Lorentzkontraktion
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Die Lorentzkontraktion oder relativistische Längenkontraktion ist ein Phänomen der speziellen Relativitätstheorie. Sie besagt, dass ein bewegter Beobachter eine kürzere Distanz zwischen zwei Punkten im Raum misst als ein ruhender. Der Effekt tritt nur in Richtung der relativen Bewegung auf und nimmt mit zunehmender relativer Geschwindigkeit zu.
Die Lorentzkontraktion ist zusammen mit der Zeitdilatation und der Relativität der Gleichzeitigkeit eines der grundlegenden Phänomene der speziellen Relativitätstheorie und spielt bei der Auswertung von Experimenten in Teilchenbeschleunigern eine wichtige Rolle.
Die Kontraktionsformel
- $ L=L_{0}\cdot {\sqrt {1-{\frac {v^{2}}{c^{2}}}}} $
war ursprünglich 1892 von Hendrik Antoon Lorentz eingeführt worden, um das Michelson-Morley-Experiment mit der Geschwindigkeit $ v $ relativ zum hypothetischen Äther zu erklären. Sie erhielt 1905 von Albert Einstein ihre moderne, relativistische Interpretation, bei der $ v $ die Geschwindigkeit zwischen Beobachter und betrachtetem Objekt ist.
Geschichte
Die Längenkontraktion wurde in qualitativer Form von George Francis FitzGerald (1889) und in quantitativer Form von Hendrik Antoon Lorentz (1892) postuliert, um den negativen Ausgang des Michelson-Morley-Experiments zu erklären und dabei die Idee eines ruhenden Äthers zu retten (Fitzgerald-Lorentzsche Kontraktionshypothese). Als Analogie diente die bereits 1888 durch Oliver Heaviside festgestellte Tatsache, dass bewegte elektrostatische Felder deformiert werden (Heaviside-Ellipsoid). Da zum damaligen Zeitpunkt jedoch kein Grund vorhanden war anzunehmen, dass sich die intermolekularen Kräfte genauso verhalten wie elektromagnetische Kräfte (oder elektromagnetischer Natur seien), wurde die Lorentzkontraktion als Ad-hoc-Hypothese eingestuft, welche ausschließlich dazu dienten, die Entdeckung mit der Hypothese des Äthers in Einklang zu bringen. Im Folgenden entwickelte Joseph Larmor 1897 eine Theorie, in der die Materie selbst elektromagnetischen Ursprungs ist. Die Kontraktionshypothese ist dann nicht mehr als reine Ad-hoc-Hypothese anzusehen, sondern wäre eine Folge der elektromagnetischen Konstitution der Materie. Eine rein elektromagnetische Erklärung der Materie stellte sich bald als undurchführbar heraus: Henri Poincaré zeigte 1905, dass mit nicht-elektrischen Kräften eine weitere Ad-hoc-Hypothese eingeführt werden musste, um die Stabilität der Elektronen zu gewährleisten und die Kontraktion dynamisch zu erklären.
Diese Problematik wurde gelöst, als Albert Einstein 1905 durch Reformulierung der Begriffe von Raum und Zeit und ohne irgendwelche dynamische Äthereffekte annehmen zu müssen, im Rahmen der speziellen Relativitätstheorie eine einfache kinematische Herleitung gelang. Diese Erklärung, die auf dem Relativitätsprinzip und dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit beruhte, nahm dem Effekt endgültig seinen Ad-hoc-Charakter und bildet die Grundlage der modernen Auffassung der Lorentzkontraktion. Dies wurde unter anderem von Hermann Minkowski weitergeführt, der eine anschauliche geometrische Darstellung der relativistischen Effekte in der Raumzeit entwickelte.[1][2]
Erläuterung
Für das Verständnis der Lorentzkontraktion ist die sorgfältige Berücksichtigung der Methoden zur Längenmessung von ruhenden und bewegten Objekten von grundlegender Bedeutung. Mit „Objekt“ ist einfach eine Strecke gemeint, deren Endpunkte immer zueinander ruhen bzw. sich immer mit derselben Geschwindigkeit bewegen. Wenn der Beobachter sich nicht relativ zum beobachteten Objekt bewegt, sie also im selben Inertialsystem ruhen, dann kann die „Ruhe- bzw. Eigenlänge“ $ L_{0} $ des Objekts einfach durch direktes Anlegen eines Maßstabs ermittelt werden.
Liegt jedoch eine Relativgeschwindigkeit > 0 vor, kann folgendermaßen vorgegangen werden: Der Beobachter stellt eine Reihe von Uhren auf, welche alle synchronisiert werden, entweder
- durch den Austausch von Lichtsignalen gemäß der Poincaré-Einstein-Synchronisation oder
- durch „langsamen Uhrentransport“. Bei dieser Methode wird eine Uhr ausreichend langsam (um den Einfluss der Zeitdilatation vernachlässigen zu können) zu jeder einzelnen Uhr der Reihe transportiert und überträgt auf diese ihre Zeitanzeige.
Nach erfolgter Synchronisation bewegt sich das zu vermessende Objekt an dieser Uhrenreihe entlang. Jede Uhr verzeichnet den Zeitpunkt, zu dem das rechte und das linke Ende des Objekts die jeweilige Uhr passiert. Man notiert sich anhand der in den Uhren gespeicherten Werte den Zeitpunkt und den Ort einer Uhr A, an dem sich das linke Ende befunden hat, und den Ort einer Uhr B, an dem sich gleichzeitig das rechte Ende befunden hat. Es ist klar, dass der Uhrenabstand A-B identisch ist mit der Länge $ L $ des bewegten Objekts.
Die Definition der Gleichzeitigkeit von Ereignissen ist also von entscheidender Bedeutung für die Längenmessung bewegter Objekte. In der klassischen Physik ist die Gleichzeitigkeit absolut, und folglich werden $ L $ und $ L_{0} $ immer übereinstimmen. Jedoch in der Relativitätstheorie macht die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen und die damit zusammenhängende Relativität der Gleichzeitigkeit diese Übereinstimmung zunichte. Wenn also Beobachter in einem Inertialsystem behaupten, die beiden Endpunkte des Objekts gleichzeitig gemessen zu haben, werden Beobachter in allen anderen Inertialsystemen behaupten, dass diese Messungen nicht gleichzeitig erfolgten, und zwar um einen aus der Lorentz-Transformation zu berechnenden Wert – siehe dazu den Abschnitt Herleitung. Als Folge davon ergibt sich: Während die Ruhelänge unverändert bleibt und immer die größte gemessene Länge des Körpers ist, wird bei einer relativen Bewegung zwischen Objekt und Messinstrument eine – bezüglich der Ruhelänge – kontrahierte Länge gemessen. Diese nur in Bewegungsrichtung auftretende Kontraktion wird durch folgende Beziehung dargestellt (wobei $ v $ die Relativgeschwindigkeit, und $ c $ die Lichtgeschwindigkeit ist):
- $ L=L_{0}\cdot {\sqrt {1-{\frac {v^{2}}{c^{2}}}}}. $
Man betrachte zum Beispiel einen Zug und einen Bahnhof, die sich relativ zueinander mit einer konstanten Geschwindigkeit $ v=0{,}8c $ bewegen. Der Bahnhof ruht im Inertialsystem S, der Zug ruht in S'. Im Zugsystem S' soll sich nun ein Ball befinden, der dort eine Ruhelänge von $ L_{0}^{'}=30\ \mathrm {cm} $ hat. Aus Sicht des Bahnhofsystems S hingegen ist der Ball bewegt, und es wird gemäß folgender Formel die kontrahierte Länge $ L $ gemessen:
- $ L=L_{0}^{'}\cdot {\sqrt {1-{\frac {v^{2}}{c^{2}}}}}=18\ \mathrm {cm} . $
Der Ball wird nun aus dem Zug geworfen und kommt auf dem Bahnhof zum Stillstand, sodass die Beobachter unter Berücksichtigung obiger Messvorschriften von neuem die Länge des Balles bestimmen müssen. Jetzt ist es das Bahnhofsystem S, in dem die Ruhelänge des Balles von $ L_{0}=30\ \mathrm {cm} $ gemessen wird (der Ball ist in S größer geworden), wohingegen der Ball aus Sicht des Zugsystems S' bewegt ist und gemäß folgender Formel kontrahiert gemessen wird:
- $ L'=L_{0}\cdot {\sqrt {1-{\frac {v^{2}}{c^{2}}}}}=18\ \mathrm {cm} . $
Wie vom Relativitätsprinzip gefordert, müssen in allen Inertialsystemen dieselben Naturgesetze gelten. Die Längenkontraktion fällt also symmetrisch aus: Ruht der Ball im Zug, hat er im Zugsystem S' seine Ruhelänge und wird im Bahnhofsystem S kontrahiert gemessen. Wird er hingegen auf den Bahnhof transportiert, dann wird im Bahnhofsystem S seine Ruhelänge und im Zugsystem S' seine kontrahierte Länge gemessen.
Herleitung
Die Lorentzkontraktion lässt sich auf einfache Weise aus der Lorentz-Transformation ableiten, wie dies beispielsweise von Born[3] und Einstein[4] demonstriert wurde.
Im Inertialsystem S' bezeichnen $ x_{1}^{'} $ und $ x_{2}^{'} $ die Endpunkte für ein dort ruhendes Objekt der Länge $ L_{0}^{'} $. Die Koordinaten in S' sind mit jenen in S durch die Lorentz-Transformation auf folgende Weise verknüpft:
- $ x_{1}^{'}={\frac {x_{1}-vt_{1}}{\sqrt {1-{\frac {v^{2}}{c^{2}}}}}} $ und $ x_{2}^{'}={\frac {x_{2}-vt_{2}}{\sqrt {1-{\frac {v^{2}}{c^{2}}}}}}. $
Da das Objekt aus Sicht von S bewegt ist, muss gemäß obiger Messvorschrift dessen Länge $ L $ durch gleichzeitige Bestimmung der Endpunkte ermittelt werden, man muss also $ t_{1}=t_{2}\ $ setzen. Und da $ L=x_{2}-x_{1}\ $ bzw. $ L_{0}^{'}=x_{2}^{'}-x_{1}^{'} $ ist, erhält man:
- (1) $ L_{0}^{'}={\frac {L}{\sqrt {1-{\frac {v^{2}}{c^{2}}}}}}. $
Also ergibt sich die in S gemessene kontrahierte Länge mit:
- (2) $ L=L_{0}^{'}\cdot {\sqrt {1-{\frac {v^{2}}{c^{2}}}}}. $
Gemäß Relativitätsprinzip müssen umgekehrt auch in S ruhende Objekte aus Sicht von S' einer Kontraktion unterworfen sein. Die Lorentz-Transformation lautet in diesem Fall nun:
- $ x_{1}={\frac {x_{1}^{'}+vt_{1}^{'}}{\sqrt {1-{\frac {v^{2}}{c^{2}}}}}} $ und $ x_{2}={\frac {x_{2}^{'}+vt_{2}^{'}}{\sqrt {1-{\frac {v^{2}}{c^{2}}}}}}. $
Mit der Gleichzeitigkeitsbedingung $ t_{1}^{'}=t_{2}^{'}\ $ und durch Setzen von $ L_{0}=x_{2}-x_{1}\ $ bzw. $ L^{'}=x_{2}^{'}-x_{1}^{'} $ erhält man tatsächlich:
- (3) $ L_{0}={\frac {L^{'}}{\sqrt {1-{\frac {v^{2}}{c^{2}}}}}}. $
Also ergibt sich die in S' gemessene kontrahierte Länge mit:
- (4) $ L^{'}=L_{0}\cdot {\sqrt {1-{\frac {v^{2}}{c^{2}}}}}. $
Aus (1), (3) erhält man also die Ruhelänge, wenn die kontrahierte Länge bekannt ist; aus (2), (4) erhält man die kontrahierte Länge, wenn die Ruhelänge bekannt ist.
Minkowski-Diagramm
Nun entspricht die Lorentz-Transformation geometrisch einer Drehung in einer vierdimensionalen Raumzeit, und die aus ihr folgenden Effekte, wie die Lorentz-Kontraktion, können demzufolge mit Hilfe eines Minkowski-Diagramms anschaulich dargestellt werden.
Ist ein ruhender Stab in S' gegeben, so befinden sich seine Endpunkte auf der ct'-Achse und der Achse parallel dazu. In S' ergeben sich die (zur x'-Achse parallelen) gleichzeitigen Positionen der Endpunkte mit O und B, also eine Ruhelänge von OB. Hingegen in S sind die (zur x-Achse parallelen) gleichzeitigen Positionen der Endpunkte mit O und A gegeben, also eine kontrahierte Länge von OA.
Ist hingegen ein ruhender Stab in S gegeben, so befinden sich seine Endpunkte auf der ct-Achse und der Achse parallel dazu. In S ergeben sich die (zur x-Achse parallelen) gleichzeitigen Positionen der Endpunkte mit O und D, also eine Ruhelänge von OD. Hingegen in S' sind die (zur x'-Achse parallelen) gleichzeitigen Positionen der Endpunkte mit O und C gegeben, also eine kontrahierte Länge von OC.
Experimentelle Bestätigungen
Eine direkte experimentelle Bestätigung der Lorentzkontraktion ist schwierig, da der Effekt nur bei sich annähernd mit Lichtgeschwindigkeit bewegenden Teilchen nachweisbar wäre. Deren räumliche Dimension als Teilchen ist jedoch verschwindend gering. Darüber hinaus kann sie nur von einem Beobachter nachgewiesen werden, der sich nicht im selben Inertialsystem wie das beobachtete Objekt befindet. Denn ein mitbewegter Beobachter ist derselben Kontraktion unterworfen wie das zu beobachtende Objekt, und somit können sich beide aufgrund des Relativitätsprinzips als im selben Inertialsystem ruhend betrachten (siehe Trouton-Rankine-Experiment). Für den mitbewegten Beobachter ist die eigene Kontraktion folglich nicht existent.
Es gibt jedoch eine Reihe von indirekten Bestätigungen der Lorentzkontraktion, wobei die Beurteilung definitionsgemäß vom Standpunkt eines nicht mitbewegten Inertialsystems heraus erfolgte. Beispielsweise folgt aus der Lorentzkontraktion, dass im Ruhezustand sphärische Schwerionen bei relativistischen Geschwindigkeiten in Bewegungsrichtung die Form flacher Scheiben bzw. Pfannkuchen ("pancakes") annehmen müssen. Und tatsächlich ergibt sich, dass die bei Teilchenkollisionen erhaltenen Ergebnisse nur unter Berücksichtigung der durch die Lorentzkontraktion verursachten hohen Nukleonendichte bzw. der hohen Frequenzen in den elektromagnetischen Feldern erklärt werden können. Dieser Umstand führt dazu, dass die Effekte der Lorentzkontraktion bereits im Design der Experimente berücksichtigt werden müssen.[5][6][7][8] Eine weitere Bestätigung ist die Zunahme des Ionisierungsvermögens elektrisch geladener Teilchen bei steigender Geschwindigkeit. Gemäß der klassischen Physik müsste dieses Vermögen abnehmen, jedoch die Lorentzkontraktion des Coulomb-Feldes führt bei steigender Geschwindigkeit zu einer Verstärkung der elektrischen Feldstärke senkrecht zur Bewegungsrichtung, was zu der tatsächlich beobachteten Zunahme des Ionisierungsvermögens führt.[9] Ebenso ist die Längenkontraktion zusammen mit dem relativistischen Dopplereffekt in Übereinstimmung mit der extrem geringen Wellenlänge der Undulatorstrahlung eines Freie-Elektronen-Lasers. Hier werden relativistische Elektronen in einen Undulator injiziert und dadurch Synchrotronstrahlung erzeugt. Im Ruhesystem der Teilchens bewegt sich der Undulator annähernd mit Lichtgeschwindigkeit und ist kontrahiert, was zu einer erhöhten Frequenz führt. Auf diese Frequenz muss nun, zur Ermittlung der Frequenz im Laborsystem, der relativistische Dopplereffekt angewendet werden. [10][11] Ein weiteres Beispiel sind Myonen in der Erdatmosphäre, welche in einer Entfernung von ca. 10 km von der Erdoberfläche entstehen. Würde die Halbwertszeit von ruhenden und bewegten Myonen übereinstimmen, könnten sie selbst bei fast Lichtgeschwindigkeit nur ca. 600 m zurücklegen – trotzdem erreichen sie die Erdoberfläche. Im Ruhesystem der Atmosphäre erklärt sich dieses Phänomen mit der Zeitdilatation, durch die sich die Lebensdauer und somit die Reichweite der Myonen entsprechend verlängert. Im Ruhesystems der Myonen ist zwar die Reichweite unverändert bei 600 m, jedoch ist die Atmosphäre bewegt und folglich kontrahiert, sodass selbst die geringe Reichweite ausreicht, um die Oberfläche zur erreichen.[9]
Damit verknüpft ist die Frage, ob die Längenkontraktion "real" oder "scheinbar" ist. Doch dies betrifft eher die Wortwahl, denn in der Relativitätstheorie ist das Verhältnis von Ruhelänge und kontrahierter Länge operational unzweideutig definiert, und kann und wird in der Physik wie eben ausgeführt nutzbringend eingesetzt.[12] Auch Einstein selbst wies 1911 in einer Replik die Behauptung Vladimir Varičaks zurück, wonach nach Lorentz die Kontraktion „tatsächlich“, nach Einstein jedoch nur „scheinbar, subjektiv“ sei (Hervorhebungen im Original):
„Der Verfasser hat mit Unrecht einen Unterschied der Lorentzschen Auffassung von der meinigen mit Bezug auf die physikalischen Tatsachen statuiert. Die Frage, ob die Lorentz-Verkürzung wirklich besteht oder nicht, ist irreführend. Sie besteht nämlich nicht „wirklich“, insofern sie für einen mitbewegten Beobachter nicht existiert; sie besteht aber „wirklich“, d. h. in solcher Weise, daß sie prinzipiell durch physikalische Mittel nachgewiesen werden könnte, für einen nicht mitbewegten Beobachter.[13]“
– Albert Einstein
Optische Wahrnehmung
Wie oben erklärt, ist es für die Messung der Längenkontraktion bewegter Objekte erforderlich, dass sich Uhren oder Messinstrumente am Ort des zu messenden Objekts beziehungsweise an dessen Endpunkten befinden. Eine andere Frage ist es, wie ein bewegtes Objekt aus einer größeren Entfernung aussieht – beispielsweise auf einer Photographie oder dem Film einer Kamera. Es ergibt sich, dass auf einem Photo die Lorentzkontraktion als solche nicht erkennbar ist, da zum Kontraktionseffekt noch optische Effekte hinzutreten, die zu einer Verzerrung des Bildes führen. Statt eines gestauchten Objektes sieht der Beobachter das ursprüngliche Objekt gedreht, wobei der scheinbare Drehwinkel von der Geschwindigkeit des Körpers abhängig ist.[14] [15]
Die nebenstehenden Grafik soll diesen Effekt erläutern: Der betrachtete Körper ist vereinfacht als Würfel in Aufsicht dargestellt, der ruhende Beobachter durch ein Auge. Die blaue Seite des Würfels befindet sich der Einfachheit halber senkrecht zur Sichtlinie des Beobachters. Befindet sich der Körper in Ruhe, so sieht der Beobachter nur die Seite, die zu ihm zeigt (im Bild blau dargestellt). Befindet sich der Körper andererseits in Bewegung (der Einfachheit halber senkrecht zur Sichtlinie des Beobachters), so können auch die Lichtstrahlen, die von der roten Seite ausgehen, das Auge des Beobachters erreichen. Während die rote Seite bei einem ruhenden Körper unsichtbar ist, wird bei einem bewegten Körper mit zunehmender Geschwindigkeit immer mehr davon sichtbar. Das sichtbare Bild eines Körpers wird durch die Lichtstrahlen bestimmt, die das Auge gleichzeitig erreichen. Während der Lichtstrahl vom hintersten Punkt der roten Seite auf dem Weg zum Beobachter an den weiter vorne liegenden Punkten vorbeikommt, hat sich der Körper schon ein Stück weiterbewegt. Somit kommen alle Lichtstrahlen näherliegender Punkte, die zum gleichen Zeitpunkt beim Betrachter eintreffen, in Bewegungsrichtung des Körpers versetzt an. Zugleich erscheint die blaue Seite gestaucht, da sie eine Lorentzkontraktion erfährt. Insgesamt ergibt sich für den Beobachter der gleiche optische Eindruck, den ein gedrehter Körper hervorrufen würde. Der scheinbare Drehwinkel $ \varphi $ ist hierbei nur von der relativen Geschwindigkeit $ v $ des Körpers senkrecht zur Sichtlinie des Beobachters abhängig:
- $ \sin {\varphi }={\frac {v}{c}}. $
Scheinbare Paradoxien
Bei oberflächlicher Anwendung der Kontraktionsformel kann es zu scheinbaren Paradoxien der Lorentzkontraktion kommen. Beispiele sind diverse Paradoxien der Längenkontraktion, welche sich bei genauer Berücksichtigung der Messvorschriften und damit zusammenhängend der Relativität der Gleichzeitigkeit leicht auflösen lassen. Etwas komplizierter sind die Zusammenhänge, wenn Beschleunigungen wie beim Bellschen Raumschiffparadoxon im Spiel sind. Der dabei erfolgte Wechsel des Inertialsystems führt zu einer Veränderung der Beurteilung der Gleichzeitigkeit von Ereignissen, und ebenso müssen die entstehenden Spannungen in den verwendeten Materialien berücksichtigt werden. Ähnliches gilt bei der Rotation von Körpern, wo anhand des Ehrenfestschen Paradoxons demonstriert werden kann, dass in der SRT keine starren Körper existieren können. Für Einstein war dieser Zusammenhang ein wichtiger Schritt zur Entwicklung der Allgemeinen Relativitätstheorie, da für einen mitrotierenden Beobachter der Raum unter anderem wegen der Lorentzkontraktion eine nichteuklidische Geometrie annimmt.
Einzelnachweise
- ↑ Michel H. P. Janssen: Drawing the line between kinematics and dynamics in special relativity. In: Symposium on Time and Relativity. 2007, S. 1–76.
- ↑ Abraham Pais: Subtle is the Lord: The Science and the Life of Albert Einstein. Oxford University Press 1982/2005, ISBN 0-19-280672-6
- ↑ Born, Max: Bewegte Maßstäbe und Uhren. In: Die Relativitätstheorie Einsteins, S. 212-214, Berlin-Heidelberg-New York: Springer 2003, ISBN 3-540-00470-x
- ↑ Einstein, Albert: Das Verhalten von Maßstäben und Uhren. In: Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie, S. 23-24, Berlin-Heidelberg-New York: Springer 2001, ISBN 3-540-42542-0
- ↑ The Physics of RHIC
- ↑ Relativistic heavy ion collisions
- ↑ Simon Hands, The Phase Diagram of QCD, Contemp. Phys. 42:209-225, 2001, arXiv:physics/0105022
- ↑ GSI: Heavy-ion induced electromagnetic interactions
- ↑ 9,0 9,1 Sexl, Roman & Schmidt, Herbert K.: Raum-Zeit-Relativität. Braunschweig: Vieweg 1979, ISBN 3528172363
- ↑ http://hasylab.desy.de/science/studentsteaching/primers/synchrotron_radiation/index_eng.html
- ↑ FLASH The Free-Electron Laser in Hamburg (PDF 7,8 MB)
- ↑ Siehe z.B. Physics FAQ: "People sometimes argue over whether the Lorentz-Fitzgerald contraction is "real" or not... here's a short answer: the contraction can be measured, but the measurement is frame dependent. Whether that makes it "real" or not has more to do with your choice of words than the physics." Übersetzung: "Einige diskutieren manchmal darüber, ob die Lorentz-Fitzgerald-Kontraktion "real" ist oder nicht...hier ist die kurze Antwort: die Kontraktion kann gemessen werden, aber die Messung ist abhängig vom Bezugssystem. Ob dies dazu führt, dass sie "real" ist oder nicht hat mehr mit unserer Wortwahl zu tun als mit Physik."
- ↑ Einstein, Albert: Zum Ehrenfestschen Paradoxon. Eine Bemerkung zu V. Variĉaks Aufsatz. In: Physikalische Zeitschrift. 12, 1911, S. 509-510.
- ↑ Beiträge zur Visualisierung der Längenkontraktion von der Universität Tübingen
- ↑ Norbert Dragon und Nicolai Mokros: Relativistischer Flug durch Stonehenge
Literatur
- George Francis FitzGerald: The Ether and the Earth's Atmosphere. In: Science. 13, 1889, S. 390. doi:10.1126/science.ns-13.328.390.
- Hendrik Antoon Lorentz: Die relative Bewegung der Erde und des Äthers. In: Abhandlungen über Theoretische Physik, S. 443–447, Leipzig: B.G. Teubner 1892/1907
- Albert Einstein: Zur Elektrodynamik bewegter Körper. In: Annalen der Physik und Chemie. 17, 1905, S. 891–921 (als Faksimile; PDF, 1,88 MB; als digitalisierter Volltext bei Wikilivres; und kommentiert und erläutert bei Wikibooks)
Weblinks
- Physik-FAQ: Verkürzung bewegter Maßstäbe
- Klaus Kassner: Die Längenkontraktion (Lorentz-Kontraktion)
- Hanns Ruder: Vorträge zur Visualisierung der Relativitätstheorie (Auszüge}