Geschwindigkeitsfilter
Ein Geschwindigkeitsfilter, nach seinem Entwickler Wilhelm Wien auch Wienfilter genannt, dient hauptsächlich dazu, aus dem Teilchenstrahl einer Ionenquelle nur diejenigen Teilchen den Filter passieren zu lassen, die eine bestimmte Geschwindigkeit besitzen, während alle übrigen im Filter „hängenbleiben“ – anders gesagt, kann man damit einen Teilchenstrom mit nur einer genau definierten Geschwindigkeit "präparieren", aber auch die Geschwindigkeit unbekannter geladener Teilchen bestimmen.
Aufbau und Funktionsweise
Elektrisch geladene Teilchen werden durch einen Plattenkondensator geschickt, der selbst vollständig innerhalb eines homogenen Magnetfelds liegt. Alle gerichteten Parameter dieser Anordnung (das vom Kondensator erzeugte elektrische Feld, das Magnetfeld und die Bahn des geladenen Teilchens) stehen dabei paarweise senkrecht aufeinander.
Wenn im nebenstehenden Bild positiv geladene Teilchen von links kommen, werden sie vom elektrischen Feld nach oben abgelenkt, vom Magnetfeld nach unten. Sind beide Kräfte gleich groß, ist die Gesamtkraft Null und die Teilchen fliegen geradeaus. Da die Lorentzkraft proportional zur Geschwindigkeit ist, bleiben nur Teilchen einer bestimmten Geschwindigkeit im Filter auf einer geradlinigen Bahn, alle anderen Teilchen werden abgelenkt und lassen sich durch eine Blende am Ausgang abfangen.
Da beide Kräfte nur auf geladene Teilchen wirken, müssen sie ggf. zunächst (z. B. durch einen Lichtbogen) ionisiert werden.[1]
Mathematische Betrachtung
Die Gewichtskraft des Teilchens kann in allen Berechnungen vernachlässigt werden.
Im Folgenden wird die Bedingung dafür hergeleitet, dass das Teilchen nicht abgelenkt wird (B : magnetische Flussdichte, E : Elektrische Feldstärke, q : Ladung, v : Geschwindigkeit):
Schulniveau
Ein Kräftegleichgewicht und damit eine geradlinige Durchquerung des Filters liegt vor, wenn für die elektrische Kraft $ F_{\text{El}} $ und die magnetische Kraft (Lorentzkraft) $ F_{\text{L}} $ gilt:
- $ \,F_{\text{El}}=F_{\text{L}} $
- $ q{\left|{\vec {E}}\right|}=qvB\qquad {\text{mit}}\qquad {\left|{\vec {E}}\right|}={\frac {U}{d}} $ (dabei ist d: Abstand Anode - Kathode, U: Spannung zwischen Anode - Kathode)
- $ {\frac {U}{d}}=vB $
- $ v={\frac {U}{Bd}}={\frac {\left|{\vec {E}}\right|}{\left|{\vec {B}}\right|}} $
Mit Verwendung des Vektorprodukts
Für die Bewegung im Feld gilt mit Hilfe des zweiten newtonschen Gesetzes:
- $ m{\dot {\vec {v}}}=m\cdot {\vec {a}}=q\cdot ({\vec {E}}+{\vec {v}}\times {\vec {B}}) $
Nichtablenkung bedeutet $ m\cdot {\vec {a}}=0 $.
- $ q{\vec {E}}=-q({\vec {v}}\times {\vec {B}}) $
Stehen Geschwindigkeit, elektrisches Feld und Magnetfeld jeweils senkrecht zueinander, gilt:
- $ v={\frac {\left|{\vec {E}}\right|}{\left|{\vec {B}}\right|}} $
Einsatzbereiche
Um Teilchen einer bestimmten Geschwindigkeit herauszufiltern, müssen das magnetische und das elektrische Feld also entsprechend angepasst werden. Von den Teilchen, die bei einer bestimmten magnetischen Flussdichte bzw. elektrischer Feldstärke den Wienfilter passieren können, kennt man durch obige Beziehung die Geschwindigkeit.
Masse und Ladung der Teilchen spielen für die Funktion des Filters keine Rolle, wie aus den Formeln ersichtlich.
Bei einem Massenspektrometer selektiert in der Regel ein Geschwindigkeitsfilter aus einem Ionenstrahl Teilchen einer bestimmten (damit bekannten) Geschwindigkeit heraus, um dann (z. B. mittels eines Magnetfeldes) die verschiedenen Massen zu trennen.
Geschwindigkeitsfilter werden sehr häufig in Teilchenbeschleunigern eingesetzt, zusammen mit anderen elektrostatischen und magnetischen Filtern bilden sie ein oft recht komplexes System zur Auswahl von Teilchen bestimmter Masse, Ladung und Geschwindigkeit.
Weblinks
- freepatentsonline: Wien filter, United States Patent 4019989 (englisch)
- Java-Applet zur Demonstration eines Wienfilters
- Simulationstool simuliert u. a. auch einen Geschwindigkeitsfilter