Somatropin

Somatropin

Somatropin

Vorhandene Strukturdaten: 1a22, 1axi, 1bp3, 1hgu, 1huw, 1hwg, 1hwh, 1kf9, 3hhr
Eigenschaften des menschlichen Proteins
Masse/Länge Primärstruktur 191 Aminosäuren
Sekundär- bis Quartärstruktur 1-, 2-, 3-, 4-, oder 5-mer in homo- und heteropolymeren Kombinationen
Isoformen 4
Bezeichner
Gen-Namen GH1; GH-N, GHN, GH, hGH-N
Externe IDs OMIM: 139250 UniProt: P01241 CAS-Nummer: 12629-01-5 EINECS 235-735-8 (human) [1]
Arzneistoffangaben
ATC-Code H01AC01
DrugBank DB00052
Verschreibungspflicht Ja
Vorkommen
Homologie-Familie Somatropin
Übergeordnetes Taxon Wirbeltiere

Bändermodell des Somatropins (Vorderansicht und Draufsicht).

Somatropin ist ein Proteohormon, das als Wachstumshormon im menschlichen und tierischen Organismus vorkommt. Rekombinant hergestelltes Somatropin (rhGH) wird als Arzneistoff verwendet.

Synonyme

Es gibt eine Reihe von Synonyma und Abkürzungen für das Somatropin:

  • Somatotropes Hormon (STH)
  • Human Growth Hormone (hGH)
  • Growth Hormone (GH)
  • Wachstumshormon (WH)
  • Somatropin (INN)

Struktur

Die Primärstruktur des humanen Somatropin besteht aus 191 Aminosäuren mit einer Molekülmasse von 22.125 Da.[2] Dabei existieren artspezifische Varianten des Hormons. Die Tertiärstruktur besteht aus vier α-Helices mit zwei intramolekularen Disulfidbindungen.

Bildung und Regulation

Das Somatropin wird in den α-Zellen des Hypophysenvorderlappens gebildet. Seine Ausschüttung wird durch den Hypothalamus mit seinem Somatropin-releasing-Faktor (SRF, GHRH Growth-Hormone-Releasing-Hormon, GRF, Somatoliberin) und dem Somatostatin reguliert. Während des Schlafes wird am meisten Somatropin produziert. Die Pubertät ist das Lebensalter mit einer ausgeprägten Somatropin-Produktion.

Jeder andere energieverbrauchende Prozess (körperliche Aktivität, psychischer Stress, Hungern) stellt einen Sekretionsstimulus für die Ausschüttung von Somatropin dar. Negativ reguliert wird Somatropin durch das Somatostatin, ein Inhibiting-Hormon (Growth-Hormone-Inhibiting-Hormone, GHIH), das im Pankreas und Hypothalamus gebildet wird.

Somatropin ist das quantitativ bedeutsamste Hormon der Hypophyse. Es macht etwa zehn Gewichtsprozent der getrockneten Drüse aus.

Normalwerte

Die Angabe eines Normalwertes für das Somatropin ist schwierig, da es einen Tagesrhythmus und einen Lebensrhythmus der Sekretion gibt. Außerdem gibt es viele Faktoren, die die Sekretion akut stimulieren können. Deswegen werden meist mehrere Werte in einem Tagesprofil abgenommen.

Bei der Diagnostik der Akromegalie und des Riesenwuchses hat sich der orale Glucosetoleranztest (oGTT) bewährt. Man spricht von einer autonomen Somatropin-Sekretion, wenn der Somatropin-Spiegel während der oralen Glukosebelastung (oGTT, 100 g Glukose) nicht unter 1,0 µg/l absinkt.

Die Einzelbestimmung von Somatropin ist für die Diagnose eines Somatropin-Mangels wegen der episodischen Spontansekretion und der dadurch bedingten Phasen mit nicht nachweisbaren Hormonspiegeln ungeeignet. Die Bestimmung wird mit folgenden Stimulaionstest durchgeführt:

  • GHRH-Test
  • Arginin-Test
  • Arginin-GHRH-Test
Grenzwerte: 11,5 ng/ml für Normalgewichtige mit einem BMI ≤ 25 kg/m², 8 ng/ml für Übergewichtige mit einem BMI zwischen 25 und 30 kg/m² und 4,2 ng/ml für Adipöse mit einem BMI > 30 kg/m²[3]
  • Insulinhypoglykämie-Test (STF)
Grenzwerte: Schwerer Mangel bei < 3 ng/ml; partieller Mangel bei 3–7 ng/ml; normal bei > 16 ng/ml[4]
  • STH-Suppressionstest

Wirkung, Mangel und Überproduktion

Somatropin ist essentiell für ein normales Wachstum. Bei einer verminderten Produktion oder einem verminderten Ansprechen der Zellen auf Somatropin kommt es zu einem Minderwuchs. Bei einer Überproduktion resultiert ein Riesenwuchs oder eine Akromegalie (übermäßiges Wachstum an den noch nicht verknöcherten Zonen in den Akren wie Nase, Kinn, Finger und dem Schädelknochen sowie bei allen Weichteilen (z.B. Kardiomegalie)).

Im Erwachsenenalter führt ein Mangel an Somatropin zu vielfältigen Symptomen:[5]

  • Erhöhte Körperfettmasse (hauptsächlich Viszeralfett)
  • Reduzierte Muskelmasse
  • Reduzierte Knochenmineraldichte
  • Erhöhtes kardiovaskuläres Risikoprofil
  • Verringerte Lebensqualität
  • Vermehrte Inanspruchnahme medizinischer Leistungen

Diese Symptome gehen einher mit einer verminderten Lebenserwartung.

Somatropin wirkt indirekt, indem es an den Somatropin-Rezeptor bindet, der ein Transkriptionsfaktor ist und die Expression des Proteins Insulinähnlicher Wachstumsfaktor 1 (IGF-1) erhöht. Dieses wiederum bindet an seinen Rezeptor (IGF1R), der ebenso ein Transkriptionsfaktor ist und die Produktion einer Vielzahl von anderen Proteinen steuert. Ist der Somatropin-Rezeptor durch Mutationen verändert, sprechen die Zellen nicht oder vermindert auf Somatropin an, was als Somatropin-Resistenz oder Laron-Syndrom bezeichnet wird.[6][7]

Genauer betrachtet wirkt Somatropin vor allem an folgenden Organen:

  • Muskel, Leber (über IGF-1)
  • Knochen, Niere (über EGF)
  • Knorpel (über IbFGF)

Anabol wirkt es vor allem an Muskel, Leber, Knochen. Das heißt, es führt an diesen Organen zu einer vermehrten Aminosäureaufnahme und -verwertung. Außerdem erhöht Somatropin den Blutzuckerspiegel (durch Glykogenolyse) und wirkt auf die Fettzellen lipolytisch, das heißt fettabbauend.

Bei Wiederkäuern bewirkt Somatropin, dass die Laktation aufrechterhalten bleibt (siehe Rinder-Somatropin).

Verwendung als Arzneistoff

Somatropin wird seit 1963 zur Behandlung des Kleinwuchses eingesetzt, wenn er durch Wachstumshormonmangel verursacht ist. Es wurde aus Hypophysen von Toten gewonnen, bis dies Anfang 1985 weltweit verboten wurde, weil es bei Patienten zur Übertragung von AIDS und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und in der Folge zu Todesfällen kam. Somatropin wird seit Dezember 1985 rekombinant hergestellt. Das Wachtumshormon wird heute auch dann zur Therapie einer geringen Körperhöhe angewandt, wenn eine andere Grunderkrankung diesen Kleinwuchs nach sich zieht, zum Beispiel beim Ullrich-Turner-Syndrom, beim Prader-Willi-Syndrom, bei chronischer Niereninsuffizienz oder bei Kleinwuchs in Folge einer intrauterinen Wachstumsverzögerung (SGA, Small for Gestational Age). Außerdem wird es seit einigen Jahren zur Substitutionstherapie bei schweren Wachstumshormonmangel im Erwachsenenalter eingesetzt.[5]

Die europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat im Dezember 2011 das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis für somatropinhaltige Arzneimittel bestätigt.[8]

Somatropin unterliegt in Deutschland der Verschreibungspflicht. Bei bestimmten Indikationen übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Therapiekosten:[9]

„…
Alle am Markt befindlichen Präparate sind zugelassen für die Behandlung von Kindern mit Minderwuchs infolge nicht ausreichender körpereigener Wachstumshormone durch Hypophysenvorderlappeninsuffizienz.
Indikationserweiterungen einzelner Warenzeichen betreffen:
  1. Ullrich-Turner-Syndrom, gesichert durch Chromosomenanalyse (Genotropin®, Humatrope® , Norditropin®, Saizen®)
  2. Substitutionstherapie bei Erwachsenen mit einem ausgeprägten Wachstumshormonmangel, der mit zwei verschiedenen Funktionstests diagnostiziert wurde. Zusätzlich muß bei einem erstmaligen Wachstumshormonmangel im Erwachsenenalter dies durch eine Erkrankung des Hypothalamus oder der Hypophyse bedingt sein und ein Mangel an mindestens einem weiteren Hormon (ausgenommen Prolaktin) vorliegen. Vor Wiederaufnahme einer Substitution bei Patienten, die bereits in der Kindheit mit Wachstumshormonen behandelt wurden, muß ein Mangel durch Diagnostik erneut bestätigt werden (Genotropin®, Humatrope® , Norditropin®)
  3. Kleinwuchs bei präpubertären Kindern aufgrund chronischer Nierenerkrankung (Genotropin®, Norditropin®)
…“

Nichtmedizinische Verwendung

Synthetisches Somatropin wird als „Anti-Aging“-Mittel verwendet, wobei es keine Belege für einen Langzeitnutzen gibt. Häufig missbräuchlich angewendet wird es aufgrund seiner muskelbildenden Eigenschaften auch im Bodybuilding und anderen Sportarten. Zu diesem Zweck wird es teilweise auch mit Testosteron, Insulin, Trenbolon und dem Schilddrüsenhormon Triiodthyronin (T3) kombiniert. Mittlerweile sind aber auch schon gefährliche Totalfälschungen von angeblich Somatropin-haltigen Arzneimitteln aufgetaucht, die für die Verwendung in der Bodybuilder-Szene bestimmt waren.[10] In der Doping-Szene gilt Somatropin allgemeinhin als teure „Wunderwaffe“.[11] Die Anwendung von Somatropin bei Menschen ohne vorliegenden Mangel führt zu Akromegalie mit schwersten Nebenwirkungen, die oft irreversibel sind.

Nachweis

Somatropin ist seit 1999 mit einem von dem deutschen Hormonforscher Christian Strasburger entwickelten Verfahren zuverlässig nachweisbar. Ein weiteres Verfahren wurde 2000 von Peter Sönksen entwickelt.[12]

Handelsnamen

Monopräparate

Genotropin (D, A, CH), Humatrope (D, A, CH), Norditropin (D, A, CH), NutropinAq (D, A), Omnitrope (D, A), Saizen (D, A, CH), Valtropin (A), Zomacton (D, A)

Seit 2006 wird es als Biosimilar unter dem Handelsnamen Omnitrope vertrieben.

Einzelnachweise

  1. Datenblatt Somatropin beim EDQM, abgerufen am 6. Juni 2011.
  2. UniProt P01241
  3. Corneli G, Di Somma C, Baldelli R, Rovere S, Gasco V, Croce CG,Grottoli S, Maccario M, Colao A, Lombardi G, Ghigo E, Camanni F, Aimaretti G. The cut-off limits of the GH response to GH-releasing hormone-arginine test related to body mass index, European Journal of Endocrinology 2005, Seite 257–64
  4. Consensus guidelines for the diagnosis and treatment of adults with growth hormone deficiency: summary statement of the Growth Hormone Research Society Workshop on Adult Growth Hormone Deficiency., Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 1998, Seite 379–81
  5. 5,0 5,1 Prof. Dr. Anton Luger Substitutionstherapie bei Wachstumshormonmangel in Journal für Fertilität und Reproduktion 2007;17(1) Ausgabe für Österreich, Krause & Pachernegg GmbH Verlag für Medizin und Wirtschaft, Gablitz, Seite 15-18
  6. Z. Laron: Laron syndrome (primary growth hormone resistance or insensitivity): the personal experience 1958-2003. In: The Journal of clinical endocrinology and metabolism Band 89, Nummer 3, März 2004, S. 1031–1044, ISSN 0021-972X. PMID 15001582.
  7. Z. Laron: Do deficiencies in growth hormone and insulin-like growth factor-1 (IGF-1) shorten or prolong longevity? In: Mechanisms of ageing and development Band 126, Nummer 2, Februar 2005, S. 305–307, ISSN 0047-6374. doi:10.1016/j.mad.2004.08.022. PMID 15621211. (Review).
  8. European Medicines Agency confirms positive benefit-risk balance of somatropin-containing medicines", Pressemeldung der EMA, 15. Dezember 2011
  9. Gemeinsamen Bundesausschusses: Anlage IV zum Abschnitt H der Arzneimittel-Richtlinie, Stand: 13. Oktober 2011
  10. Zollfahndung warnt vor totalgefälschtem Arzneimittel "SOMATROPE"
  11. Spiegel.de:„Die Szene wird immer wilder“
  12. Nachweis von Doping mit HGH

Literatur

  • Siegfried Zabransky, Michael B. Ranke: Wachstumshormontherapie in der Pädiatrie. 2002.
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