Hydroxycarbamid

Hydroxycarbamid

Strukturformel
Struktur von Hydroxycarbamid
Allgemeines
Freiname Hydroxycarbamid
Andere Namen
  • N-Hydroxycarbamid
  • Hydroxyharnstoff
  • Hydroxyurea
Summenformel CH4N2O2
CAS-Nummer 127-07-1
PubChem 3657
ATC-Code

L01XX05

DrugBank DB01005
Kurzbeschreibung

weißer Feststoff[1]

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Zytostatikum

Wirkmechanismus

Ribonukleotidreduktase-Hemmer

Verschreibungspflichtig: Ja
Eigenschaften
Molare Masse 76,05 g·mol−1
Schmelzpunkt

144–146 °C[1]

Löslichkeit

löslich in Wasser[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
08 – Gesundheitsgefährdend

Gefahr

H- und P-Sätze H: 360
P: 201-​202-​281-​308+313-​405-​501Vorlage:P-Sätze/Wartung/mehr als 5 Sätze [1]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [2][1]

T
Giftig
R- und S-Sätze R: 46-61
S: 20-36-45-53
LD50

5760 mg·kg−1 (Ratte, peroral) [3]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
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Hydroxycarbamid (INN), auch Hydroxyharnstoff und Hydroxurea, ist ein Zytostatikum, das zur Behandlung insbesondere von malignen Bluterkrankungen (Leukämien, myeloproliferative Erkrankungen) eingesetzt wird. Es findet auch Anwendung bei der Behandlung der Sichelzellanämie und im Rahmen der antiretroviralen Behandlung bei HIV-Infektion.

Wirkungsmechanismus

Die Wirkung der Substanz beruht auf der Hemmung des Enzyms Ribonukleotidreduktase wodurch die DNA-Synthesekapazität der jeweiligen Zelle deutlich eingeschränkt wird.

Pharmakokinetik

Nach oraler Gabe wird Hydroxycarbamid schnell aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert. Die genaue Bioverfügbarkeit ist nicht bekannt, scheint aber hoch zu sein (kein wesentlicher Unterschied in den Spiegeln bei oraler versus i.v. Gabe). Die maximale Serumkonzentration wird etwa 2 Stunden nach Einnahme erreicht. Aufgrund der Kleinheit des Moleküls diffundiert Hydroxycarbamid gut in verschiedene Körperkompartimente. Bei höheren Blutspiegeln wird auch die Blut-Hirn-Schranke überwunden und es erfolgt ein Übertritt in den Liquor. Die Substanz dringt auch in Aszites, Pleuraergüsse und in die Muttermilch ein. Der Mechanismus der Biotransformation bzw. Metabolisierung ist nicht genau bekannt. Eine Metabolisierung über das Cytochrom P450-System erfolgt nicht. Die Substanz wird in unveränderter Form überwiegend über die Nieren ausgeschieden.

Medizinische Anwendung

Bei myeloproliferativen Erkrankungen

Hydroxycarbamid findet Anwendung zur zytoreduktiven Therapie bei myeloproliferativen Erkrankungen (Chronische myeloische Leukämie (CML), Polycythaemia vera, Essentielle Thrombozythämie, Osteomyelofibrose). Die Anwendung bei CML ist nach der Einführung von Imatinib (Glivec®) stark zurückgegangen, aber in bestimmten Situationen kann der Einsatz von Hydroxycarbamid weiterhin sinnvoll sein. Bei Polycythaemia vera ist meist der regelmäßige Aderlass die Behandlungsmethode der Wahl, bei deutlich erhöhten Leukozytenzahlen oder Thrombozytenzahlen kann der Einsatz von Hydroxycarbamid jedoch sinnvoll sein. Ein klassisches Einsatzgebiet ist auch die Essentielle Thrombozythämie, hier konkurriert die Substanz mit dem Medikament Anagrelid. Die Osteomyelofibrose ist ebenfalls ein typisches Einsatzfeld.

Sichelzellanämie

Durch die europäische Arzneimittelbehörde EMEA wurde die Substanz auch zur Behandlung der Sichelzellanämie zugelassen.[4] Am 29. Juni 2007 erhielt die Firma Addmedica (Paris) die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Hydroxycarbamid (Siklos®) für diese Indikation.[5] Bei Patienten mit Sichelzellanämie kommt es gelegentlich zu u.U. lebensbedrohlichen oder schmerzhaften vaso-okklusiven Krisen, d.h. Gefäßverschlüssen durch Zusammenklumpung von Sichelzellen. In mehreren klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass milde antiproliferativ wirksame Substanzen bei der Vorbeugung gegen solche vaso-okklusiven Krisen wirksam sein können.[6]

Antiretrovirale Therapie bei HIV-Infektion

Eine Reihe von klinischen Studien hat die Kombination von Hydroxycarbamid mit antiretroviralen Substanzen zur Therapie der HIV-Infektion untersucht. Dabei zeigten sich uneinheitliche Ergebnisse.[7][8][9] Eine Anwendung sollte daher nur innerhalb von kontrollierten klinischen Studien erfolgen. Eine Zulassung für die Behandlung der HIV-Infektion hat die Substanz nicht.

Dosierung

Die Substanz wird in Tabletten zu 500 oder 1000 Milligramm (mg) abgegeben. Die übliche Dosierung beträgt zwischen 250 mg täglich (z. B. eine Tbl. à 500 mg alle 2 Tage) bis etwa 2 g täglich.

Nebenwirkungen

Mögliche Nebenwirkungen sind zum Beispiel: Benommenheit, Übelkeit, Erbrechen (selten), Diarrhoe, Verstopfung, Mundschleimhautentzündung (selten), Appetitverlust, Haarausfall, Hautausschlag, Leberwerterhöhung (meist vorübergehend). Die medizinisch bedeutsamste Nebenwirkung ist die dämpfende Wirkung nicht nur auf die Bluterkrankung, sondern auch auf die gesunde Blutbildung (Myelosuppression). Diese Wirkung limitiert meist die Dosis, die gegeben werden kann. Eine wichtige Nebenwirkung ist auch die Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut. Bei entsprechend prädisponierten Patienten kann es dadurch zur Verschlechterung der Nierenfunktion oder sogar zum Gichtanfall kommen. Die Frage, ob Hydroxycarbamid ein leukämogenes Potential hat, d.h. ob bei einer Behandlung ein erhöhtes Risiko besteht, später an einer Leukämie zu erkranken, wird kontrovers diskutiert. Wahrscheinlich ist von einem geringen Risiko auszugehen.[10] Es wurde außerdem über vereinzelte Fälle von Patienten mit Spinaliomen (Plattenepithelkarzinomen der Haut) nach Hydroxycarbamid-Therapie berichtet.[11]

Anwendung in der Schwangerschaft

Hydroxyurea ist im Tierversuch eindeutig genotoxisch und embryotoxisch. Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sollten Hydroxycarbamid nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt absetzen.

Handelsnamen

Monopräparate

Litalir (D, A, CH), Siklos (A), Syrea (D),

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Datenblatt Hydroxycarbamid bei AlfaAesar, abgerufen am 15. Dezember 2010 (JavaScript erforderlich).
  2. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  3. Hydroxycarbamid bei ChemIDplus.
  4. Zulassungsinformation.
  5. European Medicines Agency – Find medicine – Siklos. Abgerufen am 7. September 2012.
  6. Steinberg MH, Barton F, Castro O, Pegelow CH, Ballas SK, Kutlar A, Orringer E, Bellevue R, Olivieri N, Eckman J, Varma M, Ramirez G, Adler B, Smith W, Carlos T, Ataga K, DeCastro L, Bigelow C, Saunthararajah Y, Telfer M, Vichinsky E, Claster S, Shurin S, Bridges K, Waclawiw M, Bonds D, Terrin M. Effect of hydroxyurea on mortality and morbidity in adult sickle cell anemia: risks and benefits up to 9 years of treatment. JAMA. 2003;289(13):1645–1651, PMID 12672732.
  7. Frank I, Bosch RJ, Fiscus S, Valentine F, Flexner C, Segal Y, Ruan P, Gulick R, Wood K, Estep S, Fox L, Nevin T, Stevens M, Eron JJ Jr; ACTG 307 Protocol Team. Activity, safety, and immunological effects of hydroxyurea added to didanosine in antiretroviral-naive and experienced HIV type 1-infected subjects: a randomized, placebo-controlled trial, ACTG 307. AIDS Res Hum Retroviruses. 2004;20(9):916–926, PMID 15597521.
  8. Swindells S, Cohen CJ, Berger DS, Tashima KT, Liao Q, Pobiner BF, Snidow JW, Pakes GE, Hernandez JE; NZTA4008 Study Team. Abacavir, efavirenz, didanosine, with or without hydroxyurea, in HIV-infected adults failing initial nucleoside/protease inhibitor-containing regimens. BMC Infect Dis. 2005;5(1):23, PMID 15819974.
  9. Lori F, Foli A, Groff A, Lova L, Whitman L, Bakare N, Pollard RB, Lisziewicz J. Optimal suppression of HIV replication by low-dose hydroxyurea through the combination of antiviral and cytostatic ('virostatic') mechanisms. AIDS. 2005;19(11):1173–1181. PMID 15990570.
  10. Essentielle Thrombozythämie (ET): Leukämogenes Risiko nach Behandlung mit Hydroxycarbamid. Der Arzneimittelbrief, 1998; 5:39 weblink.
  11. Spinaliome unter Hydroxycarbamid ("Aus der UAW-Datenbank"). Deutsches Ärzteblatt, Jg. 99, Heft 19, 10. Mai 2002. weblink.
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