3-Chinuclidinylbenzilat

3-Chinuclidinylbenzilat

Strukturformel
Struktur von 3-Chinuclidinylbenzilat
Allgemeines
Name 3-Chinuclidinylbenzilat
Andere Namen
  • Benzilsäure-3-chinuclidinylester
  • Benzilsäureester
  • 1-Azabicyclo[2.2.2]oct-8-yl 2-hydroxy-2,2-diphenyl-acetat
  • QNB
  • BZ
  • Agent 15
Summenformel C21H23NO3
CAS-Nummer 6581-06-2
PubChem 23056
Kurzbeschreibung

farb- und geruchloser Feststoff[1]

Eigenschaften
Molare Masse 337,41 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,33 g·cm−3 [2]

Schmelzpunkt

189 °C (ab 170 °C teilweise Zersetzung) [2]

Siedepunkt

322 °C (ab 170 °C teilweise Zersetzung) [2]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [3]
07 – Achtung

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
P: keine P-Sätze [3]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [4][5]
Sehr giftig Umweltgefährlich
Sehr giftig Umwelt-
gefährlich
(T+) (N)
R- und S-Sätze R: 26/27/28-50
S: 13-45
LD50
  • 103 mg·kg−1 (Maus, i.p.)[6]
  • 25 mg·kg−1 (Maus, i.v.)[6][7]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

3-Chinuclidinylbenzilat (BZ, QNB, irreführend verkürzend auch Benzilsäureester) ist ein chemischer Kampfstoff. Er gehört zu der Gruppe der Psychokampfstoffe. Seit 1997 ist BZ – wie andere chemische Waffen – durch die Chemiewaffenkonvention international offiziell geächtet; auch die Entwicklung, Herstellung und Lagerung sind verboten.

Geschichte

Das amerikanische Militär führte klinische Studien durch. Im Zeitraum 1959 bis 1975 sollen ca. 2800 Soldaten mit BZ kontaminiert worden sein. In dieser Zeit wurden auch vergleichende Tests mit LSD durchgeführt. Schnell stellte sich aber heraus, dass BZ im Gegensatz zu LSD sehr viel besser als Kampfstoff einsetzbar ist.

Name und Eigenschaften

Die Bezeichnung Benzilsäureester ist mehrdeutig, da nicht deutlich wird, mit welchem Alkohol die Benzilsäure (auch Benzylsäure, 2-Hydroxy-2,2-diphenylessigsäure) verestert ist. BZ ist der Ester aus Benzilsäure und 3-Chinuclidinol (1-Azabicyclo[2.2.2]octan-3-ol), das als Substruktur u. a. im Chinin auftritt.

3-Chinuclidinylbenzilat ist wenig wasserlöslich; besser löslich ist die Verbindung in Säuren, Ethanol und Diethylether. Beim Erhitzen beginnt ab etwa 170 °C die Zersetzung der Substanz in Kohlenstoffdioxid, Wasser, Stickstoff, Stickoxide sowie Spuren von Cyanwasserstoff (Blausäure).[5]

Wirkung

BZ wirkt anticholinerg und parasympathikolytisch. Die Vergiftungssymptome sind daher auch ähnlich zu anderen Anticholinergika wie Scopolamin und Atropin. Die wirksame Dosis wird mit 5 μg/kg angegeben; die Dosis, die für Handlungsunfähigkeit notwendig ist, mit etwa 9 μg/kg, und die im Tierversuch zu 50 % tödliche Dosis (Halb-Letale Dosis oder LD50) mit 25 bis 100 mg/kg (Maus, i.p.).

Zuerst stellen sich Kopfschmerzen, Verwirrung, Halluzinationen, dann Angstzustände, Konzentrationsstörungen, allgemeine Unruhe im Wechsel mit apathischen Phasen ein. Nach kurzer Zeit ist der Betroffene in einem Zustand völligen Realitätsverlusts. Er hat keinen bewussten Kontakt mehr zu seiner Umwelt.

Körperlich sind trockene Schleimhäute, gerötete Haut und Verstopfung sowie starke Pupillenerweiterung zu beobachten.

Die durchschnittliche Wirkungsdauer beträgt 3 Tage. Es ist aber bis zu 6 Wochen lang ein Rückfall einzelner Symptome möglich. Von betroffenen Soldaten wurde berichtet, dass es in Einzelfällen zu dauerhaften Wesensänderungen kam.

Für die militärische Bedeutung ist entscheidend:

  • Die Ausbringung als Aerosol.
  • Die Betroffenen sind recht schnell kampf- und handlungsunfähig (Wirkungseintritt nach etwa 1 Stunde).
  • Die Wirkung hält mindestens 3 Tage an.
  • Die Betroffenen können sich nach Genesung nur an die Zeit vor der Kontaminierung erinnern (Amnesie).
  • Nur in seltenen Fällen bleiben dauerhafte Schädigungen zurück.

Einsätze

Nach Angaben des Journalisten Pierre Darcout wurde BZ im Vietnamkrieg angewendet. Der holländische Schriftsteller Wil Ververy berichtet von fünf Einsätzen in Vietnam. Die amerikanischen Bestände an Benzilsäureester wurden 1990 offiziell vernichtet.[8]

Möglicherweise wurde die Substanz als „Agent 15“ am 23. Dezember 2012 von syrischen Regierungstruppen gegen Rebellen eingesetzt, wobei sich die Berichte nur auf Augenzeugenberichte von Ärzten vor Ort stützen. Nach einem Beitrag im Magazin Foreign Policy über den Chemiewaffeneinsatz, der eine Depesche des US-Generalkonsulats in Istanbul an das US-Außenministerium zitiert[9], hat die US-Regierung offiziell Abstand von dieser Darstellung genommen.[10]

Der Film Jacob’s Ladder befasst sich mit diesem Thema. Die Serie Navy CIS behandelt das Thema „BZ Gas“ in Folge 13, Staffel 4. Die Serie Numb3rs behandelt das Thema „BZ Gas“ in Folge 01, Staffel 4.

Gegenmaßnahmen

Wie bei allen chemischen Waffen ist der Schutz durch entsprechende Kleidung und Gasmaske entscheidend. Nach einer Kontaminierung kann bei oraler Vergiftung medizinische Kohle helfen, auch Physostigmin kann als Antidot helfen. Für Helfer ist zu beachten, dass die Kontaminierten aufgrund der auftretenden Halluzinationen sofort zu entwaffnen und unter ständiger Kontrolle zu halten sind.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Hermann Martens, in: Römpp Online - Version 3.5, 2009, Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Günter Hommel, Herbert F. Bender: Handbuch der gefährlichen Güter. Band 6: Merkblätter 2072-2502. 2. Auflage, Springer, 2004, ISBN 978-3-540-20370-4, Merkblatt 2288
  3. 3,0 3,1 Datenblatt 3-Chinuclidinylbenzilat bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 10. März 2011.
  4. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  5. 5,0 5,1 Günter Hommel: Handbuch der gefährlichen Güter. Transport - Gefahrenklassen, Merkblatt 2288, 2002, Springer-Verlag, ISBN 3-540-20348-6
  6. 6,0 6,1 3-Chinuclidinylbenzilat bei ChemIDplus
  7. U.S. Army Armament Research & Development Command, Chemical Systems Laboratory, NIOSH Exchange Chemicals. Vol. NX#11998.
  8. brainlogs.de: Neuro-Waffen auf dem Vormarsch, 24. August 2009.
  9. Josh Rogin: Exclusive: Secret State Department cable: Chemical weapons used in Syria. Meldung bei Foreign Policy vom 15. Januar 2013.
  10. Chemiewaffen in Syrien - Das Rätsel über den Einsatz von Agent 15 in Homs, spiegel.de, 16. Januar 2013.

Weblinks

Die News der letzten Tage