Debye-Waller-Faktor

Debye-Waller-Faktor

Der Debye-Waller Faktor (DWF, nach Peter Debye und Ivar Waller) beschreibt die Temperaturabhängigkeit der Intensität der kohärent elastisch gestreuten Strahlung an einem Kristallgitter[1][2]. Nur diese elastische Streuung unterliegt den Laue-Bedingungen; die komplementäre, inelastische Streuung wird als thermisch-diffus bezeichnet.

In der Neutronenstreuung wird der Begriff Debye-Waller-Faktor teilweise unterschiedslos auf kohärente und inkohärente Streuung angewandt; teilweise wird für letztere aber auch der genauere Begriff Lamb-Mössbauer-Faktor benutzt.

I=I0e1/3|G|2u2

Hier ist I0 die Intensität der einfallenden Welle, die um den Faktor der e-Funktion auf I reduziert wird. G ist ein reziproker Gittervektor, und u die temperaturabhängige Oszillations­amplitude der Atome.

Dabei werden die Bragg-Beugungsreflexe aufgrund der Gitterschwingungen umso mehr gedämpft, je höher die Temperatur ist und je höher ihre Ordnung ist.

Bei Betrachtung eines harmonischen Oszillators mit der Energie[3]:

E=12Mω2u2=32kbT

lässt sich der temperaturabhängige Debye-Waller Faktor wie folgt schreiben:

DWF=ekbT|G|2/Mω2

Herleitung

Der Strukturfaktor Fhkl ist ein Maß für die relative Intensität eines durch die Millerschen Indizes h, k, l bestimmten Beugungsreflexes.

Fhkl=ifiexp[iGri]

Die Summe läuft über alle Atome der Basis. Dabei ist ri ein Ortsvektor, der von einem festen Bezugspunkt innerhalb der Elementarzelle zum Kern des i-ten Atom zeigt, G=hb1+kb2+lb3 ein reziproker Gittervektor und fi der atomare Streufaktor des i-ten Atoms:

fi=VAini(r~)exp[iGr~]d3r~

VAi ist das Volumen und ni(r~) das Streuvermögen (z. B. Elektronendichte bei Röntgenbeugung, Ladungsdichte bei Elektronenbeugung) des i-ten Atoms.

Betrachtet man die thermische Bewegung der Atome, so ist ri zeitabhängig. Nun zerlegt man ri in einen mittleren Aufenthaltsort ri,0 (Gleichgewichtslage, ruhend) und die Auslenkung ui(t) (zeitabhängig). Letztere führt auf den Debye-Waller-Faktor.

ri(t)=ri,0+ui(t)

Die Schwingungsperioden sind sehr kurz (<1010s) gegenüber der Beobachtungsdauer, sodass immer ein zeitlicher Mittelwert gemessen wird. Der zeitliche Mittelwert des Strukturfaktors ist

Fhkl=ifiexp[iG(ri.0+ui(t))]=ifiexp[iGri.0]exp[iGui(t)]

Für kleine Auslenkungen entwickelt man die Exponentialfunktion bis zur zweiten Ordnung

exp[iGui(t)]1+iGui(t)12(Gui(t))2

Die erste Ordnung verschwindet Gui(t)=0, da die Auslenkungen ui(t) statistisch in alle Raumrichtungen erfolgen (zeitlicher Mittelwert von ui ist Null) und nicht mit der Richtung von G korreliert sind. Die zweite Ordnung ist

(Gui(t))2=|G|2|ui(t)|2cos2θ

Dabei ist θ der Winkel zwischen G und ui(t). Man mittelt cos2θ über alle Richtungen im dreidimensionalen Raum, also Integration über die Einheitskugel:

cos2θ=02πdϕ0πdθsinθcos2θ02πdϕ0πdθsinθ=13

In die Exponentialfunktion eingesetzt ergibt dies:

exp[iGui(t)]116|G|2|ui(t)|2exp[16|G|2|ui(t)|2]

Der Strukturfaktor schreibt sich nun:

Fhkl=ifiexp[iGri.0]exp[16|G|2|ui(t)|2]

Für gleichartige Atome ist |ui(t)|2 für alle i annähernd gleich |u|2. Somit kann man den zweiten Exponentialfaktor vor die Summe ziehen:

Fhkl=exp[16|G|2|u(t)|2]ifiexp[iGri.0]=exp[16|G|2|u(t)|2]Fhkl0

Fhkl0 ist der Strukturfaktor des statischen Falls (starres Gitter, keine Bewegung der Atome). Die Intensität ist proportional zum Betragsquadrat des Strukturfaktors I=c|Fhkl|2. Die zeitlich gemittelte Intensität ist somit

I=c|Fhkl|2=c|Fhkl0|2exp[13|G|2|u|2]=I0exp[13|G|2|u|2]

Die gemittelte Intensität ist gegenüber dem statischen Fall I0=c|Fhkl0|2 um den Debye-Waller-Faktor exp[13|G|2|u|2] erniedrigt.

Der Debye-Waller-Faktor ist maximal 1, dann wenn die Atome nicht schwingen (entspricht dem statischen Fall, näherungsweise bei T=0K). Bei größerer Temperatur wird |u|2 größer, somit der Exponentialfaktor kleiner. Durch thermische Bewegung der Atome werden die Reflexe nicht verbreitert, sondern deren Intensität herabgesetzt. Es erscheint allerdings ein diffuser Untergrund zwischen den Reflexen als Folge der Energieerhaltung.

Der Debye-Waller-Faktor und somit die Intensität ist außerdem umso kleiner, je größer |G|2 ist, also je höher die Millerschen Indizes der Netzebenenschar, an der die Bragg-Reflexion stattfindet, sind.

Einzelnachweise

  1. Peter Debye: Interferenz von Röntgenstrahlen und Wärmebewegung. In: Ann. d. Phys.. 348, Nr. 1, 1913, S. 49–92. Bibcode: 1913AnP...348...49D. doi:10.1002/andp.19133480105.
  2. Ivar Waller: Zur Frage der Einwirkung der Wärmebewegung auf die Interferenz von Röntgenstrahlen. In: Springer (Hrsg.): Zeitschrift für Physik A. 17, Berlin / Heidelberg, 1923, S. 398–408. Bibcode: 1923ZPhy...17..398W. doi:10.1007/BF01328696.
  3. C. Kittel, Einführung in die Festkörperphysik, 7. Auflage, Oldenbourg, 1986, ISBN 3-486-20240-5 , Anhang A, S. 680ff