Tocilizumab

Erweiterte Suche

Tocilizumab

Masse/Länge Primärstruktur ca. 145 kDa
Bezeichner
Externe IDs CAS-Nummer: 375823-41-9
Arzneistoffangaben
ATC-Code L04AC07
Wirkstoffklasse Immunsuppressiva
Verschreibungspflicht Ja

Tocilizumab (Handelsnamen RoActemra® (EU), Actemra® (CH); Hersteller Hoffmann-La Roche) ist ein humanisierter, monoklonaler Antikörper gegen den Interleukin-6 (IL-6)-Rezeptor zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) und der schwersten Form des kindlichen Rheumas, der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis (sJIA; Syn. Morbus Still). Interleukin-6 ist ein Zytokin, das im menschlichen Körper Entzündungsreaktionen reguliert und bei der RA vermehrt produziert wird.

Klinische Angaben

Anwendungsgebiete

Rheumatoide Arthritis

Tocilizumab ist, in Kombination mit Methotrexat (MTX), für die Behandlung erwachsener Patienten mit mäßiger bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis angezeigt, die unzureichend auf eine vorangegangene Behandlung mit einem oder mehreren krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARDs, auch Basistherapeutika) oder Tumornekrosefaktor-(TNF)-Inhibitoren angesprochen oder diese nicht vertragen haben. Tocilizumab kann bei diesen Patienten als Monotherapie verabreicht werden, falls eine MTX-Unverträglichkeit vorliegt oder eine Fortsetzung der Therapie mit MTX unangemessen erscheint.[1] Tocilizumab ist außerdem in Kombination mit MTX zur Verminderung des Fortschreitens der radiologisch nachweisbaren strukturellen Gelenkschädigungen und Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit zugelassen.[2]

Systemische juvenile idiopathische Arthritis (sJIA)

Tocilizumab ist zur Behandlung der juvenilen idiopathischen Arthritis (sJIA, Morbus Still) bei Kindern ab zwei Jahren zugelassen. Die Genehmigung durch die amerikanische FDA ist im April 2011 erfolgt. Die europäische Kommission (EMA) hat die Zulassung im August 2011 erteilt.

Tocilizumab kann als Monotherapie verabreicht werden, wenn eine MTX-Unverträglichkeit vorliegt oder eine Therapie mit MTX unangemessen scheint. Die Zulassung in Europa basiert maßgeblich auf den Ergebnissen der TENDER-Studie.[3]

Wirksamkeit

Der Botenstoff Interleukin-6 (IL-6) bindet an lösliche IL-6-Rezeptoren sowie an IL-6 Rezeptoren, die an die Zellmembran gebunden sind. Dadurch werden Entzündungssignale ins Zellinnere geleitet, die für die RA und JIA mitverantwortlich sind. Tocilizumab bindet an die IL-6 Rezeptoren und verhindert so die Bindung des IL-6 an seinen spezifischen Rezeptor. Durch die Hemmung des IL-6 Signalweges wird die Entzündungsreaktion unterbrochen, und die Symptome werden reduziert oder behoben. Bei verschiedenen vorbehandelten Patienten mit RA war Tocilizumab in Monotherapie oder in Kombination mit Methotrexat (MTX) und anderen DMARDs wirksam: Rund 30 % der Patienten in den Phase-III-Studien erreichten innerhalb von 24 Wochen eine Remission, also ein fast vollständiges Nachlassen der Krankheitssymptome.[4][5][6]

Die Wirksamkeit bei der sJIA wurde bei Tocilizumab in der zulassungsrelevanten Studie TENDER untersucht. Nach 12 Wochen erreichten 85 % der Patienten eine 30%iges Ansprechen auf die Therapie nach ACR-Pedi-Kriterien bei gleichzeitiger Fieberfreiheit.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Die Behandlung sollte nur durch einen in der Diagnose und Behandlung der RA und JIA erfahrenen Arzt begonnen werden. Patienten, die mit Tocilizumab behandelt werden, sollten den Patientenpass erhalten. Die empfohlene Dosierung in der RA beträgt 8 mg/kg Körpergewicht pro Infusion alle vier Wochen. Für Personen über 100 kg Körpergewicht werden Dosierungen über 800 mg pro Infusion nicht empfohlen. Dosierungen von mehr als 1,2 g wurden in klinischen Prüfungen nicht untersucht. Die Infusionsdauer beträgt etwa eine Stunde.[1]

Zur Behandlung der sJIA ist Tocilizumab in einer Dosierung von 8 mg/kg Körpergewicht alle zwei Wochen bei Kindern ≥ 30 kg oder in einer Dosierung von 12 mg/kg Körpergewicht bei Kindern unter 30 kg einzusetzen.

Nebenwirkungen

Bei der Behandlung mit Tocilizumab können folgende unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) auftreten:[1]

  • Infektionen der Atemwege oder Herpesinfektionen
  • andere schwere Infektionskrankheiten
  • Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, wie z. B. Magenschleimhautentzündungen oder Entzündungen der Mundschleimhaut
  • Hautausschlag
  • Medikamentinduzierter Kopfschmerz
  • Schwindel
  • Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Erhöhte Leberwerte
  • Leukopenie, Neutropenie

Schwangerschaft und Stillzeit

Es liegen keine hinreichenden Daten zur Verwendung von Tocilizumab bei Schwangeren vor. Demnach ist das potentielle Risiko für Menschen nicht bekannt. Eine tierexperimentelle Studie hat bei einer hohen Dosierung ein erhöhtes Risiko für Spontanaborte/embryonal-fetalen Tod gezeigt. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung und sechs Monate danach eine wirksame Verhütung betreiben. Tocilizumab sollte nicht während einer Schwangerschaft verwendet werden, es sei denn, ein Facharzt rät ausdrücklich dazu.[1] Es ist nicht bekannt, ob Tocilizumab in die Muttermilch übergeht. Entsprechende Tierstudien wurden nicht durchgeführt. Die Entscheidung für oder gegen das Stillen bzw. Tocilizumab sollte mit dem Arzt hinsichtlich des Nutzens und der Risiken abgewogen werden.[1]

Geschichtliches

Bereits in den 1980er Jahren erforschte der japanische Wissenschaftler Tadamitsu Kishimoto die Eigenschaften von Interleukin-6. 1997 wurde in Japan mit der klinischen Entwicklung des IL-6-Rezeptorblockers Tocilizumab zur Therapie der Rheumatoiden Arthritis, des Morbus Castleman (2001), der systemischen, juvenilen idiopathischen Arthritis (2002) und anderer chronisch entzündlichen Erkrankungen begonnen. Hersteller von Tocilizumab ist das japanische Pharmaunternehmen Chugai, der Lizenzinhaber weltweit (außer in Japan, China, Taiwan) ist Roche. Die Vermarktung des Präparats in Deutschland (ebenso wie in Frankreich und Großbritannien) erfolgt von Chugai und Roche gemeinsam.[7]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 RoActemra: Zusammenfassung des Arzneimittels auf der Website der Europäischen Arzneimittelagentur (PDF, 514 kB), Abgerufen am 4. August 2011.
  2. Fleischmann RM et al., ACR 2009: Poster FRI0205: LITHE: Tocilizumab Inhibits Radiographic Progression and Improves Physical Function in Rheumatoid Arthritis (RA) Patients (Pts) at 2 Yrs with Increasing Clinical Efficacy Over Time
  3. Benedetti F et al., Ann Rheum Dis 2010; 69 (Suppl 3): 146: Tocilizumab in Patients With Systemic Juvenile Idiopathic Arthritis: Efficacy Data From the Placebo-Controlled 12-Week Part of the Phase 3 TENDER Trial
  4. Emery P et al., Ann Rheum Dis 2008;67:1516-23: IL-6 receptor inhibition with tocilizumab improves treatment outcomes in patients with rheumatoid arthritis refractory to antitumour necrosis factor biologicals: results from a 24-week multicentre randomised placebo-controlled trial.
  5. Genovese MC et al., Arthritis Rheum 2008; 58(10):2968-80: Interleukin-6 receptor inhibition with tocilizumab reduces disease activity in patients with rheumatoid arthritis with inadequate response to disease-modifying antirheumatic drugs: the tocilizumab in combination with traditional disease-modifying antirheumatic drug therapy study.
  6. Jones G et al.,Ann Rheum Dis 2009: Online 17 March 2009. doi:10.1136/ard.2008.105197: Comparison of tocilizumab monotherapy versus methotrexate monotherapy in patients with moderate to severe rheumatoid arthritis: the AMBITION study.
  7. http://www.krankenpflege-journal.com/rheuma/768-die-entwicklung-von-tocilizumab-medizinischer-fortschritt-auf-basis-einer-erfolgreichen-kooperation-von-chugai-und-roche.html

Weblinks

Gesundheitshinweis Bitte den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!

cosmos-indirekt.de: News der letzten Tage