Formfaktor (Physik)

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In der Kern- und Teilchenphysik ist der Formfaktor ein Faktor im Wirkungsquerschnitt bei elastischen Stößen. Er ist die Fourier-Transformierte der elektrischen Ladungsverteilung des Targetteilchens (z. B. Atomkern) und hängt vom Impuls ab, der während der Streuung übertragen wird. Der Formfaktor gibt also an, wie die Streuung vom Impulsübertrag abhängt. Durch Messung des Formfaktors bei unterschiedlichen Impulsüberträgen lassen sich folglich Rückschlüsse auf die Ladungsverteilung des Targets ziehen.

Bei inelastischen Stößen treten an der Stelle des Formfaktors die Strukturfunktionen auf.

Formfaktor bei der Rutherford-Streuung

Die Rutherfordsche Streuformel, die nur für die Streuung eines Teilchens an einer Punktladung (Coulombpotential) gilt, lässt sich für ausgedehnte Ladungsverteilungen erweitern. Der differentielle Wirkungsquerschnitt sieht dann wie folgt aus

$ \left({\frac {\mathrm {d} \sigma }{\mathrm {d} \Omega }}\right)_{\theta }=\left({\frac {\mathrm {d} \sigma }{\mathrm {d} \Omega }}\right)_{\textrm {Coul}}\cdot |F({\vec {q}})|^{2} $,

wobei $ F $ der Formfaktor der Ladungsverteilung ist. Zur Berechnung des Formfaktors wird anhand einer statischen Ladungsdichte

$ \rho ({\vec {x}})=Zef({\vec {x}}) $

die Ladungsverteilungsfunktion $ f $ definiert, wobei $ Z $ die Kernladungszahl bzw. eine ganze Zahl und $ e $ die Elementarladung ist. Die Ladungsverteilungsfunktion muss der Normierungsbedingung

$ \int f({\vec {x}})\,\mathrm {d} ^{3}x=1 $

genügen. In der Bornschen Näherung (d. h., das Potential der Wechselwirkung ist so schwach, dass Anfangs- und Endzustand näherungsweise als ebene Wellen behandelt werden können) ergibt sich der Formfaktor dann als Fourier-Transformierte der auf die Gesamtladung normierten Ladungsfunktion $ f({\vec {x}}) $ gemäß

$ F({\vec {q}})=\int f({\vec {x}})e^{i{\vec {q}}\cdot {\vec {x}}/\hbar }\,\mathrm {d} ^{3}x $

Er hängt vom Impulsübertrag des einfallenden Teilchens

$ {\vec {q}}={\vec {p}}-{\vec {p}}\,{}^{\prime } $

ab und enthält alle Informationen über die räumliche Verteilung der Ladung im Streuzentrum. So kann man die Messung des Wirkungsquerschnittes bestimmter Streuprozesse in Abhängigkeit vom Impulsübertrag nutzen, um durch anschließenden Vergleich mit theoretischen Modellen Aussagen über die Form des Streupotentials zu machen.

Experimentelle Bestimmung

Zur experimentellen Bestimmung der elektrischen und magnetischen Formfaktoren $ G_{E} $ und $ G_{M} $ benutzt man die Rosenbluth-Formel für den differentiellen Wirkungsquerschnitt

$ {\frac {\mathrm {d} \sigma }{\mathrm {d} \Omega }}=\left({\frac {\mathrm {d} \sigma }{\mathrm {d} \Omega }}\right)_{\textrm {Mott}}\left[{\frac {G_{E}^{2}(Q^{2})+\tau \,G_{M}^{2}(Q^{2})}{1+\tau }}+2\tau \,G_{M}^{2}(Q^{2})\,\tan ^{2}(\theta /2)\right] $

dabei sind:

  • $ \left(\mathrm {d} \sigma /\mathrm {d} \Omega \right)_{\textrm {Mott}} $ der Mott-Wirkungsquerschnitt
  • $ \theta $ der Streuwinkel
  • $ Q^{2}=-q^{2} $ das negative Quadrat des übertragenen Viererimpulses
  • $ \tau =Q^{2}/4M^{2}c^{2} $ die Wahrscheinlichkeit für einen Spinflip bei der Streuung.

Hat man den Wirkungsquerschnitt bei festem $ Q^{2} $ für mehrere Streuwinkel gemessen, so macht man einen sogenannten Rosenbluth-Plot, bei dem man $ \tan ^{2}(\theta /2) $ auf der x-Achse und $ (d\sigma /d\Omega ):\left(\mathrm {d} \sigma /\mathrm {d} \Omega \right)_{\textrm {Mott}} $ auf der y-Achse aufträgt. Die Rosenbluth-Formel ist dann von der linearen Form

$ y(x)=A+B\cdot x $

wobei man dann aus dem Achsenabschnitt A und der Steigung B die elektrischen und magnetischen Formfaktoren berechnen kann.

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