Heidelbeere
Heidelbeere (Blaubeere) | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
| ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Vaccinium myrtillus | ||||||||||||
L. |
Die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus), regional auch Blaubeere, Schwarzbeere, Mollbeere, Wildbeere, Waldbeere, Bickbeere, Zeckbeere, Moosbeere[1] oder (besonders auch schweiz. und süddeut.) Heubeere[2] genannt, ist eine Art aus der Gattung der Heidelbeeren (Vaccinium) in der Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae).
Beschreibung
Der 10 bis 60 cm hohe Zwergstrauch wächst stark verzweigt mit aufrechten, kantigen bis schmal geflügelten, grün gefärbten Ästen, die kahl (unbehaart) sind. Die Blätter sind 2 bis 3 cm lang, eiförmig bis elliptisch, drüsig gesägt bis fein gezähnt und beiderseits grasgrün. Die Blüten wachsen einzeln aus Blattachseln und sind nickend. Ihre Krone ist 3,5 bis 5 mm lang, kugelig krugförmig und grünlich bis rötlich. Sie erscheinen ab April/Mai. Von Juli bis in den September tragen die Pflanzen dann schwarzblaue, im Durchmesser maximal einen Zentimeter große, abgeplattet runde, einzeln stehende Früchte, die als reife Beeren blaugrau bereift sind. Ab dem Spätsommer beginnt die Herbstfärbung des Strauchs – das Laub verfärbt sich dabei tiefrot. Die Heidelbeere ist ein holziger Chamaephyt. Im Gegensatz zur verwandten Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea) ist sie nicht immer-, sondern sommergrün, wirft also im Winterhalbjahr ihre Blätter ab.
Der Strauch erreicht ein Alter von bis zu 30 Jahren. Durch vegetative Vermehrung in Form von Ausläuferbildung (Wurzelkriecher) kann eine Pflanze „indirekt“ jedoch noch älter werden und dabei bis zu mehrere 1000 m² bedecken.
Trotz häufiger unmittelbarer Nachbarschaft zur Preiselbeere kommt es nur selten zu Hybriden zwischen den beiden Arten. Diese Bastard-Heidelbeere (Vaccinium x intermedium) steht mit ihren Merkmalen zwischen den beiden Elternarten.
Von der Amerikanischen Heidelbeere (Vaccinium corymbosum) unterscheidet sich die eurasische Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) dadurch, dass sich die farbgebenden Anthocyane sowohl in der Schale als auch im Fruchtfleisch befinden und sie so durch und durch blau gefärbt ist. Bei der seit etwa 1900 aus der Amerikanischen Heidelbeere gezüchteten Kulturheidelbeere befinden sich die Farbstoffe nur in der Schale, weshalb diese ein helles Fruchtfleisch aufweist und keine „blauen Zähne“ verursacht. Außerdem ist die Kulturheidelbeere doppelt bis mehrfach so groß wie die echte Heidelbeere und schmeckt weit weniger aromatisch als die Wildfrüchte.
Die Blätter enthalten Arbutin und Hydrochinon (bis 1,5 %) und sind daher schwach giftig.[3]
Vorkommen, Standortansprüche
Die Heidelbeere ist paläarktisch mit Schwerpunkt in den gemäßigten und nordischen Zonen Eurasiens verbreitet und besiedelt dabei Gebiete von der Ebene bis ins Gebirge (in Österreich etwa 2350 m NN).
Sie wächst als Halbschattenpflanze in artenarmen, bodensauer-humosen, nährstoff- und basenarmen, frischen Laub- und Nadelwäldern (besonders in Kiefernwäldern und Gebirgs-Fichtenwäldern), in Moor- und Bergheiden in humider Klimalage. Sie ist ein Tiefwurzler (bis 1 m) und zehrt mit Hilfe von Wurzelpilzen (Mykorrhiza) von Rohhumus. Gegenüber Spätfrösten ist die Pflanze empfindlich; bei starken Frösten ohne schützende Schneedecke kann sie teilweise oder auch vollständig abfrieren. Der Wurzelstock bleibt davon in aller Regel verschont und treibt im Frühling wieder aus. Im Schneeschutz hingegen steigt die Heidelbeere bis in Höhen von 2350 m auf. Industriellen Immissionen gegenüber zeigt sie sich wenig tolerant. Man vermutet, dass der Wurzelpilz der Pflanze insbesondere durch Schwefeldioxid geschädigt wird.
Ökologie
Die grünen Triebe der Heidelbeere stellen im Winter für das Wild eine wichtige Futterquelle dar. Ihre Früchte schätzen besonders Tierarten, die an Baum- und Buschfrüchte weniger leicht gelangen können, so wie das Auerhuhn und der Fuchs.
Die Raupen zahlreicher Falterarten nutzen die Heidelbeere als Futterpflanze, so z. B die vom Aussterben bedrohte Weidenglucke, der gleichermaßen seltene Augsburger Bär, die gefährdete Rollflügel-Holzeule, der seltene Ebereschen-Blattspanner und die Urmottenart Micropterix aureatella.
Die Nacktbasidien-Arten Exobasidium arescens und Exobasidium myrtilli können die Heidelbeere befallen. Erstgenannte Art bildet kleine, blasse Blattflecken, die bald vertrocknen. Exobasidium myrtilli befällt die gesamte Pflanze (systemisch). Die Blätter sind dann meist vergrößert und können blassgrün oder auch leuchtend rot sein. Er kommt sowohl im Gebirge als auch im Küstenbereich vor.[4] Der häufige Pilz Valdensia heterodoxa bildet in seiner Nebenfruchtform braune Flecken auf den Blättern, er bildet große sternförmige Konidien aus.[5]
Inhaltsstoffe
siehe Tabelle auf der rechten Seite.
Nährwerte pro 100 g Heidelbeeren[6] | |
---|---|
Brennwert | 176 kJ (42 kcal) |
Wasser | 84,8 g |
Eiweiß | 0,6 g |
Kohlenhydrate | 7,4 g |
- Ballaststoffe | 4,9 g |
Fett | 0,6 g |
- mehrfach ungesättigt | 0,4 g |
Vitamine und Mineralstoffe | |
Vitamin A | 6,0 µg |
Vitamin B1 | 0,0 mg |
Vitamin B2 | 0,0 mg |
Vitamin B6 | 0,1 mg |
Vitamin B9 | 3,0 µg |
Vitamin C | 30,0 mg |
Vitamin E | 1,9 mg |
Calcium | 13,0 mg |
Eisen | 0,7 mg |
Magnesium | 2,0 mg |
Natrium | 1,0 mg |
Phosphor | 13,0 mg |
Kalium | 73,0 mg |
Zink | 0,1 mg |
Wirtschaftliche Nutzung
Heidelbeeren sind eine beliebte Beerensorte für die menschliche Ernährung. Sie lassen sich sowohl frisch verzehren als auch in der Küche verwerten. Sie färben aufgrund der enthaltenen Anthocyane beim Verzehr den Mund und die Zähne rot bis blau. Anthocyane in der Heidelbeere sind auch für ihre antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften verantwortlich.[7]
Vor dem Verzehr selbstgepflückter, ungewaschener Heidelbeeren wird, trotz fehlenden Nachweises, wegen angeblich möglicher Anhaftung von Eiern des Fuchsbandwurms immer noch gelegentlich gewarnt. Wenn man dieses Risiko ausschließen will, sollte man die Beeren kochen. Geerntete Heidelbeeren halten sich nicht allzu lange.
Gerichte aus oder mit Heidelbeeren sind zum Beispiel Heidelbeerkompott, Heidelbeermarmelade, Heidelbeereis, Heidelbeerkuchen, Hefeklöße mit Heidelbeeren sowie Heidelbeerpfannkuchen.
Ein Werkzeug zur Ernte von Heidelbeeren ist der Blaubeerkamm oder Heidelbeerkamm, regional auch Raffel genannt. Dabei handelt es sich um einen Kasten mit aufgesetztem Kamm. Mit der Raffel wird über die Heidelbeerbüsche gestrichen, und dabei fallen die Beeren in den Kasten. Durch diese Methode werden jedoch sowohl reife und unreife Früchte als auch Blätter abgerissen und die Pflanze kann so verletzt werden.
Nutzung als Heilpflanze
Als Heildroge dienen die getrockneten, reifen Früchte bzw. die frischen oder tiefgefrorenen Früchte. Weiterhin die Getrockneten Blätter.
Hauptwirkstoffe: In den Früchten Catechingerbstoffe, dimere Proanthocyanidine, Anthocyanoside, Flavonoide, Caffeoylsäuren, Fruchtsäuren, Pektine, Invertzucker.
In den Blättern außer Gerbstoffen Iridoide, Phenolcarbonsäuren, in geringer Menge Chinolizidinalkaloide, Arbutin und Hydrochinon höchstens in Spuren, ein relativ hoher Gehalt an Chrom und Mangan. Über das früher angegebene „Glukokinin“ Neomyrtilin gibt es keine neueren Untersuchungen.
Anwendung: Die getrockneten Beeren sind aufgrund des Gerbstoffgehalts und der Pektine einbeliebtes Volksheilmittel gegen Durchfall, ebenso der mit Rotwein angesetzte Heidelbeewein. Frische Früchte in größeren Mengen genossen wirken dagegen abführend.
Der verdünnte Saft oder 10%ige Abkochungen können als Gurgelmittel bei leichten Entzündungen im Mund- und Rachenraum angewendet werden. Die isolierten Anthocyanoside haben eine kapillarabdichtende Wirkung bei krankhafter Kapillarbrüchigkeit, z.B. bei Diabetes, und sie werden in Fertigpräparaten gegen Netzhauterkrankungen und Störungen des Nacht- und Dämmerungssehens, zur Epithelregeneration bei Magen- und Darmgeschwüren, äußerlich zur Vernarbung von Wunden eingesetzt.
In der Volksmedizin gelte Heidelbeerblätter als Blutzucker senkend, ohne dass bisher eine antidiabetisch wirkende Substanz nachgewiesen werden konnte. Ob der Chromgehalt der Blätter möglicherweise für eine derartige Wirkung verantwortlich ist, bedarf noch weiterer Untersuchungen. Da bei längerem Gebrauch Vergiftungserscheinungen auftreten können, und die Wirksamkeit nicht belegt ist, wird von der Anwendung von Zubereitungen aus Heidelbeerblättern abgeraten.
Sonstiges
Nach dem römischen Schriftsteller Plinius wurde der Farbstoff der Heidelbeere zum Färben der Kleider von Sklaven verwendet.[8]
Eggesin trägt den Beinamen „Blaubeerstadt“. Im Zentrum steht seit 2002 ein Denkmal zu Ehren der Blaubeere, und beim traditionellen Blaubeerfest Mitte Juli spielen Bilder, Textilien, Keramik, gedrechselte Motive sowie Marmeladen aus der Blaubeere eine große Rolle. Es wird auch jährlich eine Blaubeer-Königin gekürt.
Einzelnachweise
- ↑ Heinrich Marzell, Heinz Paul: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen.Bd 4. Stuttgart/Wiesbaden 1979, Parkland, Köln 2000 (Repr.), S.952.
- ↑ Badische Volkskunde, 13.K
- ↑ Inhaltsstoffe aus Dr Duke's Phytochemical Database
- ↑ Svengunnar Ryman & Ingmar Holmåsen: Pilze. Bernhard Thalacker Verlag, Braunschweig 1992, ISBN 3-87815-043-1. S. 72.
- ↑ forst.tu-muenchen: Valdensinia heterodoxa
- ↑ Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. - DGE
- ↑ J.A. Joseph: Reversing the deleterious effects of aging on neuronal communication and behavior: beneficial properties of fruit polyphenolic compounds. In: The American journal of clinical nutrition. Bethesda 81.2005,1-S, S.313S-316S. PMID 15640496. ISSN 0002-9165
- ↑ Plinius: Naturalis historia. Bd 16. Artemis & Winkler, München 1991, 31, 77. ISBN 3-7608-1596-0
Literatur
- Heinz Ellenberg: Zeigerwerte der Gefäßpflanzen Mitteleuropas. Scripta Geobotanica. Bd 9. 2. Auflage. Erich Goltze, Göttingen 1979.
- Henning Haeupler, Thomas Muer: Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Eugen Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3364-4.
- Erich Oberdorfer, Theo Müller (Mitarb.): Pflanzensoziologische Exkursionsflora. 6., überarb. und erg. Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart 1990, ISBN 3-8001-3454-3.
- Ursula Stichmann-Marny, Erich Kretschmar, Wilfried Stichmann: Der Kosmos Tier- und Pflanzenführer. Kosmos, Stuttgart 2005. ISBN 3-440-09765-X.
- Ben-Erik van Wyk, Coralie Wink, Michael Wink: Handbuch der Arzneipflanzen: ein illustrierter Leitfaden. Wiss. Verl.-Ges., Stuttgart 2004, ISBN 3-8047-2069-2.
- Birgit Frohn: Lexikon der Heilpflanzen und ihrer Wirkstoffe. Weltbild, Augsburg 2007, S.237-240. ISBN 3-89897-354-9.
- Ingrid und Peter Schönfelder: Das neue Buch der Heilpflanzen Franckh-Kosmos Verlag (2011), ISBN 978-3-440-12932-6
- Roth/Daunderer/Kormann: Giftpflanzen Pflanzengifte. 6. Auflage (2012), ISBN 978-86820-009-6
Weblinks
- Karte zur weltweiten Verbreitung in: linnaeus.nrm.se
- Heidelbeere. In: FloraWeb.de.
- Verbreitungskarte für Deutschland. In: Floraweb.
- Die Heidelbeere als Heilpflanze