Hydraulik
Hydraulik (griechisches substantiviertes Adjektiv υδραυλική [τέχνη] hydrauliké [téchne] „die hydraulische [Technik]“ von altgriechisch ὕδωρ hýdor „das Wasser“ und αὐλός aulós „das Rohr“) ist die Lehre vom Strömungsverhalten der Flüssigkeiten. In der Technik wird darunter die Verwendung von Flüssigkeit zur Signal-, Kraft- und Energieübertragung verstanden.
Geschichtliche Entwicklung
Als Begründer der technischen Hydraulik gilt der Engländer Joseph Bramah. Im Jahr 1795 entwickelte er eine mit Druckwasser betriebene hydromechanische Maschine, die nach dem hydrostatischen Gesetz von Blaise Pascal arbeitete und die eingebrachte Kraft 2034fach vergrößerte. 1851 entwickelte William G. Armstrong den Gewichtsakkumulator, einen Speicher, mit dessen Hilfe große Volumenströme erzeugt werden konnten. Die London Hydraulic Power Company nahm 1882 eine zentrale Druckwasserversorgung für mehrere Hydraulikanlagen in Betrieb.
1905 gilt als der Beginn der Ölhydraulik, als Harvey D. Williams und Reynold Janney erstmals Mineralöl als Übertragungsmedium für ein hydrostatisches Getriebe in Axialkolbenbauart mit Taumelscheibe, das sie bei einem Druck bis zu 40 bar einsetzten. Hele-Shaw entwickelte 1910 die erste brauchbare Radialkolbenmaschine. 1929 erhielten die Ingenieure Hans Thoma und Heinrich Kosel ein Patent auf eine Axialkolbenmaschine in Schrägachsenbauart.[1] Die erste Servolenkung entwickelte Harry Vickers (um 1925), das erste vorgesteuerte Druckventil entwickelte er 1936. Jean Mercier baute 1950 in größerem Umfang die ersten hydropneumatischen Druckspeicher. Für die Entwicklung der Servo-Hydraulik waren Arbeiten von John F. Blackburn, Shih-Ying Lee und Jesse Lowen Shearer von Bedeutung, die 1958 in den USA erschienen sind.
Prinzip
Hydraulik ist in der Technik eine Getriebeart – alternativ zu mechanischen, elektrischen und pneumatischen Getrieben, d. h. sie dient zur Leistungs-, Energie- oder Kraft-/Momentenübertragung von der Arbeitsmaschine (Pumpe) zur Kraftmaschine (Kolben bzw. Hydraulikmotor), wobei die Leistungsparameter auf die Forderungen der Kraftmaschine angepasst werden. In der Hydraulik erfolgt die Leistungsübertragung durch die Hydraulikflüssigkeit, in der Regel spezielles Mineralöl, in zunehmendem Maß aber auch durch umweltverträgliche Flüssigkeiten, wie Wasser oder spezielle Ester oder Glykole. Die übertragene Leistung ergibt sich aus den Faktoren Druck und Fluidstrom. Zu unterscheiden sind:
- hydrodynamische Antriebe arbeiten mit einer Pumpe und einer Antriebsturbine. Die Drehzahl- und Drehmomentwandlung geschieht über die kinetische Energie der Flüssigkeit.
- Viskokupplungen übertragen Leistung durch viskose Reibung zwischen rotierenden Scheiben.
- hydrostatische Antriebe wandeln primärseitig die mechanische Leistung der Kraftmaschine (E-Motor; Diesel) durch eine Pumpe (Arbeitsmaschine) in hydraulische Leistung um. Diese Leistung wird in Verbrauchern (Kraftmaschine) wieder in mechanische Leistung umgeformt und zwar in Hydraulikzylindern in eine lineare Bewegung oder Hydromotoren in eine Drehbewegung. Hydrostatische Antriebe sind häufig die energetisch optimale Getriebeart, wenn eine stufenlose Verstellung der abtriebsseitigen Geschwindigkeit erforderlich ist.
Durch das Einleiten von unter Druck stehender Flüssigkeit im Zylinder werden die darin befindlichen Kolben und Kolbenstangen in lineare Bewegung versetzt, die für Arbeitsvorgänge und zum Antrieb von Maschinen ausgenutzt wird. Auch rotierende Antriebe können durch Flüssigkeitsdruck realisiert werden, etwa mit dem Hydraulikmotor.
Hydraulische Systeme ähneln prinzipiell den Antrieben der Pneumatik, bei der Druckluft zur Kraft- und zur Signalübertragung verwendet wird, haben aber davon abweichende Eigenschaften. So wird in der Ölhydraulik immer ein Kreislauf des Fluids benötigt (Hin- und Rücklauf), während in der Pneumatik die Abluft - meist über einen Schalldämpfer - in die Umgebung abgeblasen wird. Nur bei der Wasserhydraulik wird gelegentlich auf Kreisläufe verzichtet. Gegenüber der Pneumatik hat die Hydraulik den Vorteil, dass wesentlich höhere Kräfte übertragen werden können und sehr gleichförmige und exakte Fahrbewegungen möglich sind, da die Verdichtung der Hydraulik-Flüssigkeit so gering ist, dass sie bei technischen Anwendungen kaum beeinträchtigend wirkt.
Vorteile
Die weite Verbreitung in vielen Industriezweigen verdankt die Hydraulik folgenden Vorteilen:
- Die aufgelöste Bauweise, d. h. die flexible Verbindung zwischen An- und Abtrieb und eine optimale konstruktive Anpassung an Raumvorgaben. Als Verbindung zwischen Motor und Pumpe dienen Rohr- und Schlauchleitungen, die weitgehend frei verlegbar sind. Bei mechanischen Antrieben hingegen ist es notwendig, eine direkte Verbindung zwischen Motor und Getriebe und weiter zu Differential über z. B. eine Kardanwelle, Hardyscheibe, Gelenkscheibe oder eine Kette herzustellen. Daher ist dort die Position des Getriebes durch die Position des Motors weitgehend festgelegt.
- stufenlose Geschwindigkeitsstellung des Abtriebes in sehr weiten Grenzen, einfache Umkehr der Bewegungsrichtung
- Erzeugung linearer Abtriebsbewegungen mit einfachen technischen Bauelementen bei sehr hohen Wirkungsgraden
- einfache Erzeugung sehr großer Kräfte und Drehmomente
- sicherer und schnell wirkender Überlastungsschutz durch Druckbegrenzungsventil
- hohe Leistungsdichte, d. h. vergleichsweise kleine Bauelemente für große Leistungen vor allem im Vergleich zu Elektromotoren
- Realisierung parallel arbeitender translatorischer oder rotatorischer Abtriebselemente (Hydraulikzylinder oder Hydromotoren) mit einem Primärteil (Pumpe) in einem gemeinsamen System, dabei ergibt sich die Wirkung eines Differentials ohne weiteren Aufwand.
- hohe Lebensdauer, da das Fluid selbstschmierend ist und als Kühlmedium dienen kann
- einfache Regelungskonzepte zur optimalen Ausnutzung des Antriebsmotors bei stark variierenden Leistungsanforderungen der Arbeitsmaschine.
- Hohe Stellgenauigkeit
- Gleichförmige Bewegungen wegen der geringen Kompressibilität der Hydraulikflüssigkeit
- Standardisierung durch Anwendung von genormten Bauteilen, Anschlussmaßen, Einbauräumen usw.
- Einfache Anzeige der Belastung durch Druckmessgeräte
- Niedrige Induktivität der Hydromotoren und Zylinder
- Anfahren aus dem Stillstand bei Volllast
- Schnell (aber langsamer als Pneumatik), feinfühlig, gleichförmig und stufenlos verstellbare Zylinder- und Motorgeschwindigkeiten.
- Reibung in den Aktoren ist durch hydraulische Öle vermindert.
- Korrosionsschutz durch Hydraulikflüssigkeit (außer Wasser)
Nachteile
- Nachteilig bei hydraulischen Antrieben ist die Elastizität des Fluids, die unter Druck zur Kompression führt. Hieraus entstehen u. U. Druck- bzw. Bewegungsschwingungen. Diese Problematik wirkt sich aber nur bei Antrieben mit hohen Anforderungen an die Gleichförmigkeit der Geschwindigkeit bei stark wechselnden Lasten aus, z. B. Vorschubantriebe an Werkzeugmaschinen. Hier muss mittels flexibler Kupplungen gegengesteuert werden, was die Kosten steigert.
- Hohe Anforderung an die Filtrierung der Hydraulikflüssigkeit
- Schaltgeräusche der Ventile
- Gefahr von Leckagen, Leckölverluste
- Temperaturabhängigkeit der Hydrauliköle, (Viskosität und Kraftaufwand erhöhen sich bei sinkenden Temperaturen)
- Strömungsverluste, welche in Wärme umgesetzt werden und die Anlage aufheizen. (Energieverlust)
- Schwingungsneigung durch Druckstöße und damit verbundene Geräuschentwicklung.
Anwendungen
Wegen ihrer spezifischen Vorteile werden Hydraulik-Antriebe häufig bei mobilen Arbeitsmaschinen wie Baumaschinen oder Landmaschinen verwendet. Hier erfolgt das Heben und Senken von Lasten (Gabelstapler, Bagger, Aufzüge, Fahrzeugkrane etc.) vor allem durch linear bewegliche Hydraulikzylinder
Fahrzeuge werden oft mit rotierenden hydraulischen Getrieben bzw. Flüssigkeitswandlern angetrieben, beispielsweise mit so genannten Schrägachsen- und Schrägscheibenmaschinen, mit denen hohe Leistungen übertragen werden können. Das Besondere daran ist, dass die Hydraulikgetriebe die Bewegung eines unflexibel bzw. mit festgelegter Drehzahl arbeitenden Motors flexibler an die Betriebsbedingungen anpassen können, wie vor allem bei Diesellokomotiven.
Weitere typische Anwendungsbeispiele sind:
- Hydraulikschrauber und Bolt Tensioners zur Schraubenvorspannung
- Aufzüge mit geringer Hubhöhe, aber hoher Zuladung
- Kraftfahrzeuge und muskelgetriebene Zwei- und Dreiräder diverser Bauart: Bremsen (Bremsflüssigkeit, auch bei Fahrrad), Servolenkung, Fahrwerksregelung, Cabrioverdecke
- Verbrennungsmotor: Nockenwellenverstellung, Ventilbetätigung, Betätigung von Einspritzeinheiten
- Flugzeug: gesamte Steuerung der Flügelklappen sowie Ein- und Ausfahren des Fahrwerks
- Gleisbremsen im Rangierbahnhof
- Landwirtschaft bei Traktoren, um Anbaugeräte zu heben, anzutreiben oder zu steuern
- Kfz: Fahrzeuge werden mit Hilfe einer Hebebühne angehoben
- Bagger: hydraulischer Antrieb aller Arbeitsgeräte einschließlich Dreh- und Fahrwerk
- Mobilkrane: hydraulischer Antrieb der Teleskopmasten, Hub- und Windwerk,
Drehwerk, Abstützung, Lenkung sowie teilweise Fahrantrieb Flurförderzeuge,
z. B. Gabelstapler: alle Bewegungen einschl. Fahrantrieb und Lenkung - Traktoren: Kraftheberpaket mit Lageregler für die Arbeitsgeräte; Lenkhydraulik
- Forstmaschinen: Hydrostatische Fahr- und Arbeitsantriebe
- Nutzfahrzeuge: Kipphydraulik; Ladebordwände; Lenkhilfen (Servolenkung); Kupplungs- und Bremsenbetätigung; hydrostatischer Fahrantrieb an der Vorderachse (MAN)
- Panzer und Fregatten: Hydrostatische Überlagerungslenkung, Servohydraulische Richtantriebe für die Hauptwaffe beziehungsweise für die Geschütztürme
- Werkzeugmaschinen: Haupt- und Hilfsbewegungen an Pressen, Scheren und Abkantmaschinen; Vorschubbewegung an Schleifmaschinen, Betätigungsfunktionen wie Werkzeugwechsler, Werkstück- und Werkzeugspannung und Achsenklemmung an allen spanenden Werkzeugmaschinen.
- Metallurgie: Antriebe an Elektro- und Hubbalkenöfen; Stranggießanlagen; Chargier- und Kühlbetten
- Walzwerke: Walzspaltregelungen (Regelung der Dicke des gewalzten Materials mittels sog. hydraulischen Anstellzylindern); alle Hilfsbewegungen für die Zuführung des Walzgutes; Richt- und Scherantriebe;
- Stellantrieb: Elektrohydraulische Regelung von Fluiden (Druck, Durchfluss) in der Verfahrenstechnik, Kraftwerke, Pipelines
- Bergbau: Zylinder im Schreitausbau, hydrostatische Antriebe in Gewinnungsmaschinen und Vortriebsmaschinen
- allgemein: Hydraulikstempel zum Bewegen schwerer Lasten z. B. in der Baubranche zum Vorschub und Einbau von Brückenträgern und sonstigen schweren Fertigteilen, bei Schwerlasttransporten oder auch als Rettungsgerät bei THW und Feuerwehr.
- Automobilzulieferer: Zum Tiefziehen von Motorhauben, Kotflügeln oder anderen Karosserieteilen.
Beispiel hydraulische Handpresse
Durch die hydraulischen Presse kann mit geringer körperlicher Kraft eine große Kraftwirkung erzielt werden. Durch manuelles Pumpen am Pumpkolben (2) eines Kfz-Wagenhebers kann am Presskolben (3) eine tonnenschwere Last gehoben werden.
Funktionsbeschreibung: Wird der Pumpkolben (2) nach unten gedrückt, schließt das Ventil (4) und das Ventil (5) öffnet, damit strömt Hydrauliköl in den Presszylinder. Der Presskolben (3) hebt sich. Wird der Pumpkolben nach oben bewegt, öffnet das Ventil (4) und das Ventil (5) schließt. Dadurch kann aus dem Vorratsbehälter (1) Hydrauliköl nachfließen. Wirkt auf den Pumpkolben mit einer Fläche von 0,5 cm² eine Kraft von 100 N (entspricht einer aufgelegten Masse von etwa 10 kg), ergibt das einen Druck von
- $ p={\frac {F}{A}}={\frac {100\,\mathrm {N} }{0{,}00005\,\mathrm {m} ^{2}}}=2\,000\,000\,{\frac {\mathrm {N} }{\mathrm {m} ^{2}}}=2\,000\,000\,\mathrm {Pa} =20\,\mathrm {bar} $
Dieser statische Druck wirkt auch im Presszylinder. Hat der Presskolben eine Fläche von 40 cm² wirkt auf ihn eine Kraft von
- $ F=p\cdot A=2\,000\,000\,\mathrm {Pa} \cdot 0{,}004\,\mathrm {m} ^{2}=8\,000\,\mathrm {N} $,
womit man etwa 800 kg hochheben kann. Um den Presskolben gegen diese Last um einen Zentimeter nach oben zu drücken, muss ein Volumen von 40 cm³ bewegt werden. Dazu sind mehrere Pumphübe von zusammen 80 cm notwendig. Die hydraulische oder Druckenergie beträgt
- $ E=p\cdot V=2\,000\,000\,\mathrm {Pa} \cdot 0{,}00004\,\mathrm {m} ^{3}=80\,\mathrm {J} $.
Diese Energie ist gleich der Arbeit, die am Pumpkolben aufgewendet und vom Presskolben verrichtet wird:
- $ E=F\cdot s=100\,\mathrm {N} \cdot 0{,}8\,\mathrm {m} =8\,000\,\mathrm {N} \cdot 0{,}01\,\mathrm {m} =80\,\mathrm {J} $
Schaltsymbole und Schaltungen
Ein Schaltplan ist der Plan einer hydraulischen Anlage. Die Bauteile sind durch genormte Symbole dargestellt. Diese Pläne sind Teil der zu jeder Anlage erforderlichen Dokumentation, wichtig insbesondere zum Erstellen und Warten der Anlage. Die Liste der Schaltzeichen (Fluidtechnik) enthält eine umfangreiche Aufstellung von Symbolen für Hydraulik und Pneumatik, so Schaltzeichen für Speicher, Filter, Pumpen und Kompressoren, Zylinder und Ventile.
Schaltpläne können individuell, firmenspezifisch oder nach Normen (DIN ISO 1219) erstellt werden. Sie können Teile wie z. B. Arbeits- und Steuerschaltkreise, die Schritte des Arbeitsablaufs, die Bauteile der Schaltung mit ihrer Kennzeichnung sowie die Leitungen und Verbindungen darstellen. Die räumliche Anordnung der Bauteile wird in der Regel nicht berücksichtigt.
Ein Symbol zeigt ausschließlich die Funktion eines Bauteiles/Gerätes, es sagt nichts über den konstruktiven Aufbau und Einbaulage der Hydraulik-Komponenten aus. Symbole werden einfarbig dargestellt, und im Normalfall werden sie unbetätigt, stromlos bzw. in Ausgangsstellung dargestellt. Zur Modellierung können Beziehungen wie die Elektro-Hydraulische Analogie verwendet werden.
Einzelnachweise
Siehe auch
- Strömungsgetriebe
- Wasserhydraulik
Literatur
- Horst Beer: 100 Jahre Entwicklung und Einsatz der Hydraulik im Osten Deutschlands. Ein Beitrag zur Technik- und Industriegeschichte. GNN-Verlag, Schkeuditz 2008, ISBN 978-3-89819-240-8.
- H. Exner, R. Freitag, H. Geis, R. Lang. J. Oppolzer: Der Hydraulik Trainer. Band 1: Hydraulik – Grundlagen und Komponenten. . 3. überarbeitete Auflage. Herausgegeben von Bosch Rexroth AG. Mannesmann Rexroth, Lohr 2002, ISBN 3-933698-30-8.
- D. Merkle, K. Rupp, D. Scholz: Elektrohydraulik. Grundstufe. Springer, Berlin u. a. 1997, ISBN 3-540-62087-7.
- D. Merkle, B. Schrader, M. Thomes: Hydraulik. Grundstufe. Springer, Heidelberg u. a. 1997, ISBN 3-540-62091-5.
- Dieter Will (Hrsg.): Hydraulik. Grundlagen, Komponenten, Schaltungen. 3. neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Springer-Verlag, Berlin u. a. 2007, ISBN 978-3-540-34322-6.