006.

Weblinks