Opiumtinktur
Opiumtinktur, im Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert auch als Laudanum oder Meconium bezeichnet, ist eine Lösung von Opium. Opiumtinktur wurde bis ins frühe 20. Jahrhundert häufig, heute dagegen selten als Tinctura Opii normata (lat.: „Opiumtinktur, normalisiert“) verordnet.
Gewinnung
Opiumtinktur wird aus dem getrockneten Milchsaft der unreifen Samenkapseln des Schlafmohns (Papaver somniferum) gewonnen, danach wird der Wirkstoffgehalt in der Tinktur standardisiert. Die Wirkstoffe liegen in der Tinktur, wie auch im Milchsaft der Pflanze, u. a. an Mekonsäure gebunden vor.
Zusammensetzung
Das Opium wird in einer Mischung aus Alkohol und Wasser (meist im Verhältnis 70:30) gelöst, die alle Alkaloide des Schlafmohns enthält. Heute ist der Gehalt an den enthaltenen Wirkstoffen, wie Morphin, Codein, Thebain, Noscapin (= Narcotin), Papaverin, Narcein, u. a. in der Tinktur standardisiert.
Geschichte
Der Name Laudanum geht auf seinen Erfinder, den Arzt und Naturforscher Theophrastus Bombastus von Hohenheim (1493–1541), besser bekannt als Paracelsus, zurück. Er glaubte, mit dem Laudanum ein Allheilmittel erfunden zu haben, und nannte seine Tinktur daher auch Stein der Unsterblichkeit. Seine Hauptbestandteile waren zu etwa 90 Prozent Wein sowie Opium zu etwa 10 Prozent. Als weiterer Zusatz wird in einigen Quellen Bilsenkraut genannt.
Die Wortherkunft ist nicht eindeutig geklärt. Viele Quellen verweisen auf lateinisch ladanum – die Bezeichnung für das Harz der Zistrose. Lateinisch laudare bedeutet wiederum „loben“. Möglicherweise hat Paracelsus bei der Namensgebung diese beiden Bedeutungen zu einem Begriff zusammengezogen.
Seit seiner Erfindung um das Jahr 1500 fand das Laudanum in Europa eine große Verbreitung. Während der nächsten Jahrhunderte erfreute es sich als Universaltonikum und Wunderdroge einer großen Beliebtheit. Seine herausragende Eigenschaft bestand allerdings nicht in einer lebensverlängernden, sondern vielmehr in seiner schmerzstillenden und beruhigenden Wirkung. Sogar Kindern wurde die verdünnte Tinktur bedenkenlos zur Ruhigstellung eingegeben.
Laudanum war frei verkäuflich und günstig, daher war es in allen Gesellschaftsschichten Europas sehr populär. Seine Verbreitung im 18. und 19. Jahrhundert lässt sich in etwa mit der des Aspirins in der heutigen Zeit vergleichen. Eine Zeit lang fand der Begriff auch als Synonym für Schmerzmittel allgemein Verwendung.
In Schriftstellerkreisen kam das Laudanum teilweise zur Anregung der kreativen Fähigkeiten in Mode; der Dauergebrauch der Tinktur schien jedoch die eigene Kreativität eher auszulöschen. Zu den bekanntesten bekennenden Laudanumkonsumenten gehören u. a. der englische Lyriker Samuel Taylor Coleridge (1772–1834) und der Schriftsteller Thomas de Quincey (1785–1859) sowie der walisische Schriftsteller Edward Williams (bekannt als Iolo Morganwg, 1747–1826). Alle drei waren offenbar über lange Zeit ihres Lebens einer starken Abhängigkeit ausgesetzt.
Tatsächlich fand in der europäischen Gesellschaft erst ab dem 19. Jahrhundert eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem suchtbildenden und schädlichen Charakter eines dauerhaften Opiumkonsums und somit auch des Laudanums statt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts standen der Medizin zunehmend neue Mittel zur Verfügung, die die bedenklichen Opiate ersetzen konnten. Im Jahre 1920 verbot England schließlich per Gesetzesbeschluss die freie Verkäuflichkeit von Opiaten. 1929 trat in Deutschland das sogenannte Opiumgesetz in Kraft.
Verwendung und Risiken
Opiumtinktur fand früher und bis in das frühe 19. Jahrhundert breite Verwendung in der Medizin als schmerzstillendes und beruhigendes Medikament. Auch bei Depressionen wurde es häufig eingesetzt. So gab es Kliniken, die Depressionen bis in die 1970er Jahre mit Opium behandelten.[1] Opiumtinktur ist bei Überdosierung oder versehentlichem Verschlucken durch Kinder gefährlich: Die Symptome einer Vergiftung ähneln stark denen einer Vergiftung mit Morphin und sind auch den dort verwendeten Maßnahmen und Antidoten, wie dem Wirkstoff Naloxon, einem sog. Opiatantagonisten, gut zugänglich.
Nebenwirkungen sind vor allem auch die bei Morphin auftretenden unerwünschten Wirkungen wie z. B. Verstopfung, Wirkungen auf die Psyche (meist Euphorie, gelegentlich auch Dysphorie), Müdigkeit, veränderte Geschmacksempfindungen, körperliche und psychische Abhängigkeit.
Rechtliche Situation
Opiumtinktur ist in Deutschland wegen der suchtbildenden Wirkung als Betäubungsmittel (BtM) eingestuft und darf nur auf speziellen Betäubungsmittelrezepten gemäß der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) verordnet werden, wobei bestimmte Höchstmengen festgesetzt sind. Zugelassen ist eine Verschreibung heute in der Regel nur noch bei schwersten, nicht mehr anders kontrollierbaren Durchfällen, die auf andere Therapien nicht mehr ansprechen.
Literatur
- Carl Hartwich: Opium als Genußmittel (Volltext, PDF)
Einzelnachweise
- ↑ Detlev Ganten, Klaus Ruckpaul: Erkrankungen des Zentralnervensystems., Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York, 1999. ISBN 3-540-64552-7 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche), S. 273.
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