Zwitterion
Ein Zwitterion (siehe auch Ion) ist ein Molekül mit zwei oder mehreren funktionellen Gruppen, von denen eine positiv und eine andere negativ geladen ist. Das Molekül ist insgesamt elektrisch neutral.[1] Teilweise wird auch der Begriff „inneres Salz“ für ein Zwitterion verwendet.
Meist handelt es sich bei den Gruppen um eine Säure- und eine Basenfunktion. Das bekannteste Beispiel sind Aminosäuren,[2] die sowohl in wässriger Lösung als auch in der festen Phase zwitterionisch vorliegen. Die Säuregruppe gibt ein Wasserstoffion ab und trägt eine negative Ladung, die Aminogruppe nimmt ein Wasserstoffion auf und trägt eine positive Ladung. Im Unterschied zu Betainen lassen sich die Ladungen also durch Protonenwanderung ausgleichen.
In Lösung sind bei einem bestimmten pH-Wert, dem isoelektrischen Punkt (IEP oder pI), gleich viele Säuregruppen negativ geladen wie Aminogruppen positiv.[3] Dann wandern Aminosäuren im elektrischen Feld nicht mehr, sondern richten sich nur aus, da die Summenladung neutral ist. Liegt der pH-Wert unter dem isoelektrischen Punkt, nimmt die Dissoziation der Säuregruppe ab, und die Aminosäure trägt eine positive Summenladung. Liegt der pH-Wert darüber, nimmt die Dissoziation der Säure zu, und die Aminogruppe gibt das Wasserstoffion ab, das Molekül trägt eine negative Summenladung. Diesen Effekt nutzt man bei der Elektrophorese und bei der isolektrischen Fokussierung. Am isoelektrischen Punkt ist die Wasserlöslichkeit von Aminosäuren am geringsten, da aufgrund der entstandenen intramolekularen Ladungen keine stabile Hydrathülle mehr gebildet werden kann.
Bei Peptiden und Proteinen sind die Verhältnisse analog den bei den Aminosäuren. Von einer Carboxygruppe des Peptids oder Proteins wandert ein Proton zu einer basischen Aminogruppe, die am N-terminalen Ende stehen kann, aber nicht zwingend stehen muss.
Berechnung des isoelektrischen Punktes
Der pH-Wert am isoelektrischen Punkt lässt sich aus den pKs-Werten der Säuregruppe sowie der Aminogruppe berechnen:
- $ \mathrm {pH={\frac {pK_{S1}+pK_{S2}}{2}}} $
Herleitung:
Die Säurekonstanten sind definiert als:
- (1) $ \mathrm {K_{S1}=c(H_{3}O^{+})\cdot {\frac {c(Zwitterion)}{c(Kation)}}} $
- (2) $ \mathrm {K_{S2}=c(H_{3}O^{+})\cdot {\frac {c(Anion)}{c(Zwitterion)}}} $
Gleichung (1) löst man nach c(Zwitterion) auf und setzt das Ergebnis in Gleichung (2) ein.
- $ \mathrm {K_{S1}\cdot K_{S2}=c(H_{3}O^{+})^{2}\cdot {{c(Anion)} \over {c(Kation)}}} $
Da am isoelektrischen Punkt die Konzentrationen von Anion und Kation gleich sind, vereinfacht sich die Gleichung zu:
- $ \mathrm {K_{S1}\cdot K_{S2}=c(H_{3}O^{+})^{2}} $
Wurzelziehen und Logarithmieren ergibt dann:
- $ \mathrm {pH={\frac {pK_{S1}+pK_{S2}}{2}}} $
Bei sauren oder basischen Aminosäuren werden zur Berechnung des IEPs die pKs-Werte der beiden Carboxy- bzw. Aminogruppen berücksichtigt. Zur Berechnung des IEP bei Aminosäuren mit mehr als zwei pK-Werten werden lediglich die pK-Werte der ähnlich ionisierenden Gruppen herangezogen. Das bedeutet, dass im Falle von basischen Aminosäuren die beiden höchsten pK-Werte und bei sauren Aminosäuren die beiden niedrigsten pK-Werte in die obengenannte Gleichung eingesetzt werden.[4]
Lecithine
Lecithine sind Phospholipide, die sich aus Fettsäuren, Glycerin, Phosphorsäure und Cholin ableiten. Sie sind Bestandteile der Zellmembran tierischer und pflanzlicher Lebewesen, erlauben das Emulgieren (Vermischen) von Fetten und Wasser und sind somit wichtige natürliche Tenside (Emulgatoren) für Nahrungs- und Futtermittel sowie in der Pharmaindustrie. Dabei sind zwei Hydroxygruppen des Glycerins mit Fettsäuren verestert. Die dritte OH-Gruppe des Glycerins bildet jedoch mit einem Phosphat-Ion einen Di-Phosphorsäureester; einerseits mit Glycerin und andererseits mit einer weiteren Gruppe, dem Cholin. Cholin ist eine quartäre Ammoniumverbindung, trägt also eine positive Ladung und ist ein Kation. Die Phosphat-Gruppe liegt über einen breiten pH-Bereich als Anion vor, trägt also eine negative Ladung. Somit kann man Lecithine als Zwitterionen bzw. Innere Salze auffassen.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Eintrag: zwitterionic compounds/zwitterions. In: IUPAC Compendium of Chemical Terminology (the “Gold Book”). doi:10.1351/goldbook.Z06752 (Version: 2.1.5).
- ↑ Olaf Kühl: Organische Chemie, Wiley-VCH, Weinheim, 2012, S. 242, ISBN 978-3-527-33199-4.
- ↑ Albert Gossauer: Struktur und Reaktivität der Biomoleküle, Verlag Helvetica Chimica Acta, Zürich, 2006, S. 371, ISBN 978-3-906390-29-1.
- ↑ Carsten Schmuck: Chemie für Mediziner, 2008, Pearson Studium, München, Seite 638.