Stein der Weisen
Als den Stein der Weisen (lat.: Lapis philosophorum; arab.: El Iksir, daraus im Deutschen „Elixier“) – oder auch den Azoth – bezeichneten die Alchemisten seit der Spätantike eine Substanz, mit der man unedle Metalle, wie etwa Quecksilber, in Gold oder Silber verwandeln könne. Vielen Alchimisten galt der Stein der Weisen zudem als Universalmedizin. Die Entdeckung des Steins der Weisen wird als das 'Große Werk' bezeichnet. Für dessen Herstellung ist die Enthüllung der Ursubstanz, der sogenannten Prima materia notwendig.
Vorgebliche Eigenschaften
Die Verwandlung unedler Metalle sollte durch Zusatz einer geringen Menge dieser Substanz möglich sein. Wenn der Stein die Kraft besäße, sämtliche unedle Metalle in jedem Mengenverhältnis in Gold zu verwandeln, sollte er das Universal heißen; beschränkte sich seine Kraft auf die Verwandlung eines bestimmten Metalls, sollte er Partikular heißen.
Für den Stein der Weisen existierten verschiedene Bezeichnungen: Roter Löwe, Großes Elixier, Magisterium, Rote Tinktur, Panazee des Lebens, Astralstein. Aus dem Stein der Weisen sollte sich auch − vor allem in den Vorstellungen der Araber − eine Universalmedizin gewinnen lassen, die auf den menschlichen Körper heilend, stärkend und verjüngend wirken sollte. Wer dieses Mittel gefunden hätte, sollte Adept genannt werden. Ein weniger vollkommenes Mittel, das unedle Metalle in Silber verwandeln könne, sollte Weißer Löwe, Weiße Tinktur, das Kleine Elixier oder Magisterium heißen.
Als Aurum Potabile („Trinkbares Gold“) bezeichnete man die Verbindung des Steins der Weisen mit Rotwein. Dieses solle als Mittel gegen jede Krankheit und als einziges auch gegen das Altern wirksam sein. Die Verbindung des Steins mit destilliertem Wasser bezeichnete man dagegen als Universalmedizin, die, bis auf die verjüngende, alle Wirkungen des Aurum Potabiles vollbringen könne.
Noch bis 1819 bestand in Deutschland eine alchimistische Gesellschaft, eine Hermetische Gesellschaft. Auf der Suche nach dem Stein der Weisen erfand der Alchemist Johann Friedrich Böttger zusammen mit dem Naturwissenschaftler Ehrenfried Walther von Tschirnhaus im Dezember 1707 das europäische Pendant des chinesischen Porzellans. Phosphor wurde 1669 von Hennig Brand, einem deutschen Apotheker und Alchemisten, entdeckt, als dieser Urin eindampfte, auf Sand erhitzte und der Rückstand aufgrund der Chemolumineszenz glühte.
Der Stein der Weisen als literarisches Motiv
Unter dem Titel Der Stein der Weisen erschien im A. Hartleben’s Verlag ab 1889 eine illustrierte populärwissenschaftliche Zeitschrift zur Unterhaltung und Belehrung aus allen Gebieten des Wissens für Haus und Familie unter der Redaktion von Amand Freiherr v. Schweiger-Lerchenfeld.
Der Stein der Weisen ist auch Titel eines Märchens aus der Sammlung Dschinnistan von Christoph Martin Wieland, in dem die Bemühungen der Alchemisten um die Erlangung von Reichtum persifliert werden. Ähnlich spöttisch sagt Mephisto in Goethes Faust II (v. 5063 f.): „Wenn sie den Stein der Weisen hätten, / Der Weise mangelte dem Stein.“
Außerdem lautet der Titel des ersten Buches der Harry-Potter-Reihe Harry Potter und der Stein der Weisen. In der ersten Geschichte der Comic-Reihe Die Schlümpfe versucht der Zauberer Gargamel, den Stein der Weisen mittels der Zutat „Schlumpf“ herzustellen. In der Manga- und Anime-Reihe Fullmetal Alchemist versuchen die beiden Protagonisten Ed(ward) und Al(phonse) Elric den Stein der Weisen zu finden, weil sie hoffen mit seiner Hilfe das alchemistische Gesetz vom „Prinzip des äquivalenten Tausches“ umgehen zu können. Außerdem wird der Stein der Weisen in der Buchreihe Die Geheimnisse des Nicholas Flamel von dem irischen Autor Michael Scott des Öfteren erwähnt.
Stand der Wissenschaft bei Elementumwandlungen
Mit der Zeit wurde durch das zunehmende Wissen über chemische Reaktionen und die Beschaffenheit der chemischen Elemente immer klarer, dass die Umwandlung von Metallen in Gold oder, allgemeiner ausgedrückt, die Umwandlung eines Elements in ein anderes auf den von den Alchemisten angestrebten Wegen – und das sind allesamt chemische Verfahren – unmöglich ist, weil die dabei auftretenden Energien dafür um ein Vielfaches zu klein sind. Solche Umwandlungen funktionieren nur bei den mit millionen Mal höheren Energien arbeitenden kernphysikalischen Verfahren und Methoden, wie sie z. B. zur Herstellung von Plutonium in größeren Mengen in Kernreaktoren tagtäglich angewendet werden.
Spirituelle Deutung
In modernerer Alchemie und Esoterik wird der Stein der Weisen häufig als Erleuchtung gedeutet. Seine Herstellung soll sich durch innere Alchemie erreichen lassen, also durch die Arbeit mit psychischen Kräften und Emotionen. Durch die optimale Entwicklung und Kombination der Eigenschaften Kraft (Feuer), Weisheit (Wasser), Liebe (Erde) und Freude (Luft) entstehe ein Erleuchtungs-Bewusstsein, der Mensch wird in sich heil und kann dadurch auch viele psychosomatische Krankheiten ausheilen. Durch spirituelle Übungen wie Meditation oder Gedankenarbeit kann die Seele des Menschen vom verhärteten Eisenzustand (innere Verspannungen) in den erleuchteten Goldzustand verwandelt werden. Der Lehre vom Stein der Weisen ist danach eine mittelalterliche Form der Psychologie, die auch Anleihen aus der Tradition der Druiden und germanischen Priester hat, und in alchemistischen Handbüchern und in vielen Volksmärchen verschlüsselt weitergegeben worden sein soll. Im östlichen Tantra, im Tarot und in der chinesischen Energielehre lebt sie weiter und hat im Bereich der Esoterik viele Anhänger[1].
Literatur
Sekundärliteratur
- Matthias Bärmann (Hrsg.): Das Buch vom Stein. Texte aus 5 Jahrtausenden. Jung & Jung, Salzburg u. a. 2005, ISBN 3-902497-02-5 (v. a. Kap. IV, S. 47-58).
- Allison Coudert: Der Stein der Weisen. Die geheime Kunst der Alchemisten. Lizenzausgabe. Pawlak, Herrsching 1992, ISBN 3-88199-911-6.
- Bernhard Dietrich Haage: Alchemie im Mittelalter. Ideen und Bilder – von Zosimos bis Paracelsus. Artemis und Winkler, Zürich u. a. 1996, ISBN 3-7608-1123-X.
- Lawrence M. Principe: Lapis philosophorum. In: Claus Priesner, Karin Figala (Hrsg.): Alchemie. Lexikon einer hermetischen Wissenschaft. Beck, München 1998, ISBN 3-406-44106-8.
Einzelnachweise
Weblinks