Färberkrapp

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Färberkrapp
Färberkrapp (Rubia tinctorum)

Färberkrapp (Rubia tinctorum)

Systematik
Euasteriden I
Ordnung: Enzianartige (Gentianales)
Familie: Rötegewächse (Rubiaceae)
Unterfamilie: Rubioideae
Gattung: Färberröten (Rubia)
Art: Färberkrapp
Wissenschaftlicher Name
Rubia tinctorum
L.

Der Färberkrapp (Rubia tinctorum), auch Echte Färberröte, Krapp genannt, ist eine Pflanzenart aus der Familie der Rötegewächse (Rubiaceae). Diese Kulturpflanze ist eine traditionelle Färbepflanze. Die Bezeichnung „Rubia“ (bis heute der wissenschaftliche Gattungsname) verliehen die Römer dem Krapp, weil seine Wurzel roten Farbstoff enthält.

Beschreibung

Illustration

Vegetative Merkmale

Der Färberkrapp wächst als sommergrüne, ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 0,5 bis 1 Meter erreicht. Dieser rosettenlose Hemikryptophyt bildet ein rotes Rhizom als Überdauerungsorgan. An den Kanten des Stängels und an den Blättern befinden sich rückwärtsgerichtete Haare (Trichome), wodurch sich die Pflanze an diesen Stellen rau anfühlt. Der scharf vierkantige Stängel ist spreizklimmend. Die zu viert bis sechst in Wirteln am Stängel angeordneten Blätter sind kurz gestielt. Die einfache Blattspreite ist bei einer Länge von 3 bis 11 Zentimeter und einer Breite von 0,8 bis 2,5 Zentimeter eiförmig-elliptisch bis eiförmig-lanzettlich geformt und an der Unterseite netznervig.[1][2]

Blütenstand mit fünfzähligen Blüten

Generative Merkmale

Die Blütezeit reicht von Juni bis August. Die kleinen, sternförmigen Blüten sind zwittrig, radiärsymmetrisch und fünfzählig. Die gelblichgrüne Krone hat einen Durchmessern von 2 bis 3 Millimeter und ist trichterförmig. Die Staubbeutel sind um einiges länger als breit. Die Griffel sind bis zum Grund zweiteilig. Die steinfruchtartigen Spaltfrüchte sind anfangs rötlich und färben mit der Zeit fast schwarz.[1][2]

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 66.[1]

Vorkommen

Das natürliche Verbreitungsgebiet des Färberkrapp umfasst den östlichen Mittelmeerraum und Vorderasien. In Mittel- und Westeuropa ist der Färberkrapp aus der Kultur verwildert. Der Lebensraum der wärmeliebenden Pflanze sind Äcker, Weinberge, Schuttplätze und Wegränder.[2]

In Deutschland kommt der Färberkrapp selten in Rheinland-Pfalz und Sachsen vor, in Sachsen-Anhalt gilt er als ausgestorben.[1]

Alizarin-Vorstufe

Inhaltsstoffe

Wichtigste Inhaltsstoffe des Färberkrapps sind Di- und Trihydroxyanthrachinon-Glycoside, insbesondere des 1,2-Dihydroxyanthrachinons (Alizarin). Die kristallisierende, zitronengelbe Ruberythrinsäure ist ein Primverosid (Glycosid des Disaccharids Primverose, Alizarin-2-O-β-primverosid) und damit Vorstufe und Speicherform des Farbstoffs Alizarin[3]. Der Farbstoffgehalt der Krappwurzel erreicht etwa 5 bis 7 % in der Trockenmasse. Daneben enthält Färberkrapp in geringeren Mengen Rubichlorsäure, Zitronensäure und andere Pflanzensäuren, Gerbstoffe, Pectinstoffe, bis zu 15 % Gesamtzucker, Eiweiß und etwas fettes Öl.[4][5]

Nutzung

Der Färberkrapp spielte von der Antike bis zur Entdeckung der synthetischen Herstellung von Alizarin eine zentrale Rolle als Färbepflanze in Mitteleuropa und im gesamten Mittelmeergebiet. Es ist eine der ältesten Farbmittel der Menschheit und verglichen zu anderen Färbemitteln, die ein Rot ergaben, verhältnismäßig preisgünstig. Die Krappwurzel war eine der wichtigsten Kulturpflanzen und ein wichtiges Handelsgut zwischen Asien und Europa. Angebaut wurde er bereits im Altertum von den Ägyptern, den Persern, den Griechen und den Römern. Im pharaonischen Ägypten ist Krapp ab der 18. Dynastie (1552-1306 v. Chr.) nachweisbar. Plinius der Ältere erzählt von Krappkulturen, auch im Papyrus Holmensis wird er mehrfach erwähnt, u. a. zum Überfärben geblauter Wolle zu Purpur empfohlen. In historischer Zeit war das Färben mit Färberkrapp jedoch durchaus anspruchsvoll. Die Qualität der verwendeten Wurzeln schwankte stark und das Färbeergebnis wurde auch von der Außentemperatur beeinflusst. Verhältnismäßig häufig war das Farbergebnis ein Orange oder Ziegelrot, das Färber preisgünstiger mit anderen Pflanzen erzielen konnten. Gegen Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit waren es vor allem Färber des Osmanischen Reiches und Indien, die konsistent den gewünschten Farbton erzielten. Dazu trug auch bei, dass das beste Farbergebnis mit Färberkrapp erzeugt wurde, wenn auf Baumwolle gefärbt wurde. Dieses Material war zu diesem Zeitpunkt jedoch in Europa verhältnismäßig unbekannt. Das sogenannte „Türkische Rot“ wurde mit einem drei- bis viermonatigen Verarbeitungsprozess erzielt, der mehr als ein dutzend Schritte umfasste. Detaillierte Kenntnisse über die einzelnen Arbeitsschritte wurden in Europa erst im 18. Jahrhundert bekannt.[6]

Krapp als Färberpflanze

Zum Färben wurden die drei Jahre alten Rhizome im Frühjahr und Herbst ausgegraben, in Öfen getrocknet und zerkleinert. Frisch ist das Rhizom innen gelb, erst beim Trocknen entwickelt sich der rote Farbstoff (Alizarin). Neben Alizarin (sechs bis zehn Prozent in der Trockenmasse)[7] sind Purpurin, Anthrachinon und andere organische Verbindungen in der Wurzel enthalten. Der Farbton kann, je nach Beize und Extraktionsart, zwischen einem kräftigen Rot, einem Rot-Orange und Rosa schwanken. Zusammen mit Alaun als Beize wurde vor allem Wolle rot gefärbt, und mit Eisenbeize erzielte man schwärzliche Farbtöne. Die Farbe zeichnet sich als Textilfarbe durch eine hohe Lichtechtheit und Waschbeständigkeit aus. Bekannte Anwendungen sind bzw. waren türkische Kopfbedeckungen (Fes) und historische Uniformen.[7] Die geschälte und gemahlene Wurzel der Färberröte wurde früher auch als Grapp bezeichnet.[8][9]

Krapplack

Mit verschiedenen Metalloxiden beziehungsweise Metallsalzen (Aluminium- oder Zinnsalze) bilden die enthaltenen Farbstoffe sehr farbenfrohe Komplexe, die als Krapplacke bezeichnet werden (z. B. Alizarin Krapplack). Bei dem synthetischen Typ, der seit 1869 hergestellt werden kann, handelt es sich meist um einen Alizarinkrapplack. Krapplacke werden unter verschiedenen Namen gehandelt: „Bettoberlack“, „Krapp-Karmin“, „Krapp-Purpur“, „Rembrandtlack“, „Rubensrot“, „Türkischrot“ oder „Van-Dyck-Rot“. Krapplack ist bereits seit der Antike bekannt und wird von Dioscurides und Plinius dem Älteren beschrieben.

Krapplack wurde in allen künstlerischen Techniken wie z. B. Tafelmalerei, Pastell, Buchmalerei und Ölmalerei verwendet. Der Alizarinkrapplack dient auch als Pigment z. B. für die Herstellung von lichtechten Tapeten, für Künstlerfarben und Druckfarben. Der natürliche Lack ist nicht vollkommen lichtbeständig.

Färberkrapp als Heilpflanze

Für Heilzwecke wurde traditionell die Wurzel des Färberkrapps eingesetzt. Man verwendete den Färberkrapp früher als Heilpflanze wegen seiner positiven Wirkung bei Erkrankungen der Harnwege, vor allem bei Nieren- und Blasensteinen, ferner bei Gicht, Rachitis und Blutarmut. Von dieser Verwendung sieht man heute ab, weil einige Inhaltsstoffe als krebserregend gelten. Die Zulassungen krappwurzelhaltiger Arzneimittel wurden dementsprechend am 15. März 1993 durch das Bundesgesundheitsamt widerrufen.[10]

In der Homöopathie wird die aus dem frischen, blühenden Kraut gewonnene Ur-Tinktur bei Anämie, Unterernährung, Amenorrhoe und Milzbeschwerden angewendet.[4]

Anbau

Geschichte des Anbaus in Mitteleuropa und im Orient

Die Benediktiner waren es wohl, die die Pflanze über die Alpen brachten, und Karl der Große empfahl dringend ihre Kultur. Wichtige Anbaugebiete lagen im Mittelalter im niederländischen Zeeland (seit dem 12. Jahrhundert), am Oberrhein (Elsass, seit dem 13. Jahrhundert). Im Mittelalter war Speyer für den roten Farbstoff (Speyerer Rot) bekannt, der aus Krapp gewonnen wurde. Dieser wurde in größerem Umfang in der Umgebung der Stadt angebaut.[11] Kleinere Anbaugebiete gab es um Braunschweig, in Frankreich (Provence), Spanien (Kastilien) und Ungarn. Der Elsässer Krapp, die „Hagenauer Röte“, war weit berühmt und wurde in bedeutenden Mengen ausgeführt. Sie hat im Mittelalter mit zum Reichtum der freien Reichsstadt Straßburg beigetragen. Große Anbaugebiete gab es auch in Frankreich, besonders um das Städtchen Senlis bei Paris. Im 15. Jahrhundert nahm Holland die führende Stellung im Krappanbau ein, in den folgenden Jahrhunderten überflügelten es die Franzosen durch intensive Kultivierung in Südfrankreich und im Elsass. Als hier der Krappanbau durch die Revolutionswirren nach 1789 zum Erliegen gekommen war, befahl Louis-Philippe (1830–1848), dass die französischen Soldaten mit Krapp gefärbte rote Hosen zu tragen hätten. Durch diese Anordnung konnte Frankreich den Krappanbau fördern und seine bedeutende Stellung als Lieferant des Farbstoffs zurückerobern. Im Jahre 1868 kam Krapp im Werte von 25 Mio. Reichsmark in den Handel. In den Niederlanden war die Pflanze bis ins 19. Jahrhundert eines der Hauptexportprodukte der Insel Schouwen-Duiveland.

Im Orient waren extrem komplizierte Färbetechniken unter Verwendung fetter Öle (Türkischrotöl) bekannt, mit denen ein sehr farbintensives Rot erzielt werden konnte (Türkisch Rotgarn). Verwendet wurde der Farbstoff unter anderem, um die traditionelle türkische Kopfbedeckung, den Fes, zu färben. Auch die herrlichen Rotfarben in Elsässer Trachten waren nur mit Krapp möglich. Krapp wurde auch in der mittelalterlichen Tafelmalerei eingesetzt, da sein rotbraunes bzw. rosa Farbmittel nicht so lichtempfindlich war, wie das nuancenreichere Farbmittel aus dem teuren Brasilholz, das dementsprechend häufiger in der Buchmalerei eingesetzt wurde.

Seit man 1869 den Farbstoff Alizarin auch synthetisch aus Steinkohleteer herstellen konnte, ging der wesentlich teurere Krappanbau drastisch zurück. Erstmals synthetisierten die deutschen Chemiker Carl Graebe, Carl Liebermann und Heinrich Caro den Krappfarbstoff. Heute spielt Färberkrapp ebenso wie andere Färberpflanzen mengen- und wertmäßig keine Rolle mehr und werden nur in sehr kleinen Nischen nachgefragt. Ein kommerzieller Anbau ist entsprechend kaum mehr vorhanden, lediglich in den Niederlanden werden jährlich etwa 50 ha Färberkrapp angebaut.[12]

Anbau heute

Färberkrapp wird als ausdauernde Pflanze angebaut. Die Aussaat erfolgt im zeitigen Frühjahr, auch die Pflanzung vorgezogener Pflanzen oder Wurzelstockteile im Frühjahr oder Herbst ist möglich. Im ersten Jahr ist eine Unkrautbekämpfung mit der Maschinenhacke nötig, Krankheits- und Schädlingsbefall sind in der Regel nicht ertragsrelevant. Ein Befall mit Ascochyta kann die Samenbildung vermindern. Der Nährstoffbedarf ist relativ hoch, es werden sowohl Stickstoff (ca. 120–160 kg) als auch Phosphor und Kalium benötigt. Die Ernte der Krappwurzel erfolgt erstmals nach zwei bis drei Vegetationsperioden mit der bei anderen Wurzelkulturen zum Einsatz kommenden Erntetechnik. Die Wurzel werden gewaschen, in Stücke geschnitten und bei 40–80 °C getrocknet. Der Ertrag an trockenen Wurzeln liegt um die 15–30 dt/ha.[5]

Quellen

Literatur

  • H. Schweppe: Handbuch der Naturfarbstoffe. Vorkommen, Verwendung, Nachweis. Ecomed, Landsberg am Lech 1993, ISBN 3-609-65130-X.
  • Gudrun Schneider: Färben mit Naturfarben. Otto Maier Verlag, Ravensburg 1979, ISBN 3-473-43005-6, (Ravensburger Freizeit-Taschenbücher 5), Inhalt (PDF; 16 KB).
  •  Otto Gessner, Gerhard Orzechowski (Hrsg.): Gift- und Arzneipflanzen von Mitteleuropa. 3 Auflage. Winter, Heidelberg 1974, ISBN 3-533-02372-9.
  • F. E. Köhler: Köhlers Medizinal – Pflanzen in naturgetreuen Abbildungen mit kurz erläuterndem Texte. 1887. (Abbildung)
  • W. Herbst, K. Hunger: Industrielle Organische Pigmente. Herstellung, Eigenschaften, Anwendung. VCH, Weinheim 1995.
  • Christian Heinrich Wunderlich: Krapplack und Türkischrot, Diss. Bonn, 1993
  • Robert Chenciner: Madder Red – A History of Luxury and Trade, Curzo Press, Richmond, 2000
  • Gösta Sandberg: The Red Dyes: Cocheneal, Madder and Murex Purple, Lark Books, Ashville, 1997

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3  Werner Rothmaler (Begr.), Eckehart J. Jäger, Klaus Werner (Hrsg.): Exkursionsflora von Deutschland. Band 4. Gefäßpflanzen: Kritischer Band. 10., bearb. Auflage. Elsevier, Spektrum Akademischer Verlag, München/Heidelberg 2005, ISBN 3-8274-1496-2.
  2. 2,0 2,1 2,2  Werner Rothmaler (Begr.), Eckehart J. Jäger, Friedrich Ebel, Peter Hanelt, Gerd K. Müller (Hrsg.): Exkursionsflora von Deutschland. Band 5. Krautige Zier- und Nutzpflanzen. Springer, Spektrum Akademischer Verlag, Berlin/Heidelberg 2008, ISBN 978-3-8274-0918-8.
  3. Thieme Chemistry (Hrsg.): Eintrag zu Ruberythrinsäure im Römpp Online. Version 3.29. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2012, abgerufen am 7. Januar 2013.
  4. 4,0 4,1  Otto Gessner, Gerhard Orzechowski (Hrsg.): Gift- und Arzneipflanzen von Mitteleuropa. 3 Auflage. Winter, Heidelberg 1974, ISBN 3-533-02372-9.
  5. 5,0 5,1 Andrea Biertümpfel, Henryk Stolte, Barbara Wenig: Färberpflanzen. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR), 2004, S. 42-43 (pdf)
  6. Amy Butler Greenfield: A Perfect Red – Empire, Espionage and the Qest for the Color of Desire, HarperCollins Publisher, New York 2004, ISBN 0-06-052275-5, S. 28
  7. 7,0 7,1 Barbara Wenig, Ralf Pude: Pflanzen für die Industrie. 4. Auflage. Hrsg. FNR e. V., Gülzow.
  8. Apothekerlexikon von 1795, eingesehen am 16. Juni 2011
  9. Eintrag im Adelung von 1793, eingesehen am 16. Juni 2011
  10. Velbinger, Karsten: Mutagenität und Kanzerogenität von Hydroxyanthrachinonen in der Wurzel der Arznei- und Färberpflanze Rubia tinctorum L., Färberkrapp, unter besonderer Berücksichtigung krappwurzelhaltiger Arzneimittel. – Leipzig: Universität, 1996 (abgerufen am 29. Oktober 2009)
  11. Geschichte der Stadt Speyer Bd. 1, Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 1982
  12. Rolf-Dieter Reineke, Matthias Graf von Armansperg: Farben und Lacke. Farben aus Färberpflanzen. In: Norbert Schmitz et al.: Marktanalyse Nachwachsende Rohstoffe. Erstellt durch: meó consulting Team, Faserinstitut Bremen, Institut für Energetik und Umwelt gGmbH. Hrsg. FNR e. V., Gülzow.

Weblinks

 Commons: Färberkrapp (Rubia tinctorum) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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