Ethanol-Kraftstoff
DIN 51625 | |
---|---|
Bereich | Kraftstoffe |
Titel | Kraftstoffe für Kraftfahrzeuge - Ethanolkraftstoff - Anforderungen und Prüfverfahren |
Letzte Ausgabe | 2008-08 |
ISO | - |
Ethanol-Kraftstoffe sind Ottokraftstoffe mit unterschiedlichen, hohen Anteilen an Ethanol. Die Gemische werden nach dem Anteil von Ethanol im Benzin bezeichnet, z. B. E85 mit 85 % Ethanol. Das in Deutschland kontrovers diskutierte E10-Gemisch mit 10 % Ethanol oder das Gemisch aus Benzin mit nur geringer Ethanol-Beimischung (E5 mit 5 % Ethanol) wird unverändert als Benzin bezeichnet.
In Deutschland sind Anforderungen und Prüfverfahren für Ethanol-Kraftstoff in der DIN-Norm DIN 51625 genormt.
Reines Ethanol weist unabhängig von seiner Herstellung immer die gleichen Eigenschaften auf. Es gibt keinen chemischen Unterschied zwischen fossilem Ethanol oder Bioethanol aus pflanzlicher Rohstoffquelle. Physikalisch weist Bioethanol einen wesentlich höheren Anteil an dem radioaktiven Kohlenstoffisotop 14C auf. Weltweit gesehen hat heutzutage fossiler Alkohol (beispielsweise durch Hydratisierung von aus Kokereigas stammendem Ethen hergestellt) keine Bedeutung; von der produzierten Menge biologisch erzeugten Ethanols werden etwa 35 % als Neutralalkohol für Getränke und Lebensmittel sowie für weitere technische Zwecke erzeugt und etwa 65 % zur Nutzung als Kraftstoff. In Deutschland ist das Verhältnis etwa 50:50.
Das nur für Kraftstoffzwecke als Zusatzstoff von Benzin in unterschiedlichen Mischungskonzentrationen biologisch hergestellte Ethanol wird heutzutage verkürzt als Bioethanol bezeichnet, es ist im Kontext der energetischen Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen bedeutend. Bioethanol für die Beimischung zu Benzin wird mit Vergällungsstoffen versetzt wie Benzin, ETBE oder Methanol. Gängige Vergällungsmittel wie sie etwa bei Spiritus oder Alkohol für kosmetische Zwecke beigemischt werden, beispielsweise MEK (Methylethylketon), dürfen in Kraftstoffen nach EN 228 nicht verwendet werden. Während Bioethanol bisher nur aus Zucker und somit vor allem aus Zuckerrüben sowie stärkehaltigem Getreide gewonnen wurde, wird für neuere Technologien vor allem auf Biomassenutzung zellulosehaltiger Rohstoffe wie Chinaschilf, Rutenhirse und Holz zugegriffen; das Ergebnis ist das Cellulose-Ethanol.
→ siehe Hauptartikel Biokraftstoff
Geschichte
Nikolaus August Otto verwendete bereits in den 1860er Jahren „Spiritus“ (Kartoffelsprit, Äthylalkohol) als klopffesten Kraftstoff (Oktanzahl mind. 104 ROZ) in den Prototypen seines Verbrennungsmotors. Während des Ersten Weltkriegs wurde dieser Kraftstoff als Motoren-Spiritus für hohe Leistungsanforderungen wie Jagdflugzeuge auf Feindflug verwendet.
Der Automobilhersteller Henry Ford konzipierte später sein von 1908 bis 1927 gebautes Ford Modell T ursprünglich auf der Grundlage, dass Agraralkohol der Treibstoff der Zukunft sei, der zugleich der Landwirtschaft neue Wachstumsimpulse bringen würde: „Der Treibstoff der Zukunft wird aus Früchten kommen wie Rhus aus der Straße, oder von Äpfeln, Gräsern oder Sägemehl - von fast allem eben“.[1] Benzin wurde jedoch aufgrund der Verfügbarkeit und des niedrigen Preises sowie durch den Einfluss der Standard Oil der hauptsächliche Kraftstoff in den USA und in allen von der Standard Oil beeinflussten Ländern. Damit einhergehend wurde der Motor der „Blechliesel“ von Ford auf Benzin umgestellt.
Bereits in der Weimarer Republik gab die Reichskraftsprit-Gesellschaft ab 1925 etwa 25 % Kartoffelsprit zum Benzin dazu und verkaufte das Gemisch unter dem Namen Monopolin. Bis in die 1950er Jahre wurde Ethanol mit diversen weiteren Kraftstoffen wie Benzol, Methanol, Aceton und Nitrobenzol zu sehr klopffesten Rennkraftstoffen gemischt, die heute aufgrund der toxischen Wirkung auf Menschen und der aggressiven Wirkung auf das Material verboten sind.
Aufgrund der Versorgungslage bei Benzin gab es in Deutschland mit der 1925 gegründeten Reichskraftsprit (RKS) einen Hersteller von Spiritus (Kartoffelschnaps) zur Verwendung als Ottokraftstoff. Allerdings diente der Einsatz weniger als Mittel zur Erhöhung der Klopffestigkeit, sondern vielmehr zur Unterstützung der anbauenden Landwirtschaft. Die RKS vertrieb ihr Benzingemisch mit einem ca. 25-prozentigen Anteil Spiritus unter dem Markennamen Monopolin. 1930 trat in Deutschland die Bezugsverordnung von Spiritus zu Treibstoffzwecken für alle Treibstofffirmen in Kraft. Jeweils 2,5 Gewichtsprozente der produzierten oder eingeführten Treibstoffmenge waren von der Reichsmonopolverwaltung zu beziehen und dem Benzin beizumischen. Diese Quote erhöhte sich bis Oktober 1932 schrittweise auf 10 %.
In den folgenden Jahrzehnten blieb Erdöl die hauptsächliche Energiequelle. Erst mit den Ölkrisen der 1970er Jahre fand Ethanol als Kraftstoff neues Interesse. Ausgehend von Brasilien und USA wurde die Nutzung von Ethanol aus Zuckerrohr und Getreide (Bioethanol, Biokraftstoff der 1. Generation) als Treibstoff für Autos ebenso wie andere alternative Kraftstoffe auf der Basis nachwachsender Rohstoffe zunehmend durch Regierungsprogramme unterstützt. Eine globale Ausweitung dieser Bestrebungen entstand infolge des Kyoto-Protokolls. Aufgrund möglicher Flächenkonkurrenz beim Anbau von Energiepflanzen wird verstärkt daran gearbeitet, künftig Biokraftstoffe der 2. Generation (Cellulose-Ethanol) und der Biokraftstoffe der 3. Generation (BtL-Kraftstoff) herstellen zu können, die eine deutlich positive Umweltbilanz aufweisen.
Inzwischen ist die ethanolbetriebene Motorentechnik weit fortgeschritten. So ist beispielsweise der 1140 PS starke Supersportwagen Koenigsegg Agera, der 2013 in Serienfertigung ging, mit E85 und E100 (85% bzw. 100% Ethanol) zu betreiben. Selbst bei einem Verbrauch von 25 l/100 km ist der Agera umweltfreundlicher als jeder Elektrowagen mit deutschem Strommix. Die CO2-Belastung, berechnet auf Grundlage der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung, beträgt Äquivalent 64 g CO2/km beim fahren mit E100 und 165 g CO2/km mit dem Kraftstoff E85.[2]
E85
Bioethanol wird mit einer Beimischung von 85 % (bei Sommerkraftstoff) zu normalem Ottokraftstoff verkauft, dem sogenannten E85. Flexible Fuel Vehicles (FFV) können mit diesem Kraftstoffgemisch betrieben werden. Die Umrüstung anderer Fahrzeuge mit Ottomotor ist möglich, jedoch sind einige Einschränkungen zu beachten.[3] In Brasilien, Schweden, Tschechien[4] und den USA gibt es E85 bereits lange am Markt, und FFV-Modelle werden dort serienmäßig angeboten. Sie sind zumeist für einen beliebig zusammengesetzten Treibstoff aus Bioethanol und Ottokraftstoff geeignet. In Deutschland werden diese Fahrzeuge gegenwärtig u. a. von Ford, Saab, Volvo, Renault und VW (hier als Exportmodell) vertrieben. Seit 2005 bauen in Deutschland Freie Tankstellen kontinuierlich das Angebot aus.[5] Studien dazu weisen einen Mehrverbrauch bei E85 von bis zu 30 % auf.[6] Ursache ist die unterschiedliche benötigte Luftmasse für das stöchiometrische Verbrennungsluftverhältnis Lambda = 1. Während bei Super-Benzin ca. 14,7 kg Luft mit 1 kg Kraftstoff verbrannt werden können, sind es bei reinem Bioethanol nur ca. 9,0 kg Luft mit 1 kg Kraftstoff.[7] In Liter umgerechnet ergibt sich ein theoretischer Mehrverbrauch von 42 % von E85 gegenüber Super-Benzin.[8] Da aber auch Sauerstoffgehalt, Oktanzahl (Klopffestigkeit) und Verdampfungswärme eine Rolle spielen, reduziert sich der Praxiswert auf 15 - 25 %, je nach Motorbauart. Unter normalen Umständen und ohne Anpassung (Veränderung des Zündzeitpunktes) ist aber mit einem Mehrverbrauch von mind. 30 % zu rechnen.[9]
Kritik
→ siehe Hauptartikel: Bewertung von Biokraftstoffen
Ethanol-Kraftstoff ist ein Biokraftstoff, dessen Vor- und Nachteile sich in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion befinden. Kritik gibt es etwa zur Klimabilanz, zu möglichen Konkurrenzeffekten zur Bereitstellung von Lebensmitteln oder zur möglichen Bedrohung von Regenwäldern.
Siehe auch
- Globales Ölfördermaximum
- Biokraftstoffquotengesetz
Einzelnachweise
- ↑ Bill Kovarik: Henry Ford, Charles F. Kettering and the Fuel of the Future. Automotive History Review, Spring 1998, No. 32, S. 7-27, auch online unter: http://www.runet.edu/~wkovarik/papers/fuel.html (in englischer Sprache)
- ↑ Firmenseite zum Koenigsegg Agera
- ↑ gs-500.info: Info zur Umrüstung eines Motorrades
- ↑ http://www.etanol-85.cz/cs/vybrane-benzinove-pumpy-e85
- ↑ Vorteil Bioethanol Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e. V., Internet-Informationsseite
- ↑ Mehrverbrauch E85, Internet-Informationsseite zu E85
- ↑ Verbrennungsluftverhältnis, Berechnung Verbrennungsluftverhältnis
- ↑ Berechnung Mehrverbrauch E85, Theoretische Berechnung des Mehrverbrauches von E85
- ↑ http://www.e85-fahren.ch/faq.php#12
Weblinks
- Handbook for Handling, Storing, and Dispensing E85 (5,36 MB, 54 S., engl.), National Renewable Energy Laboratory, U.S. Department of Energy
- Inhaltsverzeichnis der DIN 51625:2008-08 beim Beuth-Verlag