Biozid
Biozide (abgeleitet von bios griech. Leben und caedere lat. töten) sind in der Schädlingsbekämpfung im nicht-agrarischen Bereich eingesetzte Wirkstoffe, Chemikalien und Mikroorganismen gegen Schadorganismen (z. B. Ratten, Insekten, Pilze, Mikroben), also beispielsweise Desinfektionsmittel, Rattengifte oder Holzschutzmittel.
Definition
Laut der europäischen Biozid-Richtlinie sind Biozid-Produkte „Wirkstoffe und Zubereitungen, die einen oder mehrere Wirkstoffe enthalten, in der Form, in welcher sie zum Verwender gelangen, und die dazu bestimmt sind, auf chemischem oder biologischem Wege Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, Schädigungen durch sie zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen“.[1] Produkte, die beim Anbau von Pflanzen verwendet werden, werden nicht als Biozide, sondern als Pflanzenschutzmittel bezeichnet. Biozide werden auch „nichtlandwirtschaftliche Pestizide“ genannt.
Anwendungen
In der Klimatechnik werden Biozide gegen Mikroorganismen dem Wasserkreislauf zugesetzt. Damit wird eine Verkeimung des Rückkühlwerks verhindert. Farben für Fassaden- und Schiffsanstriche enthalten sogenannte Antifoulings, um Schädlingsbefall der gestrichenen Flächen zu verhindern. Holzschutzmittel enthalten häufig sowohl Insektizide als auch Fungizide. Textilien werden u. a. mit Mikrobiziden ausgerüstet. Durch Zugabe von so genannten Topfkonservierungsmitteln (engl. in-can preservatives) wird verhindert, dass sich Wasch- und Reinigungsmittel sowie Farben und Lacke mikrobiell zersetzen. Eine wichtige Substanzgruppe bei den Topfkonservierungsmitteln sind die Isothiazolinone.
Einteilung der Biozide
Einteilung nach Zielorganismen
- Akarizide gegen Milben
- Algizide gegen Algen
- Bakterizide gegen Bakterien
- Fungizide gegen Pilze
- Insektizide gegen Insekten
- Mikrobizide Ausrüstung gegen Keime
- Molluskizide gegen Schnecken
- Nematizide gegen Fadenwürmer (Nematoden)
- Rodentizide gegen Nagetiere
- Viruzide gegen Viren
- Avizide gegen Vögel
Einteilung nach Produktarten
Das Biozidgesetz über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten definiert vier Hauptgruppen mit insgesamt 23 Biozid-Produktarten[1]:
Hauptgruppe 1 | Desinfektionsmittel und allgemeine Biozid-Produkte |
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Produktart 1 | Biozid-Produkte für die menschliche Hygiene |
Produktart 2 | Desinfektionsmittel für den Privatbereich und den Bereich des öffentlichen Gesundheitswesen sowie andere Biozid-Produkte |
Produktart 3 | Biozid-Produkte für die Hygiene im Veterinärbereich |
Produktart 4 | Desinfektionsmittel für den Lebens- und Futtermittelbereich |
Produktart 5 | Trinkwasserdesinfektionsmittel |
Hauptgruppe 2 | Schutzmittel |
Produktart 6 | Topf-Konservierungsmittel |
Produktart 7 | Beschichtungsschutzmittel |
Produktart 8 | Holzschutzmittel |
Produktart 9 | Schutzmittel für Fasern, Leder, Gummi und polymerisierte Materialien |
Produktart 10 | Schutzmittel für Mauerwerk |
Produktart 11 | Schutzmittel für Flüssigkeiten in Kühl- und Verfahrenssystemen |
Produktart 12 | Schleimbekämpfungsmittel |
Produktart 13 | Schutzmittel für Metallbearbeitungsflüssigkeiten |
Hauptgruppe 3 | Schädlingsbekämpfungsmittel |
Produktart 14 | Rodentizide |
Produktart 15 | Avizide |
Produktart 16 | Molluskizide |
Produktart 17 | Fischbekämpfungsmittel |
Produktart 18 | Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden |
Produktart 19 | Repellentien und Lockmittel |
Hauptgruppe 4 | Sonstige Biozid-Produkte |
Produktart 20 | Schutzmittel für Lebens- und Futtermittel |
Produktart 21 | Antifouling-Produkte |
Produktart 22 | Flüssigkeiten zur Einbalsamierung und Taxidermie |
Produktart 23 | Produkte gegen sonstige Wirbeltiere |
Wirtschaftliche Bedeutung
Obwohl Biozide in vergleichsweise geringen Mengen den jeweiligen Endprodukten beigesetzt werden, rechnen Experten mit einem globalen Umsatz von knapp 7,3 Mrd. US$ im Jahr 2019. Wichtigster Absatzmarkt für Biozide ist Nordamerika mit einem Anteil von rund 42 % am weltweiten Verbrauch, gefolgt von Westeuropa und Asien-Pazifik. In den nächsten acht Jahren wird sich die Aufteilung der Nachfrage auf die Weltregionen weiter ändern. Marktforscher prognostizieren, dass die Länder in Asien-Pazifik, mit Ausnahme von Japan, weitere Marktanteile des globalen Biozidmarkts hinzugewinnen. Bis zum Jahr 2019 wird diese Region ihren Anteil am weltweiten Biozid-Verbrauch auf über 24 % steigern. Den höchsten Umsatz erzielten im Jahr 2011 Biozide auf Basis halogener Verbindungen, gefolgt von metallischen und schwefelorganischen Verbindungen. Die Nachfrage nach Halogen-Bioziden wird maßgeblich durch die Wasseraufbereitung beeinflusst. Hier stehen sie in starker Konkurrenz zu anderen chemischen Produkten sowie alternativen Verfahren wie UV-Bestrahlung oder Ultrafiltration, was einen stärkeren Zuwachs bei Bioziden hemmt.[2]
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften: RICHTLINIE 98/8/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten
- ↑ Marktstudie Biozide von Ceresana http://www.ceresana.com/de/marktstudien/additive/biozide/ceresana-marktstudie-biozide.html
Literatur
- Industrieverband Agrar (Hrsg.): Wirkstoffe in Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln: physikalisch-chemische und toxikologische Daten, 3. neubearb. Aufl., BLV-Verl.-Ges. München, Wien, Zürich 2000, ISBN 3-405-15809-5
- Wilfried Paulus: Directory of Microbicides for the Protection of Materials and Processes. Springer Netherland, Berlin 2006, ISBN 1-4020-4861-0.
- Danish EPA (2001): Inventory of Biocides used in Denmark
- Daniel Bürgi, Lars Knechtenhofer, Isabel Meier, Walter Giger: Biozide als Mikroverunreinigungen in Abwasser und Gewässern: Priorisierung von bioziden Wirkstoffen. Studie im Auftrag des BAFU und ERZ, 2007 (Download)
Weblinks
- Biozid-Portal des deutschen Umweltbundesamtes
- Informationen des österreichischen Umweltbundesamtes
- Information der EU bezüglich der Richtlinie 98/8/EG
- Liste der Biozide im Review-Programm der EU (PDF-Datei; 1,07 MB)
- Antimicrobial Center – Why use antimicrobials?
- Zulassung von Bioziden in Deutschland durch die BAuA
- Main Issues on the Further Development of the EC Biocidal Products Directive from the Point of View of German Environmental, Consumer and Animal Welfare Organisations, PAN Deutschland, Hamburg, März 2008 (PDF-Datei; 126 kB)