Wölsendorfit
Wölsendorfit | |
Chemische Formel |
Pb7[(UO2)14|O19|(OH)4] • 12H2O |
Mineralklasse | Oxide und Hydroxide 4.GB.30 (8. Auflage: IV/H.06) nach Strunz 05.04.03.02 nach Dana |
Kristallsystem | orthorhombisch |
Kristallklasse; Symbol nach Hermann-Mauguin | rhombisch-dipyramidal $ 2/m\ 2/m\ 2/m $ (Kurzsymbol: $ mmm\!\, $) [1] |
Farbe | orangerot, karminrot |
Strichfarbe | nicht definiert |
Mohshärte | 5 |
Dichte (g/cm3) | 6,8 |
Glanz | Glasglanz bis Diamantglanz |
Transparenz | durchscheinend |
Bruch | |
Spaltbarkeit | gut nach {001} |
Habitus | tafelige Kristalle; kugelige Aggregate; Krusten |
Kristalloptik | |
Brechungsindex | nα = 2,050 ; nβ = nicht definiert ; nγ = 2,090 [2] |
Doppelbrechung (optischer Charakter) |
δ = 0,040 [2] ; zweiachsig |
Weitere Eigenschaften | |
Ähnliche Minerale | Calciouranoit, Metacalciouranoit, Bauranoit |
Radioaktivität | stark radioaktiv |
Wölsendorfit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“. Es kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung Pb7[(UO2)14|O19|(OH)4] • 12H2O[3][4] und entwickelt tafelige Kristalle von wenigen Millimetern Größe, aber auch kugelige Mineral-Aggregate oder krustige Überzüge von orangeroter bis kräftig karminroter Farbe.
Besondere Eigenschaften
Das Mineral ist aufgrund der Blei- und Urananteile sehr giftig und durch letzteres Element auch stark radioaktiv mit einer spezifische Aktivität von etwa 108,4 kBq/g [1] auf (zum Vergleich: natürliches Kalium 31,2 Bq/g).
Etymologie und Geschichte
Erstmals entdeckt wurde Wölsendorfit 1957 im Johannesgang der „Grube Johannes“ bei Wölsendorf in der Gemeinde Schwarzach bei Nabburg (Landkreis Schwandorf, Bayern) in Deutschland und beschrieben durch Jean Protas (*1932), einem französischen Mineralogen und Professor an der Universität Nancy[5], der das Mineral nach seiner Typlokalität Wölsendort benannte.
Klassifikation
In der mittlerweile veralteten Systematik der Minerale nach Strunz (8. Auflage) gehört der Wölsendorfit noch zur gemeinsamen Abteilung der „Uranyl-Hydroxide und -Hydrate“, wo er zusammen mit Bauranoit, Calciouranoit und Metacalciouranoit eine eigene Gruppe bildet.
Mit der Überarbeitung der Strunz'schen Mineralsystematik in der 9. Auflage wurde diese Abteilung aufgeteilt und zusätzlich präziser nach der Art der beteiligten Kationen und der Kristallstruktur unterteilt. Das Mineral steht somit jetzt in der Abteilung der „Uranyl Hydroxide“ und dort in der Unterabteilung „Mit zusätzlichen Kationen (K, Ca, Ba, Pb usw.) mit vorwiegend UO2(O,OH)5 pentagonalen Polyedern“, wo er als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 4.GB.30 bildet.
Die im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Wölsendorfit ebenfalls in die Klasse der Oxide, dort allerdings in die Abteilung der „Uran- und thoriumhaltigen Oxide, die Erdalkalimetall-Elemente enthalten (wasserhaltig)“, wo er zusammen mit Metacalciouranoit die unbenannte Gruppe 05.04.03 bildet.
Bildung und Fundorte
Wölsendorfit bildet sich sekundär als Verwitterungsprodukt von Uraninit in der Oxidationszone von uranhaltigen Lagerstätten. Entsprechend tritt es überwiegend in Paragenese mit Uraninit, aber auch mit Becquerelit, Kasolit, Masuyit, Metastudtit und Rutherfordin auf.
Weltweit konnte Wölsendorfit bisher (Stand: 2010) an knapp 40 Fundorten nachgewiesen werden, so in der Lagerstätte von Koongarra im Northern Territory von Australien; in der „Urucum Mine“ bei Galiléia im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais; in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen in Deutschland; einigen französischen Regionen; in der „Oklo Mine“ bei Franceville in Gabun; im Gebiet um Randboldal in der grönländischen Region Avanersuaq (Avannaa, dän.: Nordgrønland); bei Bocenago im Val Rendena in der italienischen Provinz Trentino; bei Port Radium am Großen Bärensee in Kanada; in der „Shinkolobwe Mine“ in der kongolesischen Provinz Katanga; in der norwegischen Gemeinde Tokke; bei Krasnokamensk in Russland; in den schwedischen Regionen Lappland, Södermanland und Värmland; in einigen Regionen von Tschechien; in der „Botallack Mine“ des Bergbaureviers St Just, Cornwall im Vereinigten Königreich (Großbritannien) sowie in den US-amerikanischen Regionen Colorado, Maine und Pennsylvania.[2]
Kristallstruktur
Wölsendorfit kristallisiert orthorhombisch in der Raumgruppe Cmcm mit den Gitterparametern a = 14,13 Å; b = 13,88 Å und c = 55,97 Å sowie acht Formeleinheiten pro Elementarzelle.[6]
Vorsichtsmaßnahmen
Aufgrund der Toxizität und der starken Radioaktivität des Minerals sollte eine Aufnahme in den Körper (oral) auf jeden Fall verhindert und zur Sicherheit direkter Körperkontakt vermieden sowie beim Umgang mit dem Mineral Mundschutz und Handschuhe getragen werden.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Webmineral - Wolsendorfite (englisch)
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Mindat - Wölsendorfite (englisch)
- ↑ Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. 5. Auflage. Christian Weise Verlag, München 2008, ISBN 3-921656-17-6.
- ↑ IMA/CNMNC List of Mineral Names - Wölsendorfite (englisch, PDF 1,8 MB; S. 307)
- ↑ Mindat - Protasite
- ↑ Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 252.
Literatur
- Paul Ramdohr, Hugo Strunz: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. 16. Auflage. Ferdinand Enke Verlag, 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 560.
Weblinks
- Mineralienatlas:Wolsendorfit (Wiki)
- Handbook of Mineralogy - Wolsendorfite (englisch, PDF 67,1 kB)