Tetrodotoxin
Strukturformel | |||||||||||||||
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Allgemeines | |||||||||||||||
Name | Tetrodotoxin | ||||||||||||||
Summenformel | C11H17N3O8 | ||||||||||||||
CAS-Nummer | 4368-28-9 | ||||||||||||||
PubChem | 5460547 | ||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
farb- und geruchloser Feststoff[1] | ||||||||||||||
Eigenschaften | |||||||||||||||
Molare Masse | 319,27 g·mol−1 | ||||||||||||||
Aggregatzustand |
fest | ||||||||||||||
Löslichkeit |
gering löslich in Wasser[1] | ||||||||||||||
Sicherheitshinweise | |||||||||||||||
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Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Das Tetrodotoxin (kurz TTX, von lat. Tetraodontidae (deutsch: Vierzähner), benannt nach den Familien der Kugelfische, die das Gift einsetzen) ist ein Nervengift, bei dem es sich um ein zwitterionisches Alkaloid mit Guanidin-Teilstruktur handelt. In Aceton ist es löslich, in Wasser nur schlecht. Anhydro-TTX ist eine im molekularen Aufbau geringfügig abweichende Variante dieses Giftes.
TTX und Anhydro-TTX wurde in der Natur bei den verschiedensten Tieren gefunden. Vor allem Kugelfische, Igelfische und andere Familien der Tetraodontiformes setzen es ein. Auch bei den Westamerikanischen Wassermolchen (Taricha sp.), den Stummelfußfröschen (Atelopus sp.), einigen Krebsen, Schnecken (z. B. Naticidae) und Seesternen wurde es entdeckt. Unter den Kraken ist auch ein Träger dieses Gifts bekannt: Hapalochlaena maculosa (Synonym: Octopus maculosus), die zu der Gattung blaugeringelter Kraken zählt. TTX ist auch unter den Namen Tarichatoxin (isoliert von Taricha sp.) und Maculotoxin (isoliert von Hapalochlaena maculosa) bekannt.
Bildung
Tetrodotoxin konnte erstmals 1950 aus Ovarien von Kugelfischen isoliert werden, wobei die Isolierungsversuche bereits seit 1909 andauerten. 1963 erkannten Kyosuke Tsuda und Toshio Goto die Struktur von Tetrodotoxin. Seine Biosynthese ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Aufgrund der enormen Vielfalt der bekannten, TTX enthaltenden Organismen wird angenommen, dass die Tiere es nicht selbst bilden, sondern es durch Aufnahme aus „externen Quellen“ erhalten.
Bisher nachgewiesene Bakteriengattungen, die TTX oder Anhydro-TTX produzieren und somit als Quellen dienen könnten, sind u. a. Pseudomonas, Vibrio und Pseudoalteromonas haloplanktis (u. a. auch Alteromonas halopklanktis benannt). So wurde von der Haut des Kugelfisches Fugu poecilonotus ein Bakterium der Gattung Pseudomonas isoliert. Weitere Beispiele sind das Bakterium Vibrio fischeri, gefunden bei der Olivgrünen Steinkrabbe (Atergatis floridus) und Vibrio alginolyticus isoliert von dem Kugelfisch Fugu vermicularis vermicularis. Beide Bakterienarten produzieren TTX. Dies verstärkt die Vermutung, dass TTX von den Tieren nicht selbst produziert wird, sondern es durch Aufnahme der Bakterien oder durch eine Symbiose mit diesen Organismen erhalten.
Wirkung
Tetrodotoxin blockiert spannungsaktivierte Natriumkanäle (Nav 1.1 - Nav 1.9[4]), die auch in Neuronen vorkommen. Dadurch können keine Aktionspotentiale mehr ausgelöst werden. Dadurch wird die Nerven- und Muskelerregung behindert oder unterbunden. Die Folge sind motorische und sensible Lähmungen. Tetrodotoxin zählt zu den stärksten Nicht-Protein-Giften und wird hinsichtlich seiner Toxizität nur von wenigen anderen Giften wie beispielsweise Maitotoxin übertroffen. Die tödliche Dosis von Tetrodotoxin beträgt etwa 10 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht.
Die Symptome der Vergiftung nach einer Aufnahme des Giftes (etwa beim Verzehr des Fugus) beginnen innerhalb einer recht kurzen Zeit von etwa 45 Minuten. Der Patient zeigt diverse Lähmungserscheinungen, darunter die Lähmung der Skelettmuskulatur und somit auch der Atemmuskulatur; zudem fallen Koordinations- und Wahrnehmungsprobleme auf. Eine Beatmung und die orale Gabe medizinischer Kohle kann helfen. Wenn der Patient die ersten 24 Stunden nach Aufnahme des Giftes überlebt, sind die Prognosen sehr gut.
Beispiel: Bei Konsum der letalen Dosis von 0,5 bis 1 Milligramm auf oralem Wege tritt die tödliche Wirkung erst nach einem gewissen Zeitraum ein, so dass eine Rettung der Opfer meist noch möglich ist. Wird das Gift jedoch intravenös injiziert, so wird in Folge schneller Ausbreitung das gesamte Nervensystem lahmgelegt, und der Betroffene erliegt nach kurzer Zeit einer Atemlähmung.
Nutzung durch den Menschen
Da Tetrodotoxin in sehr geringen Mengen eine schmerzlindernde Wirkung zeigt, wird es auch für den Einsatz in Krebstherapien in Betracht gezogen.[5] Zudem ist es das Gegengift zum alkaloiden Toxin Batrachotoxin der Pfeilgiftfrösche.
In der biologischen und neurologischen Forschung wird TTX verwendet, um im Experiment selektiv Natriumkanäle zu blockieren.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Datenblatt Tetrodotoxin bei Carl Roth, abgerufen am 17. Januar 2008.
- ↑ 2,0 2,1 Datenblatt Tetrodotoxin bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 24. April 2011.
- ↑ Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
- ↑ Physiologie Von Rainer Klinke, Stefan Silbernagl, 6.Auflage, S.66bei googlebooks
- ↑ Hagen NA, du Souich P, Lapointe B, Ong-Lam M, Dubuc B, Walde D, Love R, Ngoc AH; Canadian Tetrodotoxin Study Group.: Tetrodotoxin for moderate to severe cancer pain: a randomized, double blind, parallel design multicenter study. In: J Pain Symptom Manage. 2008 April, 35. PMID 18243639
Literatur
- Kyosuke Tsuda: Tetrodotoxin, Giftstoff der Bowlfische. In: Naturwissenschaften. 1966, 53 (7), S. 171–176.
- Gerhard G. Habermehl, Hans Chr. Krebs: Gifttiere und ihre Waffen. In: Naturwissenschaften. 1986, 73 (2), S. 459–470.
- D. F. Hwang, O. Arakawa u. a.: Tetrodotoxin-producing bacteria from the blue-ringed octopus Octopus maculosus. In: Marine Biology. 1989, 100 (39), S. 327–332.
- D. F. Hwang, K. P. Tai u. a.: Tetrodotoxin and derivatives in several species of the gastropod Naticidae. In: Toxicon. 1991, 29 (8), S. 1019–1024.