Strukturfunktion

Strukturfunktion

In der Kern- und Teilchenphysik treten die Strukturfunktionen in inelastischen Streuprozessen an Kernen und Nukleonen (Proton und Neutron) auf. Sie geben an, wie stark die Streuung in Abhängigkeit von der dabei zwischen den Streupartnern übertragenen Energie und dem Impuls ist. Durch ihre Messung lassen sich Rückschlüsse auf die innere Struktur der Stoßpartner ziehen, insbesondere auf die Impulsverteilungen der in den Nukleonen enthaltenen Quarks. Bei elastischen Streuprozessen sind die elektrischen und magnetischen Formfaktoren die Analoga der Strukturfunktionen.

Mithilfe der Strukturfunktionen bei der tief-inelastischen Elektron-Nukleon-Streuung wurde das Partonmodell entwickelt und überprüft, d.h. das Modell für zusammengesetzte Protonen und Neutronen aus Quarks. Außerdem lassen sich der Spin und die elektrische Ladung der Quarks mittels der Strukturfunktionen experimentell bestimmen.

Experimentelle Bestimmung

Analog zur Rosenbluth-Formel für elastische Streuprozesse gilt für den doppelt differentiellen Wirkungsquerschnitt

Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): \frac{d^2\sigma}{d\Omega\,dE^\prime} = \left(\frac{d\sigma}{d\Omega}\right)_{\mathrm{Mott}} \left[ W_2(Q^2,\nu)+2W_1(Q^2,\nu)\,\tan^2(\theta/2) \right] \;\textrm{,}

dabei sind

Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): \left(d\sigma/d\Omega\right)_{\mathrm{Mott}} der Mott-Wirkungsquerschnitt,
Q2 der übertragene Viererimpuls,
Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): \nu = E-E^\prime die übertragene Energie (im Laborsystem),
θ der Streuwinkel,
Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): W_1, W_2 die Strukturfunktionen.

Misst man nun den Wirkungsquerschnitt bei festen Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): Q^2 und ν für verschiedene Streuwinkel und trägt in Analogie zum Rosenbluth-Plot tan2(θ/2) auf der x-Achse und Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): (d^2\sigma/d\Omega\,dE^\prime):\left(d\sigma/d\Omega\right)_{\mathrm{Mott}} auf der y-Achse auf, so nimmt der doppelt differentielle Wirkungsquerschnitt die einfache lineare Form

y(x)=W2+2W1x

an, wobei W2 der Achsenabschnitt und 2W1 die Steigung sind. Das muss man für viele Werte von Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): Q^2 und ν wiederholen um die Strukturfunktionen W1(Q2,ν) und W2(Q2,ν) zu bestimmen.

Dimensionslose Strukturfunktionen

Häufig gibt man statt W1 und Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): W_2 die dimensionslosen Strukturfunktionen

F1(x,Q2)=Mc2W1(Q2,ν)F2(x,Q2)=νW2(Q2,ν)

an, welche von der Bjorken-Skala x abhängen.

Bei der inelastischen Streuung von Neutrinos an Nukleonen tritt noch eine dritte Strukturfunktion F3νN auf, die explizit die Paritätsverletzung der Neutrinos berücksichtigt.

Strukturfunktionen und Partonmodell

Die dimensionslosen Strukturfunktionen Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): F_1 und F2 hängen von der Bjorken-Skala x ab, aber nur sehr schwach vom Viererimpulsübertrag Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): Q^2 (Skaleninvarianz). Daraus folgt, dass die Nukleonen aus kleineren punktförmigen Teilchen (Partonen) bestehen.

Bestimmung des Quark-Spins

Die dimensionslosen Strukturfunktionen erfüllen die Callan-Gross-Beziehung F2(x)=2xF1(x). Das bedeutet, dass die Partonen Teilchen mit Spin 1/2 sind.

Hätten die Partonen Spin 0, so wäre F1(x)=0, da diese Strukturfunktion dem magnetischen Formfaktor entspricht.

Bestimmung der elektrischen Ladung der Quarks

Um die drittelzahlige elektrische Ladung der Quarks zu bestimmen, vergleicht man die gemessenen Strukturfunktionen F2eN(x) aus der Elektron-Nukleon-Streuung und F2νN(x) aus der Neutrino-Nukleon-Streuung miteinander.

  • Elektron-Nukleon-Streuung: Da Elektronen nicht an der starken Wechselwirkung teilnehmen, kann die Streuung von Elektronen an Nukleonen nur an der elektrischen Ladung z der Quarks erfolgen. Die Strukturfunktion muss deshalb von z abhängen:
Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): F_2^{eN}(x) = x\cdot\sum_f z_f^2 \left(q_f(x)+\bar q_f(x)\right)

Die Summe läuft über alle relevanten Quarktypen, also u-, d- und s-Quarks. Alle anderen Quarktypen sind zu schwer um beizutragen. Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): z_f gibt die elektrische Ladung des jeweiligen Quarktyps in Einheiten der Elementarladung an. qf(x) und q¯f(x) bezeichnen die Impulsverteilungen der Quarks und Antiquarks.

  • Neutrino-Nukleon-Streuung: Da Neutrinos weder an der starken Wechselwirkung, noch an der elektromagnetischen Kraft teilnehmen, geht die elektrische Ladung der Quarks an dieser Stelle nicht in die Strukturfunktion ein:
F2νN(x)=xf(qf(x)+q¯f(x))

Durch Vergleich der Messergebnisse dieser beiden Strukturfunktionen lässt sich die Quarkladung bestimmen. Sie stimmt mit den vorhergesagten drittelzahligen Werten überein.