Melatonin

Melatonin

Strukturformel
Struktur von Melatonin
Allgemeines
Name Melatonin
Andere Namen

N-[2-(5-Methoxyindol-3-yl) ethyl]acetamid

Summenformel C13H16N2O2
CAS-Nummer 73-31-4
PubChem 896
ATC-Code

N05CH01

DrugBank APRD00742
Kurzbeschreibung

beigefarbener Feststoff[1]

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Hormon

Wirkmechanismus

Ersatz des auf natürlichem Wege zu wenig produzierten Hormons

Verschreibungspflichtig: Ja
Eigenschaften
Molare Masse 232,28 g·mol−1
Schmelzpunkt

117 °C[2]

Löslichkeit

unlöslich in Wasser, löslich in Methanol[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
Piktogramm unbekannt

H- und P-Sätze H: ?
EUH: ?
P: ?
LD50

1250 mg·kg−1 (Maus, peroral)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
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Melatonin ist ein Hormon, das von den Pinealozyten in der Zirbeldrüse (Epiphyse) – einem Teil des Zwischenhirns – aus Serotonin produziert wird und den Tag-Nacht-Rhythmus des menschlichen Körpers steuert.

Physiologie

Allgemeines

Melatonin ist ein Metabolit des Tryptophanstoffwechsels. Seine Bildung wird im Gehirn (genauer in der Epiphyse, also der Zirbeldrüse) durch Licht gehemmt. Bei Dunkelheit wird diese Hemmung aufgehoben, die Produktion steigt an und mit ihr auch die Sekretion des Melatonins. Andere Produktionsorte im Körper sind der Darm und die Netzhaut des Auges. Die Melatoninkonzentrationen steigen im Laufe der Nacht um den Faktor drei (bei älteren Menschen) bis zwölf (bei jungen Menschen) an, das Maximum wird gegen drei Uhr morgens erreicht – mit einer jahreszeitlich wechselnden Rhythmik. Die Sekretion wird durch Tageslicht gebremst. Die Bedeutung des Melatonins bei Jet-Lag und Schichtarbeit ist allgemein anerkannt, eine Anwendung von Melatonin ist in diesem Zusammenhang umstritten. Durch Koordinierung der circadian-rhythmischen Vorgänge im Körper entfaltet es seine Wirkung als Zeitgeber. Die Melatonin-induzierte Tiefschlafphase stimuliert die Ausschüttung des Wachstumshormons Somatropin. Entsprechende chronische Störungen führen zur vorzeitigen Somatopause. Weitere wichtige Melatonineffekte liegen in seiner Wirkung als Antioxidans, die jedoch nicht therapeutisch genutzt werden kann. Wichtig ist auch die antigonadotrope Wirkung (Verkleinerung der Geschlechtsdrüsen) sowie das Herunterregeln vieler biologischer und oxidativer Prozesse, darauf ist insbesondere bei der Einnahme von Melatonin zu achten. Besonders eine Verringerung (aber auch eine Erhöhung) des Melatoninspiegels im Blut bewirkt Schlafstörungen oder Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus.[3]

Biosynthese

Die Biosynthese erfolgt aus Serotonin, das aus der Aminosäure Tryptophan erhalten wird, in zwei Schritten: zunächst wird Serotonin mit Acetyl-Coenzym A N-acetyliert, als Katalysator wirkt das Enzym Serotonin-N-Acetyltransferase (AANAT). Dann wird das Produkt N-Acetylserotonin mit S-Adenosylmethionin mittels der Acetylserotonin-O-Methyltransferase methyliert. Der erste Schritt ist geschwindigkeitsbestimmend, und die Aktivität seines Enzyms wird indirekt vom Tageslicht reguliert.

Abbau

90 % des Melatonins werden nach der Leberpassage durch Biotransformation mittels Cytochrom P450-Monooxygenasen zu 6-OH-Melatonin metabolisiert und in Form von sulfatierten (60–70 %) oder glucuronidierten (20–30 %) Derivaten über den Urin ausgeschieden.

Winterdepressionen

Im Winter, wenn das Tageslicht nur wenige Stunden vorhält, bleibt der Melatoninspiegel auch tagsüber erhöht. Als Folge davon können Müdigkeit, Schlafstörungen und Winterdepressionen auftreten. Als Gegenmaßnahme wird empfohlen, die kurze Phase von Tageslicht für Spaziergänge zu nutzen. Alternativ kommt auch eine Lichttherapie in Frage.

Schlafprobleme und Gedächtnis

Ein zu niedriger Melatoninspiegel kann mit Schlafstörungen einhergehen. Mit zunehmendem Alter produziert der Körper weniger Melatonin, die durchschnittliche Schlafdauer nimmt ab und Schlafprobleme treten gehäuft auf. Auch bei Schichtarbeit und bei Fernreisen (Jetlag) kann der Melatoninhaushalt durch die Zeitumstellung gestört werden.

Erholsamer Schlaf ist wichtig für ein funktionierendes Gedächtnis. Einer der Gründe dafür könnte der Einfluss von Melatonin auf den Hippocampus sein. Diese Region im Gehirn ist wichtig für das Lernen und Erinnern. Durch die Wirkung von Melatonin ist die neurophysiologische Grundlage von Lernen und Gedächtnis, die synaptische Plastizität, einem deutlichen Tag-Nacht-Rhythmus unterworfen.

Präparate

USA und Kanada

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Melatonin-Präparate sind in Kanada und den USA frei verkäuflich als Nahrungsergänzungsmittel. 1995 wurde in Kalifornien mehr Geld für Melatonin-Präparate ausgegeben als für Aspirin. In den USA werden unterschiedliche Heilwirkungen beworben:

  • Prophylaxe der Migräne;
  • Anregung des Haarwuchses.
  • Abfangen freier Radikale und als Folge der nachgewiesenen antioxidativen Fähigkeiten[4]:
  • eine Verlangsamung des Alterns
  • Bekämpfen oder Vorbeugen von Krebs;
  • Vermeidung von Arteriosklerose, Schlaganfällen, Herzinfarkten;

Auch in Kanada sind Melatonin-Präparate als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich.

Länder der Europäischen Union

Seit 2007 ist Melatonin durch die Europäische Kommission in der EU als Arzneimittel (Circadin) zur kurzfristigen Behandlung der primären Insomnie (schlechte Schlafqualität) bei Patienten ab 55 Jahren zugelassen. Circadin enthält zwei Milligramm Melatonin in retardierter Form. Die empfohlene Dosierung beträgt zwei Milligramm ein bis zwei Stunden vor dem Zubettgehen und nach der letzten Mahlzeit und soll über drei Wochen aufrechterhalten werden. In Deutschland ist Melatonin in der Verwendung als Arzneistoff gemäß der Arzneimittelverschreibungsverordnung ein verschreibungspflichtiger Stoff, melatoninhaltige Arzneimittel sind unabhängig von der Dosis verschreibungspflichtig.[5] Eine Vermarktung als Nahrungsergänzungsmittel ist nicht erlaubt.

Für die Verwendung in diätetischen Lebensmitteln ist Melatonin gemäß dem Eintrag in die von der Europäischen Kommission erarbeiteten Gemeinschaftsliste nach Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (Health Claims) mit den gesundheitsbezogenen Angaben „Melatonin trägt zur Linderung des subjektiven Jetlag-Gefühls bei.“ und „Melatonin trägt dazu bei, die Einschlafzeit zu verkürzen.“ statthaft. Die zulässige Einzeldosis sowie der Wortlaut für die Anwenderinformation sind ebenfalls vorgegeben.[6] Vorangegangen waren entsprechende wissenschaftliche Bewertungen durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die in den Jahren 2010 und 2011 veröffentlicht wurden.[7][8] Die Aufnahme in die Gemeinschaftsliste erlaubt bestimmte gesundheitsbezogene Angaben für Melatonin, ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer Zulassung von melatoninhaltigen Lebensmitteln. Die sogenannten „Health Claims“ sind ausschließlich für Lebensmittel und nicht für Arzneimittel vorgesehen. Solche Lebensmittel sind als „ergänzende bilanzierte Diäten“ in einigen Ländern der Europäischen Union (z. B. Österreich) inzwischen mit bis zu 5 mg Melatonin pro Kapsel von verschiedenen Herstellern erhältlich.

In Deutschland wurden beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) 2010 melatoninhaltige Erzeugnisse als „ergänzende bilanzierte Diäten“ angezeigt. Ergänzende bilanzierte Diäten gehören zu den diätetischen Lebensmitteln. Bei dem Anzeigeverfahren beim BVL handelt es sich nicht um eine Zulassung melatoninhaltiger Erzeugnisse als diätetische Lebensmittel. Die Anzeigen leitet das Bundesamt an die Behördliche Lebensmittelüberwachung der Bundesländer weiter. Diese ist dafür zuständig, nicht verkehrsfähige Erzeugnisse zu beanstanden und vom Markt zu nehmen. Auf dem Markt gibt es bereits zugelassene Arzneimittel ab einer Konzentration von zwei Milligramm Melatonin pro Tagesdosis. Ob Produkte ab einer Melatoninkonzentration von zwei Milligramm pro Tagesdosis deshalb auch als (z.B. diätetische) Lebensmittel in Verkehr gebracht werden können ist im Einzelfall zu prüfen und obliegt den zuständigen Behörden. Es gibt zahlreiche Substanzen, die sowohl in Arzneimitteln als auch in Lebensmitteln verwendet werden. Jedes Erzeugnis ist für sich zu prüfen und ist über die Einstufung zu entscheiden.[9]

Verwandte Substanzen

Eine dem Melatonin ähnliche chemische Struktur besitzt die Substanz Agomelatin. Im Unterschied zu Melatonin weist Agomelatin neben einer Affinität zu den Melatonin-Rezeptoren vom Typ MT1 und MT2 auch antagonistische Eigenschaften am Serotonin-Rezeptor 5-HT2c auf. Agomelatin wird als Arzneistoff in der Behandlung von Depressionen verwendet.

Nativer Inhaltsstoff in Lebensmitteln

Melatonin wird nicht nur vom Menschen, sondern von allen Säugetieren bei Dunkelheit in der Nacht produziert, dementsprechend auch von Kühen nach oben geschildertem Mechanismus. Bei der Milchbildung gelangt Melatonin vom Blut in die Milch. Je nach Tages- oder Nachtzeit und Futtergrundlage der Kühe enthält die Milch unterschiedlich viel Melatonin. Insbesondere die Zurückführung der Milchviehhaltung unter ein spezielles Lichtregime, das den natürlichen Lichtverhältnissen im Tag/Nachtverlauf entspricht, sowie eine gras- und kräuterbasierte Fütterung führen zu einem hohen nächtlichen Melatoninspiegel der Kuh. Wird diese Milch separat erfasst, enthält sie bis zu 0,04 Mikrogramm Melatonin pro Liter.[10] Der schlaffördernde Nutzen von aus solcher Milch gewonnener sogenannter „Nachtmilchkristalle“ ist wissenschaftlich nicht erwiesen.[11][12]

Wissenschaftliche Bewertung

Es gibt verschiedene Studien, die die Wirksamkeit von Melatonin bei Jetlag-Symptomatik untersucht haben. Die Daten sind recht unterschiedlich. Eine große Metaanalyse, publiziert in einem Cochrane Review[13], deutet auf eine signifikante Wirksamkeit von Melatonin in einer Dosierung von 0,5 bis 5 mg bei Jetlag-Symptomen hin. In all diesen Dosierungen hat Melatonin eine ähnliche Wirksamkeit. Allerdings ist die Zeit bis zum Einschlafen unter 5 mg am kürzesten. Die Wirkung ist umso größer, je mehr Zeitzonen überquert werden und bei ostwärts gerichteten Flügen ausgeprägter als bei westwärts gerichteten. In diesen Studien wurden subjektive Parameter des Schlafes untersucht, aber auch andere Symptome wie Tagesmüdigkeit und Wohlbefinden. Eine andere Metaanalyse[14] konnte keinen signifikanten Vorteil von Melatonin bei Jetlag-Symptomatik feststellen. Hier zeigte sich keine signifikante Verkürzung der Einschlafzeit bei Schlafstörungen infolge Schichtarbeit. Auch die Gesamtschlafdauer konnte nicht deutlich verlängert werden. Allen Studien fehlt eine altersbezogene Fragestellung /Auswertung. Möglicherweise könnte die Wirksamkeit wie beim Schlafen beim Alter ab 55 Jahren besser ausfallen. Ferner zeigte die Untersuchung, dass Wechselwirkungen mit Antithrombosemitteln und Antiepileptika möglich sind. Eine kurzzeitige Melatonineinnahme (< 3 Monate) hat keine schädlichen Folgen. Kritisiert an dieser Metaanalyse wurde die Auswahl der Studien (nur Kurzzeitanwendung, Dosierung, gewählte Endpunkte).

Geschichte

Franz Waldhauser entdeckte 1990, dass die Gabe von Melatonin die frühen Schlafphasen verkürzt und den REM-Schlaf verlängert.

Analytik

Der Nachweis von Melatonin erfolgt im Serum oder Speichel mittels RIA oder ELISA. Alternativ kann auch das Melatoninabbauprodukt 6-Hydroxy-Melatoninsulfat (6-OHMS) im Urin untersucht werden, um auf die nächtliche Melatoninsekretion zu schließen.[15][16][17][18]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Datenblatt Melatonin bei Merck, abgerufen am 19. Januar 2011.
  2. 2,0 2,1 Melatonin bei ChemIDplus
  3. Konturek SJ, Konturek PC, Brzozowski T, Bubenik GA: Role of melatonin in upper gastrointestinal tract. In: J. Physiol. Pharmacol.. 58 Suppl 6, Dezember 2007, S. 23–52. PMID 18212399.
  4. "Melatonin as an antioxidant: biochemical mechanisms and pathophysiological implications in humans", Reiter R.J., Tan D. et al. in: Acta Biochemica Polonica Nr. 50, 4/2003 - http://www.actabp.pl/pdf/4_2003/1129s.pdf
  5. AMVV § 1, Nr. 1
  6. EU Register on nutrition and health claims
  7. Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to melatonin and alleviation of subjective feelings of jet lag (ID 1953), and reduction of sleep onset latency, and improvement of sleep quality (ID 1953) pursuant to Article 13(1) of Regulation (EC) No 1924/20061. EFSA Journal 2010; 8(2):1467.
  8. Scientific Opinion on the substantiation of a health claim related to melatonin and reduction of sleep onset latency (ID 1698, 1780, 4080) pursuant to Article 13(1) of Regulation (EC) No 1924/2006. EFSA Journal 2011;9(6):2241.
  9. Florian Meyer: Melatonin und der Widerspruch mit der Health Claims Verordnung, Kanzlei juravendis Rechtsanwälte, 14. Februar 2012.
  10. Valtonen M., Niskanen L., Kangas A-P, Koskinen T. (2005): Effect of melatonin-rich night-time milk on sleep and activity in elderly institutionalized subjects. In: Nordic Journal of Psychiatry, 59. Jg., Heft 3, S. 217-221. PMID 16195124
  11. Nachtmilchkristalle gegen Schlaflosigkeit sind Unsinn Deutsches Ärzteblatt, 17. Juni 2010.
  12. Nachts gemolkene Milch soll den Schlaf fördern, Welt online, 17. Oktober 2010.
  13. Herxheimer A, Petrie KJ (2001): Melatonin for the prevention and treatment of jet lag. In: Cochrane Database Syst. Rev. 1: CD001520
  14. Buscemi, N.et al. (2006): Efficacy and safety of exogenous melatonin for secondary sleep disorders and sleep disorders accompanying sleep restriction: meta-analysis. In: British Medical Journal. Bd. 332, S. 385–393. PMID 16473858
  15. P. Levallois, M. Dumont u. a.: Effects of electric and magnetic fields from high-power lines on female urinary excretion of 6-sulfatoxymelatonin. In: American journal of epidemiology. Band 154, Nummer 7, Oktober 2001, S. 601–609, ISSN 0002-9262. PMID 11581093.
  16. D. H. Pfluger, C. E. Minder: Effects of exposure to 16.7 Hz magnetic fields on urinary 6-hydroxymelatonin sulfate excretion of Swiss railway workers. In: Journal of pineal research. Band 21, Nummer 2, September 1996, S. 91–100, ISSN 0742-3098. PMID 8912234.
  17. E. Gilad, N. Zisapel: High-affinity binding of melatonin to hemoglobin. In: Biochemical and molecular medicine. Band 56, Nummer 2, Dezember 1995, S. 115–120, ISSN 1077-3150. PMID 8825074.
  18. D. K. Lahiri, D. Davis u. a.: Factors that influence radioimmunoassay of human plasma melatonin: a modified column procedure to eliminate interference. In: Biochemical medicine and metabolic biology. Band 49, Nummer 1, Februar 1993, S. 36–50, ISSN 0885-4505. PMID 8439449.
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