Hammett-Gleichung
Die Hammett-Gleichung stellt einen quantitativen Zusammenhang zwischen der Struktur von chemischen Reaktanten und deren Reaktivität her. Sie ist eine lineare freie Enthalpie-Beziehung (Linear Free Energy Relationships, LFER). Sie gilt allgemein, wird jedoch für unterschiedliche Reaktionen oder Reaktanten unterschiedlich parametrisiert. Die Gleichung fällt in das Teilgebiet der Physikalischen Organischen Chemie.
Allgemeines
Der amerikanische Chemiker Louis Plack Hammett entwickelte diese Beziehung für Substitutionsreaktionen an zweitsubstituierten Benzolen. Betrachtet man bei der alkalischen Hydrolyse von substituierten Benzoesäureestern die relativen Geschwindigkeitskonstanten bezogen auf den unsubstituierten Ester sowie den relativen pKs-Wert des Esters bezogen auf die entsprechend substituierte Benzoesäure, so erhält man bei doppeltlogarithmischer Darstellung den Graphen einer Linearfunktion. Eine Ausnahme bilden ortho-substituierte Benzoesäuren, da bei ihnen entropische Effekte aufgrund der Nähe der Estergruppe und des Zweitsubstituenden eine Rolle in der Reaktivität spielen.
Die allgemeine Form der Gleichung lautet:
mit
k: Geschwindigkeitskonstante
K: Gleichgewichtskonstante
Der Einfluss des Substituenten kann durch die Differenz der freien Gibb’schen Enthalpie der unterschiedlichen Reaktionen beschrieben werden. x bezeichnet einen unbestimmten Substituenten, H steht für den Referenzsubstituenten Wasserstoff:
Zusätzlich sei:
Man erkennt, dass auch
Man korreliert also eine kinetische Größe mit einer thermodynamischen, um auf eine Korrelation von Reaktivität und Struktur zu schließen. Man nutzt also den Zusammenhang zwischen Reaktivität und Kinetik, sowie zwischen Struktur und Thermodynamik, um über die dritte Verbindung von Kinetik und Thermodynamik in der Hammett-Beziehung, einen quantitativen Zusammenhang zwischen Reaktivität und Struktur herzustellen.
Für die Seitenkettenreaktionen von ortho- und para-substituierten Benzol-Derivaten gelten die beiden folgenden Formen der Hammett-Gleichung bezogen auf die Reaktionsgeschwindigkeiten bzw. Gleichgewichte.
log(ko) bzw. log(Ko) sind hierbei die Achsenabschitte, wenn am log(k) bzw. log(K) gegen die Substitutionskonstante σ bei konstanter Reaktionskonstante ρ aufträgt.
Ausgewählte Substitutionskonstanten substituierter Benzoesäuren:
Substituent | σ (meta) | σ (para) |
---|---|---|
CH3 | -0,07 | -0,16 |
C6H5 | 0,06 | -0,01 |
COOH | 0,37 | 0,45 |
NO2 | 0,71 | 0,78 |
OH | 0,13 | -0,38 |
Cl | 0,37 | 0,22 |
NH2 | 0,00 | -0,57 |
SH | 0,25 | 0,15 |
Parameter
Substituentenparameter
Da die Größe des Substituentenparameters auch von weiteren Reaktionsbedingungen, wie z. B. dem Lösungsmittel abhängt, werden im Allgemeinen standardisierte Substituentenparameter
Man unterscheidet zwei verschiedene Substituenteneffekte, die zu einem Substituentenparameter führen.
- Resonanz- oder Mesomerieeffekt (R oder M)
- Induktiver Effekt (I)
+I Effekten können nur von Alkylresten - über Hyperkonjugation - oder Substituenten die elektropositiver als Kohlenstoff sind - z.B. Silizium oder Bor ausgelöst werden. Sofern Induktive und Mesomere Effekte gegenläufig sind so dominiert im Allgemeinen der Mesomere Effekt. So findet man im Wesentlichen vier Substituententypen:
- Alkyl-Gruppen, -SiR3, -BR2 +I
-Akzeptorgruppen -R, -I
z. B. Carbonyl-, Nitro-, Nitril- oder Sulfatgruppen
- Gruppen mit ungebunden Elektronenpaaren +R, -I
z. B. sek. Amin-, Ether-, Thioether-, Halogenidgruppen
- Kationische Gruppen -I
z. B. -NR3+ oder -PR3+
Nichtlinearität
Mechanistische Effekte
Mechanistische Effekte sind ursächlich für eine Änderung im Reaktionsparameter
Weiterhin können Mechanismen mit Zwischenschritten zu nichtlinearem Verhalten führen. Im Allgemeinen ist der langsamste Reaktionsschritt in einer Folge verantwortlich für die Gesamtgeschwindigkeit. Durch Veränderung der Substituenten kann der geschwindigkeitsbestimmende Schritt einer Reaktionsfolge wechseln, infolgedessen es zu nichtlinearen Kurvenverläufen kommt. Ggf. besteht die Funktion auch nicht mehr aus linearen Teilbereichen, wenn der Wechsel langsam und kontinuierlich vonstattengeht. In diesem Fall erhält man Graphen mit einer Krümmung.
Konjugationseffekte
Konjugationseffekte führen zu einer Variation im Substituentenparameter
Dieser Sachverhalt kann bei der Aufklärung des Mechanismus einer Reaktion helfen. Findet man eine Korrelation mit
Als Bezugsreaktionen für
Trotz dieser drei möglichen Parametersysteme kann es zu nichtlinearem Verhalten kommen. In diesem Fall führt man einen zusätzlichen Parameter r ein, der als Wichtungsfaktor für eine Summe aus
Erweiterung nach Taft
In aliphatischen Systemen liegen Substituent und Reaktionszentrum in der Regel näher aneinander, sodass auch sterische Effekte berücksichtigt werden müssen. Weiterhin trennt man die Parameter
- Elektronische Effekte sind schwach in der sauren Hydrolyse
- Elektronische Effekte sind stark in der alkalischen Hydrolyse
- Keine Resonanzeffekte entlang einer gesättigten C-Kette
Allgemein lässt sich die Lineare freie Enthalpiebeziehung für diesen Fall aufstellen:
Mit den Annahmen (1) und (3) folgt:
Zusätzlich geben die Annahmen (2) und (3):
Mit den letzten beiden Gleichungen lässt sich ein Satz neuer Parameter definieren, sodass sich der sterische Parameter
Wenn man für
Den sterischen Parameter
Literatur
- John Shorter: Die Hammett-Gleichung – und was daraus in fünfzig Jahren wurde. In: Chemie in unserer Zeit. 19, Nr. 6, 1985, S. 197–208, doi:10.1002/ciuz.19850190604.