Margarete von Wrangell

Margarete von Wrangell

Margarete von Wrangell, seit 1928: Fürstin Andronikow, geborene Baronesse von Wrangell (* 7. Januar 1877 in Moskau; † 21. März 1932 in Hohenheim) war eine deutsch-baltische Agrikulturchemikerin und die erste ordentliche Professorin an einer deutschen Hochschule.

Lehr- und Studienzeit

Margarete[1] von Wrangell entstammt einem alteingesessenen deutsch-baltischen Adelsgeschlecht. Ihre Kindheit verbrachte sie in Moskau, Ufa und Reval (heute: Tallinn). Nach dem Besuch einer deutschsprachigen Mädchenschule in Reval und dem 1894 mit Auszeichnung bestandenen Lehrerinnenexamen gab sie mehrere Jahre lang Privatunterricht in Naturwissenschaften. Außerdem beschäftigte sie sich mit Malerei und schrieb Kurzgeschichten. Der Besuch eines Botanikkurses an der Universität Greifswald im Jahre 1903 wurde zum Wendepunkt ihres Lebens. Ab Frühjahr 1904 studierte sie Naturwissenschaften in Leipzig und Tübingen und promovierte 1909 an der Universität Tübingen mit summa cum laude in Fachgebiet Chemie. Das Thema ihrer Dissertation lautete: Isomerieerscheinungen beim Formylglutaconsäureester und seinen Bromderivaten.

Es folgten wissenschaftliche Lehr- und Wanderjahre: 1909 arbeitete sie als Assistentin an der Landwirtschaftlichen Versuchsstation in Dorpat, 1910 beteiligte sie sich an den Arbeiten von William Ramsay in London auf dem Gebiet der Radioaktivität, 1911 wurde sie Assistentin am Institut für anorganische und physikalische Chemie in Straßburg und 1912 arbeitete sie mehrere Monate lang bei Marie Curie in Paris. Ende des Jahres 1912 übernahm sie die Leitung der Versuchsstation des Estländischen Landwirtschaftlichen Vereins in Reval. Ihre Hauptaufgabe bestand hier in der Kontrolle von Saatgut, Futter- und Düngemitteln. Im Verlauf der russischen Oktoberrevolution wurde ihr Institut geschlossen, sie selbst verhaftet, doch es gelang ihr 1918, durch glückliche Umstände nach Deutschland zu fliehen.

Forschungsleistungen

Seit dem Sommer 1918 arbeitete Margarete von Wrangell an der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Hohenheim, seit 1920 als Leiterin einer eigenen Abteilung. Ihre ersten wissenschaftlichen Versuche galten dem Verhalten der Phosphorsäure im Boden. 1920 habilitierte sie sich an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim mit einer Arbeit über Phosphorsäureaufnahme und Bodenreaktion. In ihren Experimenten hatte sie beobachtet, daß einige Pflanzenarten, bei gleichzeitigem Vorhandensein von physiologisch sauren Düngemitteln, die schwerlöslichen Bodenphosphate relativ leicht in pflanzenverfügbare Verbindungen umwandeln können. Basierend auf dieser Erkenntnis entwickelte Friedrich Aereboe das Düngungssystem Aereboe-Wrangell, das die deutsche Landwirtschaft weitgehend von importierten Rohphosphaten unabhängig machen sollte. Durch die Propagierung dieses Düngungssystems, das bei den Agrikulturchemikern zu einem heftigen Meinungsstreit führte, wurde der Name Margarete von Wrangell weit über die Grenzen ihres Fachgebietes bekannt.

1922 war Fritz Haber am Physikalisch-Chemischen Institut der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zu Berlin, der während des Ersten Weltkrieges die großtechnische Synthese von Ammoniak aus dem Luftstickstoff entwickelt hatte, auf Margarete von Wrangell aufmerksam geworden. Er versuchte sie als ständige Mitarbeiterin für sein Institut zu gewinnen. Frau von Wrangell arbeitete auch ein Jahr lang in Berlin, ging dann jedoch nach Hohenheim zurück. 1923 wurde sie – gegen den Widerstand mancher Hohenheimer Professoren – zur ordentlichen Professorin für Pflanzenernährungslehre an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim ernannt. Mit finanzieller Unterstützung der Reichsregierung erhielt sie ein eigenes Institut für Pflanzenernährung mit Laboratorien und einem Versuchsfeld. Bis zu ihrem Tode leitete sie dieses Institut.

Während dieser Zeit hat Margarete von Wrangell eine fruchtbare Lehr- und Forschungstätigkeit entfaltet. Im Mittelpunkt ihrer experimentellen Tätigkeit standen weiterhin Arbeiten zum Problem der Phosphatdüngung, vor allem methodische Untersuchungen zur Bestimmung der pflanzenverfügbaren Anteile der Bodenphosphate. 16 Doktoranden führte sie zur Promotion. Neben ihren selbständigen Schriften hat sie Übersichtsbeiträge in Handbüchern, zahlreiche Aufsätze in Fachzeitschriften und auch mehrere praxisorientierte Arbeiten veröffentlicht. Verdienstvoll für die deutsche Landbauwissenschaft war ihre Tätigkeit als Herausgeberin des Werkes Die Düngerlehre von dem führenden sowjetischen Agrarwissenschaftler D. Nikolajewitsch Prjanischnikow. Sie engagierte sich aber auch im Deutschen Akademikerinnenbund.

1928 heiratete sie ihren Jugendfreund, den Fürsten Wladimir Andronikow. Bereits fünf Jahre später, im Alter von 55 Jahren, verstarb sie an einem Nierenleiden. Auf einem 1934 auf dem Gelände ihres Hohenheimer Instituts errichteten Gedenkstein ist der wissenschaftliche Leitspruch der Forscherin festgehalten: „Ich lebte mit den Pflanzen. Ich legte das Ohr an den Boden und es schien mir, als seien die Pflanzen froh, etwas über die Geheimnisse des Wachstums erzählen zu können“.

Nachwirkung

Außerhalb der Fachwelt bekannt wurde Margarete von Wrangells Leben und ihr wissenschaftliches Werk vor allem durch die nach ihrem Tode erschienene Biographie Margarethe von Wrangell. Das Leben einer Frau 1876-1932. Aus Tagebüchern, Briefen und Erinnerungen dargestellt von Fürst Wladimir Andronikow. Das Buch erschien erstmals 1935, erlebte mehrere Auflagen.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde Margarete von Wrangell zunächst von Frauenrechtlerinnen „wiederentdeckt“. Inzwischen hat ihr außergewöhnliches Leben sie zu einer zentralen Persönlichkeit in der modernen Frauen- und Geschlechterforschung gemacht. Seit 1970 wurden in zahlreichen Veröffentlichungen unterschiedliche Aspekte aus ihrem Leben und ihrem sozialen Umfeld eingehend beleuchtet. Innerhalb der agrarhistorischen Genderforschung gehört sie längst zu den herausragenden Pionierinnen des Landbaus. Zwei staatliche Förderungseinrichtungen tragen ihren Namen: Eine 1992 von der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen gegründete Margarethe von Wrangell-Stiftung e. V., die die Zusammenarbeit zwischen universitären An-Instituten und der mittelständischen Wirtschaft fördert[2], und ein 1997 vom Wissenschaftsministerium in Baden-Württemberg aufgelegtes Margarete von Wrangell-Habilitationsprogramm für Frauen, das die Habilitation von qualifizierten Wissenschaftlerinnen fördert[3].

Schriften (Auswahl)

  • Phosphorsäureaufnahme und Bodenreaktion. Verlagsbuchhandlung Paul Parey Berlin 1920. Zugl.: Habilitationsschrift Landwirtschaftliche Hochschule zu Hohenheim 1920.
  • Gesetzmäßigkeiten bei der Phosphorsäureernährung der Pflanze. Verlagsbuchhandlung Paul Parey Berlin 1922.
  • Die Düngerlehre. Von D. N. Prjanischnikow. Professor an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Moskau. Nach der fünften russischen Auflage herausgegeben von M. von Wrangell. Verlagsbuchhandlung Paul Parey Berlin 1923.
  • Ernährung und Düngung der Pflanzen. In: Handbuch der Landwirtschaft. Herausgegeben von F. Aereboe, J. Hansen und Th. Roemer. Verlagsbuchhandlung Paul Parey Berlin 1929, Bd. 2, S.295-396.

Literatur

  • O. Nolte: Professor M. Andronikow - v. Wrangell †. In: Die Phosphorsäure Bd. 2, 1932, S. 193-195 (mit Bild).
  • Adolf Mayer: Margarete von Wrangell, Fürstin Andronikow. † 31. März 1932 zu Stuttgart. In: Die Naturwissenschaften Jg. 22, 1932, S. 322-324.
  • Margarethe von Wrangell. Das Leben einer Frau 1876-1932. Aus Tagebüchern, Briefen und Erinnerungen dargestellt von Fürst Wladimir Andronikow. Albert Langen/Georg Müller Verlag München 1935; mehrere Auflagen u. a. Deuerlichsche Buchhandlung Göttingen 1950 (zahlreiche Fotos).
  • Theodor Heuß: Margarethe von Wrangell 1877-1932. In: Deutsche Gestalten. Studien zum 19. Jahrhundert. 3. Auflage. Verlag R. Wunderlich Stuttgart 1951, S. 479-486.
  • Ingeborg von Hubatius-Himmelstjerna: Daisy. Aus dem Leben einer großen Frau und Forscherin. Margarethe von Wrangell. Verlag Ensslin & Laiblin Reutlingen 1957.
  • Ruth Reichelt: Margarethe von Wrangell. Ihr Leben und Werk. In: Hauswirtschaftliche Bildung Jg. 48, 1974, S. 182-190 (mit Verzeichnis ihrer wiss. Veröffentlichungen).
  • Renate Feyl: Margarethe von Wrangell. 1877-1932. In: Der lautlose Aufbruch. Frauen in der Wissenschaft. Verlag Neues Leben Berlin 1981, 2. Aufl. 1982, S. 166-177.
  • Erna Hruschka: Margarete von Wrangell. In: Mitteilungsblatt des Deutschen Akademikerinnenbundes Jg. 63, 1983, S. 11-21.
  • Carla Kramer-Schlette: Margarethe von Wrangell, verheiratete Fürstin Andronikow. Professorin für Agrikulturchemie. 1877-1932. In: Lebensbilder aus Schwaben und Franken Bd. 15, 1983, S. 405-431 (Schriftenverzeichnis und Bild).
  • Maja Riepl-Schmidt: Die blaublütige Professorin – Margarete (Daisy) von Wrangell, Fürstin Andronikow. In: Maja Riepl-Schmidt: Wider das verkochte und verbügelte Leben: Frauenemanzipation in Stuttgart seit 1800. Silberburg-Verlag Stuttgart 1990, S. 213-221.
  • Ulrich Fellmeth: Margarete von Wrangell – die erste Ordinaria in Deutschland. In: Hohenheimer Themen. Zeitschrift für kulturwissenschaftliche Themen. Herausgegeben von U. Fellmeth und H. Winkel, Jg. 7, 1998, S. 3-26. Sonderband. Sripta Mercaturae Verlag St. Katharinen 1998.
  • Mathilde Schmitt: Margarethe von Wrangell. In: Pionierinnen des Landbaus. Herausgegeben von Heide Inhetveen und Mathilde Schmitt. Heydorn Verlag Uetersen 2000, S. 75-79 (mit Bild).
  • Hans-Peter Blume und Loit Raintam: Die Bedeutung Margarete von Wrangells für die Agrikulturchemie. In: Hohenheimer Bodenkundliche Hefte (Zur Geschichte der Bodenkunde, herausgegeben von Hans-Peter Blume & Karl Stahr), Heft 83, 2007, S. 95-123 (mit Bild und Schriftenverzeichnis).
  • Sonja M. Schwarzl, Wiebke Wunderlich: Zum Beispiel: Margarete von Wrangell. In: Nachrichten aus der Chemie. 49, 2001, S. 824–825, doi:10.1002/nadc.20010490628.

Weblinks

Anmerkungen/Quellenangaben

  1. Ihr Vorname wird in der Literatur unterschiedlich benutzt: Sie selbst schrieb stets Margarete von Wrangell; auch auf dem ihr gewidmeten Gedenkstein in Hohenheim ist ihr Name so eingraviert. Durch die nach ihrem Tode erschienene Biographie ist sie als Margarethe von Wrangell bekannt geworden.
  2. Margarethe von Wrangell-Stiftung e.V.
  3. Margarete von Wrangell-Habilitationsprogramm für Frauen