Angeregter Zustand

Angeregter Zustand

Ein angeregter Zustand eines physikalischen Systems ist jeder Zustand, dessen Energie größer ist als die niedrigst mögliche, d. h. größer als die Energie des Grundzustands. Der Begriff wird hauptsächlich bei Systemen verwendet, die nur bestimmte Zustände mit diskreten Energien annehmen können, wie sie durch die Quantenmechanik beschrieben werden.

Wenn das einzige Elektron des Wasserstoffatoms keine Energie mehr abgeben kann, befindet es sich im Grundzustand (unterste Linie). Darüber gibt es weitere Energieniveaus, auf die das Elektron „gehoben“ werden kann. Diese nennt man angeregte Zustände.

Stabilität und Lebensdauer

Ein sich selbst überlassenes physikalisches System strebt erfahrungsgemäß in der Regel durch Abgeben von Energie den Zustand geringsten Energieinhalts an. Dies lässt sich durch die Wahrscheinlichkeiten der verschiedenen Systemzustände im Phasenraum erklären: Eine einmal in irgendeiner Form abgegebene Energie (durch Reibung, Kernspaltung, Erzeugung und Emission von neuen Teilchen wie Photonen, β-Strahlung etc) kehrt im Allgemeinen nur mit vernachlässigbarer Wahrscheinlichkeit zum Ausgangssystem zurück. Ein angeregter Zustand ist daher allgemein nicht stabil, sondern hat eine endliche mittlere Lebensdauer, anders gesagt, eine Zerfallswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit für den Übergang in einen weniger hoch angeregten Zustand oder den Grundzustand. Die mittleren Lebensdauern können von Sekundenbruchteilen bis zu Jahrtausenden betragen. Gemessene Werte überstreichen einen Bereich von 55 Zehnerpotenzen, wohl den größten, der bei einer physikalischen Messgröße überhaupt vorkommt.

Angeregte Zustände mit besonders langer Lebensdauer werden manchmal als metastabil bezeichnet; siehe z. B. Isomer (Kernphysik).

Atomphysik

Bei einem Atom ist der Grundzustand durch die energetisch niedrigste Elektronenkonfiguration bestimmt.

Durch Energiezufuhr, z. B. durch Absorption eines Photons mit geeigneter Energie (Licht) oder unelastischen Stoß (Franck-Hertz-Versuch), kann ein Elektron auf ein höheres Energieniveau angehoben werden (Promovierung, Anregung).

Der Zerfall in einen energetisch tieferen Zustand (Abregung) erfolgt entweder spontan oder wird durch eine äußere Störung ausgelöst. Die frei werdende Energie wird dabei in irgendeiner Form an die Umgebung abgegeben, z. B.:

Wasserstoffatom mit paralleler (F = 1) und antiparalleler (F = 0) Einstellung des Elektrons. Der Übergang wird als Spin-Flip bezeichnet.

Beim Wasserstoffatom können die Spins von Elektron und Proton parallel oder antiparallel stehen. Der antiparallele Zustand besitzt geringfügig höhere Energie, die bei Zurückklappen als Photon abgestrahlt wird. Diese Strahlung ist eine wichtige Nachweismethode der Astronomie für stark verdünntes Wasserstoffgas.

Beispiele

Durch Stoßanregung wird unter anderem die Flammenfärbung durch Alkali- und Erdalkalimetalle erklärt. Dort wird die Energiezufuhr durch Stöße zwischen den Atomen (und Molekülen) in der heißen Flamme – also durch Wärme – erzeugt.

Auch bei in Gasentladungsröhren (z. B. Neonröhren) erzeugtem Licht ist Stoßanregung im Spiel. Der Entladungsstrom verursacht Stöße zwischen freien Elektronen und den Atomen.

Ionisierende Strahlung kann Atome aus ihren Gitterplätzen herausschlagen. Wenn diese nicht mehr in ihre Ursprungsposition zurück gelangen, entstehen Kristallfehler, die unter Umständen lange bestehen bleiben. Dies stellt eine Energiespeicherung dar. Durch Thermolumineszenz lassen sich diese metastabilen angeregten Zustände in Licht zurückverwandeln. Verursachen Neutronen diese Gitterfehler in Graphit, spricht man von Wigner-Energie.

Um die Besetzung angeregter Zustände in Vielteilchensystemen zu charakterisieren, wird oft auf eine Beschreibung durch Quasiteilchen zurückgegriffen. Beispielsweise wird die Anregung von Gitterschwingungen in einem Kristall zweckmäßigerweise durch die Erzeugung von Phononen beschrieben.

Siehe auch

  • Resonanz (Physik) #Atom- und Molekülphysik

Literatur

  • Jörn Bleck-Neuhaus: Elementare Teilchen. Moderne Physik von den Atomen bis zum Standard-Modell (Kap. 6). Springer, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-540-85299-5.