Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich

Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich

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Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich
Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich
Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich
Lage
Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich (Rheinland-Pfalz)
Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich
Koordinaten

50° 24′ 28″ N, 7° 29′ 23″ O

50.4077777777787.4897222222222Koordinaten:

50° 24′ 28″ N, 7° 29′ 23″ O

Land: Deutschland
Daten
Eigentümer: RWE
Betreiber: RWE
Projektbeginn: 1973
Kommerzieller Betrieb: 1. Aug. 1987
Stilllegung: 9. Sep. 1988

Stillgelegte Reaktoren (Brutto):

1 (1302 MW)
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme: 10.291 GWh
Website: Seite bei RWE
Stand: 6. Okt. 2006
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.

Das Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich (Kürzel: KMK) liegt nordwestlich von Koblenz nahe der Stadt Mülheim-Kärlich am linken Rheinufer. Baubeginn war 1975, die Inbetriebnahme erfolgte am 1. März 1986. Am 9. September 1988 wurde das einzige Kernkraftwerk in Rheinland-Pfalz – nur 30 Monate nach der Erstkritikalität – wegen eines fehlerhaften Baugenehmigungsverfahrens vom Netz genommen. Es handelt sich um einen Druckwasserreaktor der vierten Generation mit einer elektrischen Bruttoleistung von 1.302 Megawatt. Betreiberin ist die Société Luxembourgeoise de Centrales Nucléaires S.A., eine Tochtergesellschaft der RWE Power AG. Im Sommer 2004 begann der Rückbau der Anlage.

Geographische Lage

Das Kernkraftwerk liegt 2,6 Kilometer südlich vom Neuwieder Stadtzentrum entfernt und etwa zehn Kilometer nordwestlich von Koblenz auf 66 Metern über Normalnull. Das 33,5 Hektar große Gelände befindet sich auf der Gemarkung Kärlich, Stadt Mülheim-Kärlich im – als Teil der Kölner Bucht – leicht erdbebengefährdeten Neuwieder Becken,[1] das sich durch seine relative topographische Tiefenlage vom umgebenden Rheinischen Schiefergebirge abhebt. Der Rhein verläuft nördlich in etwa 100 Metern, die Bundesstraße 9 südlich in etwa 700 Metern Entfernung. Im Umkreis von zehn Kilometern leben etwa 231.000 Menschen, davon über 100.000 in Koblenz (Stand: 2003). Das Gelände des Kernkraftwerks ist im Zehn-Kilometer-Radius von überwiegend land- und forstwirtschaftlich genutzten Bereichen sowie mehreren Landschafts- und Naturschutzgebieten umgeben. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge am Standort des Kernkraftwerkes beträgt etwa 600 Millimeter pro Jahr; durch eine Geländeaufschüttung ist die Region um das Kernkraftwerk vor Hochwasser geschützt.

Anlage

Kernreaktor

Bei dem Kernreaktor handelt es sich um einen Druckwasserreaktor. Der Reaktor hat eine elektrische Bruttoleistung (Nennleistung) des Generators von 1.302 Megawatt. Die Nettoleistung, also die maximale für die Produktion elektrischer Energie zur Verfügung stehende Leistung, liegt bei 1.219 Megawatt und entspricht dem Bruttowert abzüglich des Eigenverbrauchs aller Neben- und Hilfsanlagen des Kraftwerkes.

Daten

  • Eigentümer: Société Luxembourgeoise de Centrales Nucléaires (RWE-Tochtergesellschaft)
  • Betreiber: RWE
  • Baufirma: Konsortium Deutsche Babcock (Reaktorsystem)/ABB
  • Typ: Druckwasserreaktor, 4. Generation
  • Nennleistung (elektrisch): 1302 MW
  • Erste Stromproduktion: 14. März 1986
  • Lagerkapazität: 362 Brennelemente
  • Höhe des Kühlturms: 162 Meter
  • Höhe des Abluftkamins: 161,5 Meter
  • Baukosten: 7 Milliarden D-Mark (3,58 Milliarden Euro)
  • Kosten des Rückbaus: rund 725 Millionen Euro[2]

Geschichte

Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich (Luftaufnahme)
Senkrechter Blick in den 162 Meter hohen Kühlturm des Kernkraftwerkes Mülheim Kärlich.

Ende der 1960er Jahre begannen die Planungen für ein Kernkraftwerk im Raum Koblenz. Neben Mülheim-Kärlich waren auch Bad Breisig und Neuwied als mögliche Standorte im Gespräch. Bad Breisig scheiterte aus Platzgründen, Neuwied wegen mangelnden Hochwasserschutzes. Weil mit einem steigenden Energiebedarf gerechnet wurde, wurde am Standort Mülheim-Kärlich ein weiterer Kernkraftwerksblock geplant, dessen Planungen dann aber verworfen wurden.[3]

Das Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich wurde von 1975 bis 1986 gebaut. Schon während der Bauzeit kam es wegen Klagen durch Kommunen und Privatpersonen wie Helga Vowinckel zu Verzögerungen.[4] Das Bundesverfassungsgericht entschied am 6. Februar 1980, dass die friedliche Nutzung der Kernenergie mit dem Grundgesetz vereinbar sei, und wies eine Verfassungsbeschwerde zum Genehmigungsverfahren ab.[5] Das Werk war auch deswegen umstritten, da es im leicht erdbebengefährdeten Neuwieder Becken liegt.[6] Wegen dieser Gefährdung wurde das Reaktorgebäude ohne neues Baugenehmigungsverfahren 70 Meter vom ursprünglich geplanten Standort entfernt errichtet.

Wegen der Unregelmäßigkeiten im Genehmigungsverfahren musste das Kernkraftwerk im September 1988 jedoch nach knapp zwei Jahren im Probe- und genau 100 Tagen im Regelbetrieb aufgrund einer richterlichen Entscheidung abgeschaltet werden. Die Mainzer Landesregierung hatte unter Ministerpräsident Helmut Kohl der RWE durch zu geringe Auflagen bzw. Verstöße gegen das Atomgesetz den Bau des Kraftwerks ermöglicht.[7]

Die rheinland-pfälzische Landesregierung erteilte 1990 zwar eine veränderte Baugenehmigung, die vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz 1995 jedoch aufgehoben wurde. Diese Entscheidung bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in Berlin 1998 in letzter Instanz. Nach Meinung des Gerichts hätten die Erkenntnisse über die Erdbebengefährdung ein vollständig neues Genehmigungsverfahren erfordert.

In den folgenden Jahren wurde das Kernkraftwerk betriebsbereit gehalten, bis es 2001 von der RWE endgültig stillgelegt wurde. Die Entfernung des atomaren Kernbrennstoffs folgte ein Jahr später. Es konnten nun die Arbeiten für den Rückbau des Werks beginnen, der bis 2013 soweit fortgeschritten sein soll, dass nur noch die Dampferzeuger und der eigentliche Reaktordruckbehälter in der Anlage verbleiben.

Die Turbine, der Generator sowie weitere Bauteile des Maschinenhauses wurden an einen ägyptischen Energieversorger verkauft.[8]

In der Zeit zwischen Bau und endgültiger Stilllegung gab es eine Reihe von meldepflichtigen Ereignissen, die mit der niedrigsten Stufe 0 der INES-Skala bewertet wurden.[9]

Streit um Übertragung der Reststrommenge

Mit der Novellierung des deutschen Atomgesetzes (AtG) 2002 wurde der 2000 verhandelte sogenannte Atomkonsens gesetzlich festgeschrieben. Das Gesetz sieht in dieser Fassung für jeden der im Jahr 2000 in Betrieb befindlichen Reaktoren eine Reststrommenge vor, nach deren Produktion die Betriebsgenehmigung erlischt.

Aufgrund der kurzen Laufzeit des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich wurde für dieses Kraftwerk eine Sonderregelung getroffen: Dem Kraftwerk wurde eine Reststrommenge von 107,25 TWh zugestanden, die nur auf die Kraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2, Isar 2, Brokdorf, Gundremmingen B und C (alle mit einer genehmigten Restlaufzeit über 2015 hinaus) sowie bis zu einer Elektrizitätsmenge von 21,45 TWh auf Biblis B übertragen werden darf (siehe § 7 Abs. 1d bzw. Anlage 3[10]). Die beiden Energiekonzerne RWE und Vattenfall versuchten eine Übertragung auf die zum Zeitpunkt der Anträge ältesten noch aktiven Kraftwerke Biblis A und Brunsbüttel zu erreichen, für die eine Abschaltung bevorstand. Rechnerisch ging es bei dieser Regelung um einen Gesamtzeitraum von etwa 10 Jahren.

Versuchte Übertragung auf Biblis A

Im September 2006 beantragte RWE die Übertragung der Reststrommenge des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich auf den Reaktor Biblis A, der nicht in Anlage 3 des Atomgesetzes genannt wird (siehe auch Kernkraftwerk Biblis). Der Antrag von RWE wurde im Mai 2007 vom Bundesumweltministerium abgelehnt[11]. Eine Klage der RWE gegen den Ablehnungsbescheid scheiterte Ende Februar 2008 vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH)[12]. Die Revision wurde am 26. März 2009 durch das Bundesverwaltungsgericht abgelehnt[13].

Versuchte Übertragung auf Brunsbüttel

Im März 2007 beantragte der Betreiber Vattenfall, die Reststrommenge des RWE-Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich auf das Kernkraftwerk Brunsbüttel zu übertragen, das ebenfalls nicht in der Liste der zulässigen Reaktoren in Anhang 3 AtG aufgeführt wird. Dieser Antrag wurde im August 2007 ebenfalls vom Bundesumweltministerium abgelehnt[14]. Vattenfall scheiterte mit einer Klage gegen den Ablehnungsbescheid im Januar 2008 vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig, die Revision wurde aber zugelassen[15]. Vattenfall ließ das Urteil vom Bundesverwaltungsgericht prüfen, das am 26. März 2009 das Schleswiger Urteil bestätigte.

Galerie

Siehe auch

Weblinks

Commons: Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Einzelnachweise

  1. Uta Rasche (13. März 2011): Auf wackeligem Boden: Mülheim-Kärlich. Abgerufen am 30. Mai 2012.
  2. www.rwe.de – RWE-Seite über Anlage Mülheim-Kärlich (Stand: 2008-06)
  3. KKW Mülheim-Kärlich – eine endlose Geschichte, die nun zu Ende geht Quelle: Projekt „Schüler lesen Zeitung“ – Klasse 8b des Martinus-Gymnasiums Linz am Rhein in Zusammenarbeit mit dem Bonner General-Anzeiger
  4. Schönes Geschenk in: Der Spiegel 9/1977
  5. Chroniknet, abgefragt am 5. Februar 2009]
  6. http://www.geowiss.uni-hamburg.de/i-geogr/staff/grimmel/atomweb/atomkr.htm#anchor1160319 Eckhard Grimmel: „Wie sicher sind Atomkraftwerke in Deutschland bei Erdbeben?“ Vortrag, gehalten am 7. September 1996 in Wuppertal für den „Freiwirtschaftlichen Jugendverband Deutschland e.V.“
  7. Eine Menge getrickst in: Der Spiegel 12/1989
  8. Ägypter schlachten deutsches AKW aus. Handelsblatt, 2. November 2009, abgerufen am 26. Februar 2011.
  9. Jahresberichte zu meldepflichtigen Ereignissen des Bundesamts für Strahlenschutz
  10. Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz)
  11. BMU – Bundesumweltministerium lehnt RWE-Antrag ab. Strommengen dürfen nicht von Mülheim-Kärlich auf Biblis A übertragen werden / Antrag widerspricht dem Atomgesetz
  12. ngo-online.de – Gericht lehnt Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerk Biblis A ab
  13. Kostenlose Urteile - Bundesverwaltungsgericht lehnt längere AKW-Laufzeiten ab
  14. BMU – Bundesumweltministerium lehnt Vattenfall-Antrag ab. Strommengen dürfen nicht von Mülheim-Kärlich auf Brunsbüttel übertragen werden/Antrag widerspricht dem Atomgesetz
  15. NDR Online – Gericht: Keine längere Laufzeit für AKW Brunsbüttel