Interleukin-6

Interleukin-6

Interleukin-6

Interleukin-6

Bändermodell nach PDB 1ALU
Vorhandene Strukturdaten: 1alu, 1il6, 1n2q, 1plm, 2il6
Eigenschaften des menschlichen Proteins
Masse/Länge Primärstruktur 183 Aminosäuren
Bezeichner
Gen-Name IL6
Externe IDs OMIM: 147620 UniProt: P05231
Vorkommen
Homologie-Familie IL6
Übergeordnetes Taxon Amnioten

Interleukin-6 (kurz: IL-6, synonyme ältere Bezeichnungen: Interferon-β2 (IFNB2), B-Zell-stimulierender Faktor, B-Zell-Differenzierungs-Faktor, Leberzell-stimulierender Faktor) gehört zu den Interleukinen (bzw. umfassender zu den Zytokinen), welche die Entzündungsreaktion des Organismus regulieren. Das Interleukin-6 ist in der Abfolge der Entzündungskaskade dem Tumornekrosefaktor-alpha untergeordnet. IL-6 kommt durch die Art seiner komplexen Regelung und Funktionen in dem Orchester der anderen Zytokine und Zellen u. a. eine Schlüsselstellung in dem Übergang von Mechanismen der angeborenen Immunität hin zu Mechanismen der erworbenen Immunität innerhalb des Entzündungsprozesses zu [1]. IL-6 gehört zu einer Zytokinfamilie, die die Rezeptoruntereinheit Glykoprotein gp130 teilt [2]. Die Multifunktionalität von Zytokinen wird häufig inkorrekt als Pleiotropie bezeichnet; diese Bezeichnung sollte in diesem Zusammenhang jedoch keinesfalls angewendet werden.

Genetik, Bildung und Sekretion

IL-6 wird auf dem Chromosomenabschnitt 7p21 kodiert, der Genabschnitt enthält 5 Exons, transkribiert wird ein inaktives Propeptid mit 212 Aminosäuren. Die Transkription wird u. a. über die Transkriptionsfaktoren NF-κB, NFAT, HSF1 und HSF2 induziert.

Von dem Propeptid wird das 184 Aminosäuren lange aktive Interleukin-6 abgespalten. Posttranslational werden verschiedene Isoformen (über Abspaltung von Peptiden, Glykosylierung, Phosphorylierung) erzeugt, deren biologische Bedeutung nicht geklärt ist [3].

Das zirkulierende IL-6 wird von Leber und Nieren ausgeschieden, die Halbwertzeit im Serum liegt im Minutenbereich.

Die Bildung von Interleukin-6 wird durch Prostaglandin-E2 verstärkt.

Regulation der Interleukin-6-Wirkung

Interleukin-6 kann als aktivierender Ligand an zwei Rezeptortypen binden:

  1. an einen membrangebundenen IL-6 Rezeptor (IL-6R), welcher nur auf Leberzellen und Leukozyten vorkommt und seine Signale mithilfe des rezeptorassoziierten, signaltransduzierenden Glykoproteins gp130 weitergibt.
  2. an einen löslichen IL-6 Rezeptor (sIL-6R). Der entstandene IL-6/sIL-6R-Komplex bindet an das in Zellmembranen sehr vieler Zelltypen alleinig vorkommende Glykoprotein gp130 und aktiviert es. Dieser zweite Vorgang heißt "IL-6-trans-signaling". Er ist wichtig für die zahlreichen Zellen, die zwar Gp130 (welches ubiquitär vorkommt) , nicht aber IL-6R auf ihrer Zelloberfläche exprimieren. IL-6-trans-signaling wird durch natürlich vorkommendes lösliches sgp130 gehemmt, welches den IL-6/sIL-6R-Komplex inaktiviert, nicht aber IL-6 alleine und dessen Wirkung auf den membrangebundenen IL-6-Rezeptor.

Diese beiden Wirkmöglichkeiten geben viele Ansatzpunkte für eine differenzierte Regulation der IL-6 Wirkung:

  1. Regulation des IL-6 selbst;
  2. Regulation des sIL-6R: Im Serum Gesunder kommt sIL-6R mit einer Konzentration von 25-35 ng/ml vor und dieser Spiegel steigt signifikant bei verschiedenen Erkrankungen wie u.a. Rheuma, AIDS oder bestimmten Formen der Leukämie an. sIL-6R kann prinzipiell entweder durch Abspaltung des extrazellulären Teils des (auf Leukozyten und Leberzellen) membranständigen IL-6R oder durch besonderes Splicing bei der intrazellulären Bildung des IL-6R entstehen. Ersteres wird z.B. durch C-reaktives Protein oder durch bestimmte Bakterientoxine getriggert. Zweiteres wird z.B. durch Oncostatin-M angeregt[4].
  3. Regulation des löslichen Glykoproteins gp130.

Funktionen

Bei der Aktivierung des Glykoproteins Gp130 durch einen IL-6/sIL-6R-Komplex oder bei der Aktivierung eines IL-6R (an den gp130 assoziiert ist) durch IL-6 wird eine Janus-aktivierte Kinase an dessen Domäne im Zellinneren an einem Tyrosin phosphoryliert, wodurch der JAK-STAT-Signalweg und der MAP-Kinase-Weg aktiviert werden, welcher dann zu der Transkription bestimmter Zielgene in dem Zellkern führt [2] [3].

Traditionell wird Interleukin-6 als Aktivator der Akute-Phase-Proteine und als Lymphozyten stimulierender Faktor angesehen.

Entzündungsreaktion

Bei einer akuten entzündlichen Episode werden zunächst neutrophile Granulozyten rekrutiert, die den Entzündungsherd infiltrieren, dann dort ihre Arbeit vollbringen, recht rasch dabei absterben und dann durch eine mehr andauernde Population von spezifischeren Entzündungszellen wie Lymphozyten und mononukleären Zellen ersetzt werden. Hierbei spielt die Interleukin-6-Wirksamkeit eine wichtige Rolle: Mit dem Grad der Infiltration durch neutrophile Granulozyten steigt die lokale Konzentration von sIL-6R, was das IL-6-trans-signaling im umgebenden Gewebe auslöst. Dies wiederum führt über verschiedene Wege zu einer Begrenzung der Akkumulation neutrophiler Granulozyten im entzündeten Gewebe. Gleichzeitig werden durch das IL-6-trans-signaling CD3+-T-Lymphozyten angelockt [1], was den Übergang der angeborenen Immunantwort zu einer erlernten Immunantwort markiert. Im weiteren ist IL-6 in die Regulation der Apoptose der Leukozyten involviert und zwar mit proapototischen und antiapoptotischen Wirkkomponenten (von denen bisher nicht bekannt ist, wie sie ausbalanciert werden). Auf ruhende und aktivierte T-Lymphozyten wirkt IL-6 antiapoptotisch, ferner reguliert es ihre Differenzierung, Proliferation, Polarisierung und die Immunglobulin G-Sekretion von B-Lymphozyten. Vor allem bei aktivierten T-Lymphozyten ist für die Vermittlung dieser Wirkungen der lösliche sIL-6R notwendig, weil aktivierte T-Lymphozyten in der Regel keine membranständigen IL-6-Rezeptoren haben. Monozyten werden durch IL-6 mehr zu Makrophagen hin differenziert [1].

Wirkung auf Hormonsekretion

IL-6 steigert (in absteigender Reihenfolge) die Sekretion von Kortison, Somatotropin, Glucagon und Adrenalin [3].

Regulation des Interleukin-6 durch Muskelbeanspruchung

Interleukin-6 wird durch kräftige Muskelbeanspruchung – vor allem über längere Zeit (6 Stunden) – ca. 100-fach stärker sezerniert. Das Maxiumum der Ausschüttung findet sich am Ende der Muskelbeanspruchung. Danach fällt die IL-6-Konzentration schnell wieder ab. Das IL-6 kommt dabei teilweise aus den beanspruchten Muskelzellen selbst. Nach längerem Training passt sich der Körper dem an und sezerniert bei gleichbleibender Belastung, sowie in den Belastungspausen weniger Interleukin-6.[3]

Praktische Bedeutung

Die Konzentration von IL-6 im Plasma ist bei Gesunden ca. 1 pg/ml (bzw. 0,001 ng/ml) und kann bei schweren systemischen Infektionen bis auf 1000 pg/ml (bzw. 1 ng/ml) ansteigen. Weniger dramatische Anstiege finden sich bei einer Reihe entzündlicher und infektiologischer Erkrankungen sowie (dosisabhängig) bei Muskelanstrengungen. Insgesamt reagiert IL-6 sehr schnell, seine Halbwertzeit im Serum liegt im Minutenbereich. Diese Eigenschaften macht man sich in der Intensivmedizin zur raschen Beurteilung akuter septischer Krankheitsbilder zunutze.

Eine pathogenetische Rolle von IL-6 wird bei dem metabolischen Syndrom diskutiert, da ein chronisch leicht erhöhtes Serum-IL-6 (um 10 pg/ml) dabei vorkommen kann [3].

Gegen den IL-6-Rezeptor wurden spezifische Antikörper entwickelt, um die IL-6-Wirksamkeit zu blockieren: Tocilizumab, welcher in der Behandlung von Morbus Crohn und bestimmter Formen des Rheumas angewendet werden können.

Interleukin-6 bietet möglicherweise einen neuen Ansatz in der Therapie der Alzheimer-Krankheit. Tierexperimentelle Studien ergaben, dass das Zytokin die Mikroglia zum Abbau von Plaques veranlassen kann.[5]

IL-6 wurde ebenso als möglicher Trigger der Entzündungsreaktion bei schweren Verläufen der akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung identifiziert und wird in Kombination mit anderen Immunmarkern zur Frühdiagnose schwerer Verläufe der Bauchspeicheldrüsenentzünung diskutiert.[6]

Referenzen

  1. 1,0 1,1 1,2 Jones, S.A. (2005): Directing Transition from Innate to Acquired Immunity: Defining a Role for IL-6. J Immunol 175:3463-8.
  2. 2,0 2,1 Heinrich, P.C. et al. (2003): Principles of Interleukin (IL)-6-type signalling and its regulation. Biochem J 374:1-20.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 C. P. Fischer: Interleukin-6 in acute exercise and training: what is the biological relevance? In: Exerc Immunol Rev. Band 12, 2006, S. 6–33; PMID 17201070.
  4. Jones, S. A. et al. (1999): C-reactive Protein: A Physiological Activator of Interleukin-6 Receptor Shedding. J Exp Med 189:599-604.
  5. P. Chakrabarty, K. Jansen-West, A. Beccard, C. Ceballos-Diaz, Y. Levites, C. Verbeeck, A. C. Zubair, D. Dickson, T. E. Golde, P. Das: Massive gliosis induced by interleukin-6 suppresses A deposition in vivo: evidence against inflammation as a driving force for amyloid deposition. In: FASEB J. 24, 2010, S. 548–559 doi:10.1096/fj.09-141754 PMID 19825975.
  6. Z. Dambrauskas, N. Giese, A. Gulbinas, T. Giese, P. O. Berberat, J. Pundzius, G. Barauskas, H. Friess: Different profiles of cytokine expression during mild and severe acute pancreatitis. In: World J. Gastroenterol. 16, 2010, S. 1845–1853 PMID 20397261 PMC 285682.

Weblinks