Hauptdolomit

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Typische Hauptdolomit-Landschaft in den Nördlichen Kalkalpen, Kreuzkarspitze, Allgäuer Alpen
Hauptdolomit der Langbathscholle, Kaltenbachwildnis, Österreich

Als Hauptdolomit bezeichnet man eine bis zu 2200 Meter mächtige lithostratigraphische Einheit in den nördlichen und südlichen Kalkalpen, in Teilen der westlichen und zentralen Ostalpen sowie im Apennin, die primär aus dem Dolomit aufgebaut ist. Die Gesteine wurden großteils in flachen Lagunenbereichen in der Zeit des späten Karniums und des Noriums (beide Obertrias) abgelagert.

Geschichte

Der Begriff ‚Hauptdolomit‘ stammt vom deutschen Geologen Carl Wilhelm von Gümbel, der ihn zum ersten Mal 1857 in seiner Abhandlung Untersuchungen in den bayerischen Alpen zwischen Isar und Salzach verwendete.[1] Richard Lepsius, der Sohn von Karl Richard Lepsius, hat die Bezeichnung 1876 auch für den Südalpinen Bereich eingeführt.[2] Die Bezeichnung Dachsteindolomit wurde teilweise als Synonym zu Hauptdolomit verwendet. Heute werden obere Anteile des Hauptdolomits als Dachsteindolomit bezeichnet.

Lithostratigraphische Einordnung

Trotz seiner häufig großen Mächtigkeit wird der Hauptdolomit auf vielen geologischen Karten nicht untergliedert und als graue Fläche dargestellt. In der Beschreibung der Stratigrafischen Kommission Italiens wird dem in Italien als Dolomia principale bezeichneten Hauptdolomit der Rang einer Formation zuerkannt. Für den nordalpinen Bereich gibt es den Vorschlag, den hier bis zu 2200 Meter mächtigen Hauptdolomit als Gruppe aufzufassen.[3]. Auch etwa die bereits 1992 erschienen Geologische Karte von Zirl im Maßstab 1.50.000 weist innerhalb des Hauptdolomits verschiedene Untereinheiten aus, ohne jedoch schon ausdrücklich die stratigraphischen Begriffe Gruppe oder Formation zu verwenden.

Bildungsraum

Der Hauptdolomit ist eine Bildung von sehr seichten und weiten Lagunenregionen und Flachwasserzonen. Teilweise waren es zeitweise trockenfallende Wattenmeerbereiche. Die bituminösen Gesteine der Seefeld-Formation sind in darin eingelagerten Becken, Buchten und kolkartige Vertiefungen entstanden.

Geomorphologie

Der Hauptdolomit ist wegen seiner hohen Erosionsbeständigkeit ein Hauptgipfelbildner der Kalkalpen des Ostalpins. In den Nordalpen ist er bedingt durch eine intensive Faltung mit kleinräumig wechselnden Kluftrichtungen durchsetzt, weshalb meist keine mächtigen, sehr steilen Felswände (Ausnahme z.B. Trettachspitze), sondern oberhalb von ca. 2000 m komplex aufgebaute, brüchige, von Schluchten, kleinen Felswänden, Schuttflächen, Bändern und Rinnen durchzogene Schrofenwände und mit kleinen Türmchen besetzte Grate typisch sind. Niedrigere Berge im Hauptdolomit sind dagegen oft stark von Latschen und Wald bewachsene, plumpe, weniger eindrucksvolle Berge. In den Südalpen, wo das Gestein weniger gefaltet ist, können sich bei günstigem Kluftverlauf eindrucksvolle Berge entwickeln, wie die berühmten Drei Zinnen. Aufgrund seiner starken Zerklüftung ist der Hauptdolomit der stärkste Schuttbildner der Alpen. Gewaltige Schutthänge und ebene Schuttflächen im Talbereich (sog. Griese, wie z.B. das Friedergries bei Garmisch-Partenkirchen) zeugen davon.

Vorkommen

Nördliche Kalkalpen

In den Nördlichen Kalkalpen ist der Hauptdolomit vor allem im westlichen Bereich gipfelbildend, so in den Lechtaler Alpen, dem Lechquellengebirge und den Allgäuer Alpen mit bekannten Bergen wie Hochvogel oder Mädelegabel. Den höchsten Hauptdolomit-Gipfel der Nördlichen Kalkalpen stellt die 2889 m hohe Vorderseespitze in den Lechtaler Alpen dar. Insgesamt ist der Hauptdolomit das flächenhaft bedeutendste Gestein der Nördlichen Kalkalpen. Im Karwendel besteht vor allem die Erlspitzgruppe aus Hauptdolomit. An der Rappenspitze im südöstlichen Karwendel wurde die größte bekannte Mächtigkeit des Hauptdolomits von 2200 Metern gemessen. Weiter östlich kommt der Hauptdolomit ebenfalls noch häufig vor, besonders in den nördlichen Bereichen der Kalkalpen, er taucht aber auch am Südrand wieder auf. In den östlichen Kalkalpen erreicht er aber nicht mehr Mächtigkeiten wie etwa im Karwendel. So ist er in der Ötscherdecke im südwestlichen Niederösterreich etwa 500 Meter mächtig.[4]

Oberer Hauptdolomit im Karwendel bei Seefeld

Genauere Unterteilungen des Hauptdolomits gibt es für Raum Seefeld und die Lechtaler Alpen. In der Erlspitzgruppe bei Seefeld werden die Formationen Unterer Hauptdolomit (Schloßbach-Formation), Mittlerer Hauptdolomit (Freiung-Formation), Seefelder Schichten (Seefeld-Formation) und Oberer Hauptdolomit (Dachsteindolomit) unterschieden.[5]

In den östlichen Lechtaler Alpen hat W. Müller-Jungbluth 1970 eine Unterteilung des Hauptdolomits in drei Abschnitte vorgenommen, einen Unteren, Mittleren, und Oberen Hauptdolomit. Der Untere Hauptdolomit mit einer Mächtigkeit von 250 bis 350 Meter ist gekennzeichnet durch fein geschichtete, dunkel-bituminöse und pyrithaltige Dolomite. Der Mittlere Hauptdolomit erreicht mit 400 bis 900 Meter die größte Mächtigkeit, ist heller, fein bis dicht gebankt und reich an Detritus. Der Obere Hauptdolomit erreicht etwa zwei Drittel der Mächtigkeit des Mittleren Hauptdolomits. Hier findet sich eine größere Verschiedenheit an Gesteinen wie Brekzienlagen, Algenstromatolithe oder Onkolithe. Neben einer reicheren Fossilführung (Dasycladaceen und Megalodonten) finden sich hier auch Trockenrisse oder Regenspuren.

Unterlagert wird der Hauptdolomit von Raibler Schichten, die Grenze kann jedoch unscharf sein. Im Lunzer Faziesbereich, der sich in etwa über das südöstliche Oberösterreich und Teile des südlichen Niederösterreichs erstreckt, setzt der Hauptdolomit über der Opponitz-Formation ein, kann jedoch, diese ersetzend, auch tiefer greifen. Nach oben hin geht der Hauptdolomit in ebenfalls noch norische Plattenkalke über.

Zentrale Ostalpen

In den zentralen Ostalpen findet sich Hauptdolomit in diversen Sedimentauflagen auf dem kristallinen Grundgebirge, so in den Kalkkögeln oder in den Radstädter Tauern. Im Semmeringgebiet treten bunte Schiefer auf, die als Bunter Keuper bezeichnet werden und vom Geologen Alexander Tollmann in seiner Monographie über die Nördlichen Kalkalpen ebenfalls als Sonderform dem Hauptdolomit zugeordnet werden.

Westliche Ostalpen

In den westlichen Ostalpen (Aroser Dolomiten, Montafoner Berge, Unterengadiner Dolomiten) erreicht der Hauptdolomit nur eine vergleichsweise geringe Mächtigkeit. Es handelt sich um Ablagerungen auf dem kristallinen Grundgebirge der Silvretta-Decke. Die Gesteine sind häufig durch Deckentransport verfaltet, zerschert und zerbrochen.

Die aus Hauptdolomit aufgebauten Drei Zinnen

Südalpen

Während im Bereich östlich des Lago Maggiore die mitteltriadischen Sedimente direkt in jurassische Sedimente übergehen, setzt der Hauptdolomit in der östlichen Lombardei ein und reicht bis nach Slowenien. In den italienischen Südalpen erreicht der hier als dolomia principale bezeichnete Hauptdolomit Mächtigkeiten bis zu 1500 Meter. Nichtsdestoweniger wird er hier als Formation geführt. Örtlich werden aber einige Members definiert, so in der Brenta der durch Brekzien charakterisierte Membro di Malga Flavona. Wie auch in den Nordalpen wird der Hauptdolomit im Allgemeinen von karnischen Sedimenten unterlagert, in der Lombardei von der Formazione di Castro Sebino, weiter östlich von Raibler Schichten.

In den Lienzer Dolomiten wird der Hauptdolomit wie in den Nördlichen Kalkalpen von Raibler Schichten unterlagert und von Plattenkalken überlagert.

In den Südalpen bestehen unter anderem große Teile der Brenta, das obere Stockwerk der Sella oder die Drei Zinnen aus Hauptdolomit.

Apennin

Im Apennin kommt der Hauptdolomit im zentralen und südlichen Teil vor. Im Massiv des Gran Sasso d’Italia erreicht er Mächtigkeiten um die 600 Meter.

Fossilführung

Der Hauptdolomit gilt allgemein als fossilarmes Gestein. An Makrofossilien finden sich Algen wie Gyropella oder Dasycladaceen, Megalodonten oder Schnecken wie Worthenia. Auch die Mikrofauna ist relativ arm. Örtlich können aber massenweise Foraminiferen auftreten. Bekannt hingegen sind die Fischfaunen der Seefelder Schichten.

Eigenschaften

Das Gestein ist von hellgrauer oder bräunlich-grauer Farbe mit deutlich geschichtetem Aufbau und starker Zerklüftung. Es ist ausgesprochen spröde und hart. Die Klüfte sind oft nachträglich mit Calcit verheilt, erkennbar an weißen Adern im Gestein.

Die Steinbachquelle bei Hollenstein an der Ybbs, eine Karstquelle im Bereich der vor allem aus Hauptdolomit gebildeten Oisbergmulde

Verwendung

Der Hauptdolomit wird, da er billig und etwas härter als Kalk ist, als Baumaterial (z. B. als Untergrund für den Straßenbau) verwendet, auch als Streusplitt für Gehwege ist er bekannt. Die Sprödigkeit des Gesteins lässt allerdings nur wenige Anwendungen als Schotter im technischen Sinn zu.

Das kluftreiche Gestein ist auch für die Versorgung mit Trinkwasser von Bedeutung. Wenn seine Schichtungen durch die alpidische Gebirgsbildung zu größeren Mulden gefaltet wurden, folgt ihnen der Verlauf des Grundwassers; so kann auch in unklaren Quellgebieten das unterirdische Einzugsgebiet abgeschätzt werden.

Siehe auch

Literatur

  • Alexander Tollmann: Analyse des klassischen nordalpinen Mesozoikums. Stratigraphie, Fauna und Fazies der Nördlichen Kalkalpen. Teil II der Monographie der Nördlichen Kalkalpen, Verlag Deuticke, Wien 1976, ISBN 3-7005-4412-X.
  • Jürg Meyer: Geologie und Gesteine, in: Manfred Hunziker: Ringelspitz/Arosa/Rätikon, Alpine Touren/Bündner Alpen, Verlag des SAC 2010, ISBN 978-3-85902-313-0, S. 31 ff.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Carl Wilhelm von Gümbel: Untersuchungen in den bayerischen Alpen zwischen Isar und Salzach. Jahrbuch der Geologischen Reichsanstalt, JG 7, Seiten 146-151.
  2. R. Lepsius: Einteilung der alpinen Trias und ihr Verhaltnis zur Ausseralpinen. Jahrbuch der Min. Geol. Paleont, Stuttgart 1876, Seiten 742-744.
  3. Donato A. Donofrio, Rainer Brandner, Werner Poleschinski: Conodonten der Seefeld-Formation. Ein Beitrag zur Bio- und Lithostratigraphie der Hauptdolomit-Plattform (Obertrias, westliche Nördliche Kalkalpen, Tirol), Geol. Paläont. Mitt. Innsbruck 2003, Band 26, S. 91–107. PDF-File
  4. Erich Thenius: Niederösterreich. Geologie der österreichischen Bundesländer in kurzgefassten Einzeldarstellungen. 2. erweiterte Auflage, Wien 1974, S.120.
  5. Donato A. Donofrio, Rainer Brandner, Werner Poleschinski: Conodonten der Seefeld-Formation. Ein Beitrag zur Bio- und Lithostratigraphie der Hauptdolomit-Plattform (Obertrias, westliche Nördliche Kalkalpen, Tirol), Geol. Paläont. Mitt. Innsbruck 2003, Band 26, S. 91–107. PDF-File

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