Glühen
Farbe | Temperatur |
---|---|
Dunkelbraun | 550 °C |
Braunrot | 630 °C |
Dunkelrot | 680 °C |
Dunkelkirschrot | 740 °C |
Kirschrot | 780 °C |
Hellkirschrot | 810 °C |
Hellrot | 850 °C |
Gut Hellrot | 900 °C |
Gelbrot | 950 °C |
Hellgelbrot | 1000 °C |
Gelb | 1100 °C |
Hellgelb | 1200 °C |
Gelbweiß | >1300 °C |
Unter Glühen versteht man in der Werkstoffkunde das Anwärmen, Durchwärmen und Abkühlen von Halbzeugen und Werkstücken zur Erzielung definierter Werkstoffeigenschaften. Glühen ist ein Teilgebiet der Wärmebehandlung und zählt nach DIN 8580 zu den Fertigungsverfahren durch Änderung der Stoffeigenschaft.
Unterteilung des Glühvorgangs
Man unterteilt den Glühvorgang in mindestens drei Phasen:
- Anwärmen (auch Aufwärmen oder Hochwärmen)
In der Anwärmphase wird das Werkstück auf die Haltetemperatur gebracht. - Halten
In der Haltephase wird das Werkstück bei einer konstanten Haltetemperatur gehalten. Sie dient dem Temperaturausgleich im Werkstück und der Gleichgewichtseinstellung chemischer und physikalischer Vorgänge im Werkstoff. Die dazu notwendige Dauer wird Haltezeit genannt und ist außer von dem zu erzielenden Ergebnis auch von der Werkstückgeometrie und der Anordnung der Werkstücke im Glühofen bzw. der Wärmebehandlungsanlage abhängig. - Abkühlen
In der Abkühlphase wird das Werkstück wieder auf Umgebungstemperatur gebracht.
Sowohl in der Anwärm- als auch in der Abkühlphase kann die Einhaltung spezifischer Anwärm- und Abkühlgeschwindigkeiten erforderlich sein.
Werkstoffe für hohe Anforderungen erfordern teilweise eine Auflösung der drei genannten Phasen in weitere Teilphasen. So existiert für den Werkstoff 2.4669 eine neunstufige Wärmebehandlung. Zur sprachlichen Unterscheidung werden solche komplexen Wärmebehandlungen auch Glühvorschrift oder Glühprogramm genannt. Wobei Glühprogramm homonym gebraucht wird und auch
- die zeitliche Abfolge von Glühungen verschiedener Werkstücke oder
- die Zusammenstellung der möglichen Glühungen für ein Produkt(-sortiment)
bedeuten kann.
Industriell werden zwei verschiedene Verfahren zum Glühen von Stahlband eingesetzt. In der Kontiglühe wird das Band abgewickelt und durchläuft kontinuierlich einen mehrere 100 m langen Ofen. Durch die Baulänge des Ofens begrenzt liegt die Glühzeit hierbei bei maximal 10 Minuten. Beim Haubenglühen kommen mehrere Coils in einen geschlossenen Ofen. Die Glühdauern können bis zu mehreren Tagen betragen, allerdings sind die Aufheiz- und Abkühlgeschwindigkeiten begrenzt. Die möglichen Temperaturen beim Haubenglühen reichen von 280 bis ca. 700 °C, bei Miteinwicklung von Draht sogar beliebig höher - allerdings muss in diesem Fall anschließend der Rand des Stahlbandes abgeschnitten und verschrottet werden.
Unterteilung nach Werkstoffeigenschaft
Der gewünschten Werkstoffeigenschaft entsprechend unterscheidet man zwischen:
Beim Weichglühen von Stahl werden vorhandene Ausscheidungen von Zementit oder Perlit reduziert, um die Härte und Festigkeit des Stahls zu reduzieren und die Verformung zu erleichtern. Typische Temperaturen hierfür sind 680 °C - 780 °C.[2])
Spannungsarmglühen findet bei relativ niedrigen Temperaturen zwischen 480 °C und 680 °C statt und bewirkt, dass Eigenspannungen des Werkstücks beseitigt werden, die durch mechanische Verformung oder Bearbeitung eingebracht wurden. Ansonsten sollen die Stahleigenschaften möglichst nicht verändert werden.[2]
- Normalglühen (Normalisieren)
Das Normalglühen von Stählen ist eines der wichtigsten Wärmebehandlungsverfahren. Es zielt auf die Bildung eines feinkörnigen Gefüges von Kristalliten, die gleichmäßig über das Werkstück verteilt sind, ab. Bei Stählen mit höherem Kohlenstoffgehalt liegt die Glühtemperatur knapp unter 800 °C; bei Stählen mit geringem Kohlenstoffgehalt steigt die Temperatur für das Normalglühen bis auf 950 °C.[2]
Beim Grobkornglühen soll die Größe der einzelnen Kristallite erhöht werden. Damit erniedrigt sich die Festigkeit und Zähigkeit des Materials, was bei bestimmten spanabhebenden Bearbeitungsmethoden gewünscht wird.[2]
Unter Rekristallisationsglühen versteht man die Wiederherstellung von Kristallitformen wie sie vor einer Kaltverformung vorgelegen haben. Hierzu wird das Werkstück auf Temperaturen knapp oberhalb der Rekristallationstemperatur gewöhnlich zwischen 550 °C und 700 °C aufgeheizt. Die Rekristallationstemperatur hängt von Material und Verformungsgrad ab.[2]
Diffusionsglühen dauert bis zu 2 Tage lang, findet bei recht hohen Temperaturen zwischen 1050 °C und 1300 °C statt und soll für eine gleichmäßige Verteilung von Fremdatomen im Metallgitter sorgen. Die Abkühlgeschwindigkeit bestimmt die Ausbildung der Phasen und somit die Stahleigenschaften.[2]
Beim Härten von unlegiertem Stahl in Abschrecköfen wird das Werkstück zunächst auf eine Temperatur zwischen 800 °C und 900 °C erwärmt, solange dass im Falle von Stahl mit niedrigem Kohlenstoffgehalt reiner Austenit vorliegt. Bei legierten Stählen kann die nötige Temperatur deutlich abweichen. Um Korrosion zu verhindern kann im Ofen exothermes Gas eingesetzt werden. Exothermes Gas wird in einem entsprechenden Gasgenerator aus Kohlenwasserstoffen erzeugt und enthält neben CO, H2 und N2 auch CO2 und H2O. Nach der Temperung wird der Stahl so schnell abgekühlt bzw. abgeschreckt, dass ein Wechsel der Kohlenstoffatome auf günstige Gitterplätze nicht stattfinden kann, weil die Diffusionsgeschwindigkeit der Kohlenstoffatome bei niedrigen Temperaturen zu gering wird um einen Wechsel der Zwischengitterplätze zu ermöglichen. Das Eisengitter ändert bei weiter sinkender Temperatur aber dennoch die Gitterstruktur und es entsteht der sogenannte Martensit oder martensitischer Stahl. Aufgrund von Gitterdefekten und -verspannungen ist Martensit sehr hart und fest, aber auch wenig verformbar und spröde.[2]
Nach dem Abschrecken ist der martensitische Stahl zwar sehr hart, aber auch sehr spröde. Dem kann durch erneutes Aufheizen, Anlassen genannt, entgegengewirkt werden. Im Temperaturbereich unter 100 °C erfolgt zunächst eine Anreicherung von Kohlenstoffatomen im Bereich von Gitterfehlern des martensitischen Stahls. Bei Temperaturen zwischen 100 °C und 200 °C beginnen Kohlenstoffatome aus ungünstigen Gitterplätzen des Eisens auszudiffundieren. Es beginnt die Ausscheidung von Eisencarbid. Bei einer weiteren Erhöhung der Temperatur wird dieser Vorgang beschleunigt. Über 320 °C verlassen praktisch alle Kohlenstoffatome ungünstige Zwischengitterplätze. Die Kombination von Abschrecken und Anlassen nennt man Vergüten. Über 400 °C findet keine signifikante Gefügeänderung mehr statt und der Stahl wird wieder weich. Bei mit Chrom, Vanadium, Molybdän und Wolfram legierten Stählen nimmt die Härte des Stahls in diesem Bereich aber wieder zu, da Carbide ausgeschieden werden. Diese Sekundärhärtung ist wichtig für Bauteile, die Ihre Härte bei Betrieb unter hohen Temperaturen behalten sollen.[2]
Beim Wasserstoffarmglühen werden die Werkstücke über mehrere Stunden auf Temperaturen zwischen 200 °C und 300 °C gehalten. Dabei entweichen die im Gefüge eingelagerten Wasserstoff-Atome, welche das Material spröde machen, durch Effusion aus den Bauteilen.