Hausstaub

Hausstaub

Staubflocken
Raumnetz der Zitterspinne
Saharastaub über Kufstein/Tirol am 22. Februar 2004
Sandverfrachtung aus der Sahara, dieser Wind wird auf den Kanarischen Inseln als Calima bezeichnet, siehe dazu auch Äolischer Transport
Hausstaubmilbe, 0,1 bis 0,5 mm groß

Hausstaub ist die Sammelbezeichnung für partikel- und faserförmige Immissionen in geschlossenen Räumen. Er ist eine Mischung unterschiedlichster anorganischer und organischer Stoffe, die auch von den jeweiligen Lebensbedingungen (z. B. das Vorhandensein eines Haustieres) abhängig ist, beispielsweise:

  • Hautschuppen (von Menschen und Tieren)
  • Fasern und Fussel (z. B. von Kleidung, Wollteppichen, Bezugsstoffen von Sofas, Sesseln und Stühlen, Wolldecken, Bettwäsche)
  • Haare (von Menschen und Tieren)
  • Pflanzenteilchen (Pollen, Blattpartikel, Blütenpartikel, Samen)
  • tote und lebende Hausstaubmilben und deren Kot
  • lebende und tote Bakterien, Viren, Schimmelpilze, Rädertierchen
  • Spinnweben der Zitterspinne und Reste ihrer Beutetiere
  • Überreste (tote Körper, Häutungsreste, Kot) von sonstigen Kleinstlebewesen des „Habitats Wohnraum“ (wie beispielsweise Weberknechte, Bärtierchen, Fischchen oder Staubläuse)
  • Schadstoffe (z. B. Weichmacher aus Teppichböden
  • Gesteinskörnchen, beispielsweise
    • Straßenabrieb (von draußen mit den Schuhen hereingetragen)
    • verfrachteter Staub aus Vulkanausbrüchen, der Erosion von Gesteinen und der Deflation (Sandverwehungen, Saharastaub)
    • kosmischer Staub
  • Feinstaub, als dessen Quellen werden noch genannt

Zusammengeballte Staubansammlungen des Hausstaubs werden in Deutschland auch Staubmaus oder Wollmaus, in Österreich auch Lurch genannt. Die Staubmaus oder der Lurch „leben“ vor allem unter Schränken oder Betten und werden oft als leichtes und daher bei Luftzug sich rasch bewegendes Objekt wahrgenommen.

Staubquellen

Hausstaub findet sich in jeder Wohnung. Durchschnittlich bilden sich täglich rund sechs Milligramm Staub pro Quadratmeter.[1] Bei einer durchschnittlichen Wohnfläche von 44 m²/Person und einer Bürofläche von 15 m²/Person entstehen jährlich rund 130 g Hausstaub pro Person. Da Hausstaub aus vielen Stoffen bestehen kann, sind auch die Quellen vielfältig.

Da Staub ein natürlicher Bestandteil der Luft ist, gelangt Staub auch durch das geöffnete Fenster in die Wohnung. Doch auch der Mensch selbst ist eine Staubquelle: Die oberste Hautschicht erneuert sich ständig, die abgestorbenen Hautzellen (ca. ein bis zwei Gramm täglich) gelangen in die Luft, steigen mit der warmen Luft in der Mitte des Zimmers nach oben und sinken mit der kühleren Luft in Wandnähe wieder herab. Deshalb sind Bücherregale, Bilderrahmen und Leisten oben und in Wandnähe staubiger als Möbel in der Mitte des Raumes. Diese Hausstaubfraktion auf Möbeln besteht meist zu 80 Prozent aus Hautschuppen.

Mit den Schuhen trägt man feinste Staubpartikel in die Wohnung. Diese stammen aus den unterschiedlichsten Quellen (s. Staub). Durch die diversen Tätigkeiten in einer Wohnung (gehen, arbeiten, schlafen) verursacht der Mensch auch Abrieb an Teppichen, Polstermöbeln oder anderen Wohnungseinrichtungsgegenständen, die ebenfalls zur Staubbelastung beitragen.

Überall, wo organisches Material wie Hautschuppen, Pflanzenteilchen, Essenskrümel usw. vorkommt, finden sich auch Mikroorganismen wie Bakterien, Milben, Schimmelpilze, die von diesen Stoffen leben. Diese Mikroorganismen sind – wie auch der Staub – natürlicher Bestandteil der Luft. Insbesondere den Hausstaubmilben und den Schimmelpilzen kommt eine gewisse Bedeutung zu, da die Ausscheidungen der Hausstaubmilbe bzw. die Sporen der Schimmelpilze bei einigen Menschen zu allergischen Reaktionen führen (Hausstauballergie, Schimmelpilzallergie). Die höchste Konzentration von Hausstaubmilben findet sich meist in Kopfkissen, weil reichlich Hautschuppen als Futter sowie viel Wärme und Feuchtigkeit vom Kopf des Schlafenden geboten werden. Allein durch Atmen scheidet der Mensch pro Nacht 250–400 ml Wasser aus. Ein milbenfreies Kopfkissen gibt es daher nicht. Selbst gereinigte Kissen enthalten einige Zehntausend der 0,3 mm großen Milben. Jahrelang ungewaschene Kissen (wenn nur der Bezug gewaschen wird) enthalten bis zu 400.000 Milben. Da Milben nur gut sechs Wochen leben, können die lebenden und toten Milben in solch einem jahrelang nicht gewaschenen Kissen bis zu 10 % seines Gesamtgewichts ausmachen. Eine Hausstaubmilbe produziert ca. 20 Kotkügelchen am Tag. In ihrem ca. sechswöchigen Leben summiert sich das Gewicht der Kotbällchen auf das 200-fache des Eigengewichts der Milbe. Ein Teelöffel voll Schlafzimmerstaub enthält im Schnitt fast 1000 Milben und 250.000 winzigste Kotkügelchen. Diese verbleiben aufgrund ihrer Leichtigkeit und Form weniger in den Kissen als tote Milben, sondern werden überwiegend in die Luft geschüttelt.[2]

Eine im Jahr 2009 veröffentlichte Untersuchung[3] deutet darauf hin, dass die Messung des Ergosteringehalts im Hausstaub als Schnellmethode für die Bestimmung der Schimmelpilzbelastung in Innenräumen verwendet werden kann.

Zusammenballungen

zusammengeballte (aggregierte) Fasern und Partikel

Eine einheitliche deutsche Bezeichnung hat sich nicht herausgebildet, neben Staubmaus findet man verbreitet Staubflocken, Wollmaus, Mullen (vgl. aber Mull), Lurch, Staubgewölle, Staubflusen, Staubflankerln (in Wien, Kärnten), Lei(n)wisch (in Salzburg, Tirol), (Staub-)Wuggal oder Wauggel (Bayern/Salzburg), Mutzeln (Vgtl./Sachsen), (Staub-)Moggeln (Schwaben), bei der Bundeswehr auch NATO-Maus. In Norwegen ist für eine Wollmaus die Bezeichnung hybelkanin („Wohnungskaninchen“) gebräuchlich. Auf Finnisch sagt man villakoira („Wollhund“), was aber auch den Pudel bedeutet. In den User Friendly Comics wird die englische Bezeichnung Dust Puppy („Staubhündchen“) für eine animierte Staubmaus verwendet, ansonsten ist im amerikanischen Sprachgebrauch Dust Bunny („Staubhäschen“) verbreitet. Letzteres wird auch gern als augenzwinkernde Ermahnung für die Kinder eingesetzt, dass sie ihr Zimmer säubern sollen, sonst werden die Staubhäschen bald herumspuken.

Entstehung

Zusammenballungen entstehen dadurch, dass Wind bzw. ein Luftzug über eine verstaubte Fläche gleitet. Dabei werden kleine Flocken abgelöst, die sich dann zu immer größeren Ballen zusammenfinden, die eine Größe von mehreren Zentimetern erreichen können. Insbesondere unter Schränken und Betten gibt es so einen flachen Luftzug, der den Prozess antreiben kann. Es spielt aber auch die elektrostatische Aufladung, insbesondere bei Kunstfasern und starker Sonneneinstrahlung, sowie begünstigt durch trockene Luft in geheizten Räumen, eine Rolle.

„Lurch“

Lurch ist die österreichische Bezeichnung für zusammengeballten Hausstaub, wie er sich etwa unter Möbeln ansammelt[4][5]. Die Bezeichnung Lurch ist im Österreichischen Wörterbuch erklärt[6].

Auch in der Verarbeitung der Fäden in Spinnereien oder Webereien werden die Abriebe der Fäden als Lurch bezeichnet, der mit Öl der Maschinenschmierung getränkt zu einer großen Brandgefahr führen kann.

der „Lurch“ findet sich auch in der Literatur

„… der Lurch ist schon so dick, daß man ihn riecht, / und von der Küche reden wir erst nicht.“

Josef Weinheber: Wien wörtlich, S. 82.

„Was ist das? Das ist der Lurch. Was heißt das?“

Brigtte Schwaiger: Liebesversuche: kleine Dramen aus dem österreichischen Alltag. Verlag Langen Müller, 1989

„Dann erst folgte die Schaufel. Lurch, Staub und Brotkrümel kamen darauf.“

Thomas Northoff: Stets ein leichtes Hungergefühl, Roman. Verlag Hannibal, 1981

„Sie schminkte sorgfältig das fremde Gesicht und entfernte den Lurch und Staub weit aus den Haaren und die Spinnweben.“

Otto Breicha: Protokolle. Kulturamt Wien, Museum des 20. Jahrhunderts. Verlag Jugend und Volk 1971

„Lurch“ in Journalismus und Werbung

„… oder für Institutionen wie die Vatikanbank, einzelne Öl-Multis und Entwicklungshilfeorganisationen: schöne Teppiche, darunter der Lurch.“. Helmut A. Gansterer in: profil, 29. Mai 2000, S. 160.

„Bei uns daheim sind denn auch die Fronten soweit geklärt: Er sieht den Staub und den Lurch und die Schlieren und Flecken einfach nicht, behauptet meine bequemere Hälfte.“. Eva Seyfried in: Wiener Journal, 4/1997, S. 12.

„Gegen den ‚Lurch‘ – die Staubzusammenballungen unter Kästen & Co. – hilft der Staubsauger.“. In: Kleine Zeitung, 17. Oktober 2000, S. 80.

Legendär geworden ist der Werbeslogan einer Staubsaugerwerbung der 1970er Jahre: „… frißt den Staub und nicht den Teppich“[7], der auch im journalistischen Gebrauch Eingang gefunden hat.[8]

Gefahren durch elektrischen Strom

Schaltkästen sind von Staubzusammenballungen freizuhalten, da sonst Brandgefahr besteht.[9][10] Ebenfalls trifft dies auf alle wärmeabstrahlenden Geräte, wie Fernsehgeräte, Stereoanlagen, Computer, etc. zu, in denen sich durch elektrostatische Aufladung Staub und Fasern ansammeln. Dies kann von einfachen Geräteausfällen bis zu Brand führen.[11][12]. Vielfach bilden sich nach einiger Zeit Zusammenballungen in den Verkabelungen hinter dem Computer. Wenn diese Flocken in den Ansaugstrom eines Lüfters kommen, kann dieses zu einer erheblichen Beeinträchtigung (Kühlungsprobleme) führen und in weiterer Folge sogar Hardwareschäden verursachen.

Schadstoffe im Hausstaub

Die Luft enthält zahlreiche Schadstoffe, die sich leicht an Staubpartikel und damit auch an Hausstaub binden können. Die Schadstoffe in der Wohnungsluft können sowohl aus externen (beispielsweise kann an einer viel befahrenen Straße die Schadstoffkonzentration sehr hoch sein) als auch aus internen Quellen (Teppiche, Möbel, Holzvertäfelungen, Drucker, etc.) stammen. In Abhängigkeit von der Luftbelastung lassen sich in Hausstaub unterschiedlichste Schadstoffe nachweisen, beispielsweise:

Eine ausführliche Studie über die Belastung von Hausstaub mit Schadstoffen hat beispielsweise das österreichische Umweltbundesamt veröffentlicht.[13]

Mehr darüber siehe Schwarzstaub.

Schwarzstaub

Treten in einer Wohnung plötzlich großflächig schwarze Ablagerungen auf, spricht man vom Phänomen der „schwarzen Wohnungen“. Die schwarzen Wandfärbungen können verschiedene Ursachen haben, die sich gegenseitig auch überlagern können. Schwarzstaub (englisch „magic dust“) wird wahrscheinlich durch schwerflüchtige organische Verbindungen (SVOC) begünstigt (Klebefilmeffekt) oder hervorgerufen. Deren Quelle sind Ausdünstungen chemischer Stoffe aus Baumaterialien, wie etwa Weichmachern aus Farben, Folien, PVC-Bodenbelägen, Kabelumhüllungen oder Klebstoffen. Schwarzschimmel an den Wänden wird im engeren Sinn ebenso wie Russ aus dem Abbrand von Öllampen, Kerzen oder Dieselabgasen nicht als Ursachen des Schwarzstaubeffekts angesehen, können den Effekt aber überlagern.

Literatur

  • Ulrike Rolle-Kampczyk u. a.: Hausstaub als Quelle für eine potenzielle Belastung mit Mykotoxinen – ein Fallbeispiel. In: Umweltmedizin in Forschung und Praxis Bd. 6, Nr. 1, 2001, ISSN 1430-8681, S. 42–46
  • Hans Schleibinger u. a.: Unterscheidung von Schimmel- und Nichtschimmelwohnungen anhand von Sporen aus Hausstaubproben - Ergebnisse einer Feldstudie im Großraum Berlin. In: Umweltmedizin in Forschung und Praxis, Bd. 9, Nr. 4, 2004, ISSN 1430-8681, S. 251–262; Nr. 5, S. 289–297; Nr. 6, S. 363–376
  • Regine Nagorka, Christiane Scheller, Detlef Ullrich: Weichmacher im Hausstaub. In: Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft Bd. 65, Nr. 3, 2005, ISSN 0949-8036, S. 99–105
  • Werner Butte, Hardo Schencke, Birger Heinzow: Herbizide im Hausstaub. Proben aus Anrainerwohnungen von Baumschulen im Vergleich zu Kontrollen. In: Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft Bd. 66, Nr. 3, 2006, ISSN 0949-8036, S. 112ff.
  • Roland Meyer: Fast nichts. Lektüren des Staubs. In: Fremde Dinge. (= Zeitschrift für Kulturwissenschaften, ISSN 9783-9331, 1. Jg. 2007, H. 1), S. 113–124 (ursprüngliche Version: Kleinerer Versuch über den Staub. 2005 – PDF)
  • Regine Nagorka, André Conrad, Christiane Scheller, Bettina Süßenbach, Heinz-Jörn Moriske: Weichmacher und Flammschutzmittel im Hausstaub. Teil 1: Phthalate. In: Gefahrstoffe, Reinhaltung Luft Bd. 70, Nr. 3, 2010, ISSN 0949-8036, S. 70–76
  • Regine Nagorka, André Conrad, Christiane Scheller, Bettina Süßenbach, Heinz-Jörn Moriske: Weichmacher und Flammschutzmittel im Hausstaub. Teil 2: Phthalat-Ersatzstoffe und Flammschutzmittel. In: Gefahrstoffe, Reinhaltung Luft Bd. 71, Nr. 6, 2011, ISSN 0949-8036, S. 286 – 292
  • Björn Kempken, Werner Butte: Konzentrationen an Blei, Cadmium, Mangan und Zink in Fraktionen des Hausstaubs. In: Gefahrstoffe, Reinhaltung Luft Bd. 70, Nr. 3, 2010, ISSN 0949-8036, S. 98–102
  • Gregory P. Laughlin: Planeten unter fremden Sonnen. In: Spektrum der Wissenschaft. Heidelberg 2006,10 (Dez.), S. 72ff., speziell S. 75. ISSN 0170-2971

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Täglich gebildete Staubmenge
  2. Peter Brookesmith: Kleine Ungeheuer: die geheime Welt der winzigen Lebewesen. Gondrom Verlag, 1999, S. 122–128, ISBN 3-811-21735-6
  3. Ilka Toepfer, Werner Butte: Chemische Indikatoren für Schimmelpilze im Hausstaub. Gefahrstoffe - Reinhaltung Luft 69(3), S. 91–95 (2009), ISSN 0949-8036
  4. Walter Klöpffer:Klöpffers Wörterbuch der Austriazismen (DOC, 166 KB)
  5. Brockhaus Enzyklopädie in zwanzig Bänden: Bildwörterbuch der deutschen Sprache. Brockhaus, F. A., firm, 17. Ausgabe, S. 420. Verlag Brockhaus, Wiesbaden, 1976. ISBN 3-7653-0000-4
  6. Österreichisches Wörterbuch, Bekanntheit des Wortes Lurch
  7. ADSandBRANDS – Museum für Werbung und Marken: „Nilfisk – frißt den Staub und nicht den Teppich“, erschienen 1973. Abgerufen am 12. Jänner 2010
  8. Lexikon der Wiener Zeitung: Frisst den Lurch und schont den Teppich - 100 Jahre Staubsauger, 19. Juli 2002. Abgerufen am 12. Jänner 2010
  9. AUVA: Arbeitsschutzrichtlinien (PDF, S. 29)
  10. Website eval.at (AUVA):„Halten Sie Schaltkästen von Ablagerungen (Staub, Lurch) frei. (Brandgefahr!)“
  11. FF Baden-Weikersdorf: Wie verhindere ich einen gefährlichen Brand meines Fernsehers?. Abgerufen am 12. Jänner 2010.
  12. Brände durch elektrische Anlagen (PDF S. 2), erschienen in: Brandaus 10/2005. Abgerufen am 12. Jänner 2010.
  13. Uhl M., Hohenblum P., Scharf S., Trimbacher C. (2004): Hausstaub – Ein Indikator für Innenraumbelastung. Umweltbundesamt, Wien.

Siehe auch