Drogenpolitik

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Drogenpolitik umfasst jenen Politikbereich, der sich mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Umgang mit Drogen beschäftigt. Traditionell eine Domäne der Innenpolitik, ist mittlerweile die Gesundheits- und Sozialpolitik dabei, den Ansatz von reiner Repressionspolitik zu einer eher ganzheitlichen Sichtweise zu verschieben.

Geschichte

Während das Bedürfnis, den Umgang mit psychoaktiven Substanzen zu thematisieren, bereits seit biblischen Zeiten dokumentiert ist, existiert eine eigenständige Drogenpolitik erst seit den späten 1960ern. Die Anfänge gehen international auf die 1920er und 1930er Jahre zurück, als viele bis dahin legale und als Medizin verkaufte Stoffe, teilweise pflanzlicher Natur, Kokain, Cannabis, teilweise halbsynthetisch hergestellte Substanzen wie Heroin international geächtet und verboten wurden.[1]

Wichtige Zeitpunkte in der Entwicklung der Drogenpolitik waren:

  • 25. März 1872: Regelung zu Cannabis in Deutschland – in der „Verordnung betreffend den Verkehr mit Apothekerwaren“ wird bestimmt, dass bestimmte „Drogen und chemische Präparate“ nur in Apotheken verkauft werden dürfen, darunter auch „Indischer Hanf – Herba Cannabis Indicae“, weitere Regelungen gibt es nicht. [2]
  • 1909: Die Internationale Opiumkommission wird in Shanghai gegründet.
  • 23. Oktober 1910: Der kaiserliche Gouverneur von Südwestafrika, dem heutigen Namibia, schreibt: „Das einzige stark narkotische Rauschmittel, das hier zum Genusse gelangt, ist das 'Dagga', eine Art Hanf, der aus der Kapkolonie eingeführt, auch teilweise hier im Lande von Buschleuten angebaut wird. Der mit 10 M (Mark) für roh 1 kg hierauf gelegte Einfuhrzoll soll prohibitiv wirken.“ [3]
  • 1911/1912: Erste Internationale Opiumkonferenz. Es wird eine „drogenfreie Welt“ beschlossen. Es ging hauptsächlich um Opium und dessen Abkömmlinge (Morphin, Codein, Heroin), aber erstmals auch um Kokain und, auf Antrag der italienischen Regierung, um ein Verbot von Cannabis. [4] Die italienische Regierung zog den Vorschlag jedoch zurück, zudem stellten die Delegierten fest, dass zu wenig Informationen und Statistiken über Cannabis vorlagen.
  • 1920: Deutschland muss als Folge des ersten Weltkrieges das erste Opiumgesetz erlassen.[5] Die Initiative hierzu stammte von der „Internationalen Vereinigung für den Kampf gegen das Opium in Peking und England“, auf deren Betreiben der Versailler Vertrag in Artikel 295 I um die Verpflichtung der Verliererstaaten ergänzt wurde, die Internationale Opiumkonvention von 1912 zu ratifizieren – und zwar gemäß Artikel 295 I binnen 12 Monaten.[6] In diesem Gesetz wurden Opium, seine Abkömmlinge, und Kokain strengen Regelungen unterworfen, Cannabis war aber nach wie vor legal in der Apotheke erhältlich.
  • 1924/1925: Die Genfer Opiumkonferenz beschließt ein globales Cannabisverbot. Dies kam durch die Hartnäckigkeit des ägyptischen Delegationsleiters El Guindy (neben Ägypten hatten auch Südafrika und die Türkei ähnliche Vorschläge eingebracht, beide Staaten verfolgten auf der Konferenz ihre Vorschläge aber nicht weiter). Er beantragte am 13. Dezember 1924, nachdem die Konferenz bereits einen knappen Monat tagte, dass Cannabis in die Liste der kontrollierten Substanzen aufgenommen werden sollte.[7]
  • Am 10. Dezember 1929 wurde die Opiumkonventionen vom Reichstag in Form des geänderten Opiumgesetzes in Deutschland gültig.[8] Seitdem ist Cannabis in Deutschland verboten. Allerdings war es weiterhin möglich, Cannabis aus Apotheken zu beziehen. Allmählich verschwand auch die medizinische Verwendung von Cannabis.
  • 13. Dez. 1964: Das UN-Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel tritt in Kraft.
  • 22. Dezember 1971: Im Zuge der internationalen Studentenbewegung, in Deutschland vor allem in der 68er-Bewegung, wird Cannabis wieder bekannt. Die Gesetzgeber ließen nicht lange auf sich warten, 1971 wurde eine von allen Parteien getragene Änderung des Opiumgesetzes verabschiedet. Das Gesetz trat am 25. Dezember in Kraft und wurde am 10. Januar 1972 nach einigen redaktionellen Änderungen neu bekannt gemacht.[9]
  • 1996: in der US-amerikanischen Zeitung San Jose Mercury erscheint unter dem Titel Dark Alliance eine Artikelserie des Muckraker Gary Webb, in dem die Involviertheit mehrerer US-Bundesbehörden in den Drogenschmuggel aus Lateinamerika belegt und kritisiert wird. Der Artikel sorgte in den USA für großes Aufsehen.
  • Thailand: Von Februar bis Mai 2003 führte die Regierung von Premierminister Thaksin Shinawatra eine „Antidrogenkampagne“ durch, in deren Verlauf etwa 3.000 Menschen getötet wurden. Menschenrechtsorganisationen vermuten, dass ein großer Teil der Morde auf das Konto von Angehörigen der Polizeikräfte geht.
  • Im April 2004 erklärt der afghanische vorläufige Präsident Hamid Karzai den „jihad on drugs“, nachdem die Opiumernte eine Rekordmenge von 3.600 Tonnen im Jahr 2003 erreicht hatte (das sind drei Viertel der Weltversorgung).

Im Juni 2011 kritisierte ein hochrangiges internationales Gremium (Mitglied unter anderem Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan) die repressive Drogenpolitik und kam zu dem Ergebnis, dass der weltweite Kampf gegen Drogen gescheitert ist.[11]


Thematische Abgrenzung

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Die Drogenpolitik wird in der Regel von zwei Ansätzen beherrscht, die sich – häufig unversöhnlich – gegenüberstehen. Die Kernfrage, ob und wie der Konsum von illegalen Drogen zu reglementieren ist, wird von diesen Ansätzen unterschiedlich beantwortet:

Zum einen existiert der „repressive“ Ansatz, der Drogen, ihren Anbau, die Herstellung, den Vertrieb sowie Besitz und Konsum verbieten will. Normatives Ziel ist eine Gesellschaft, die frei von Drogen lebt – die sogenannte drogenfreie Gesellschaft. Wie weit sie von Drogen frei sein soll, ist allerdings auch unter den Anhängern dieses Ziels umstritten. Global gesehen ist dies das herrschende Modell, es wird auch Prohibition genannt.

Zum anderen der „progressive“ Ansatz (oder auch „akzeptierende“ Ansatz), der dazu auffordert, sich der Tatsache zu stellen, dass eine drogenfreie Welt illusorisch ist und die betroffenen Drogen trotz Repression konsumiert werden. Es gilt durch verschiedene Programme Schadensminimierung (Harm-Reduction) zu betreiben (z. B. Vermittlung von Drogenmündigkeit sowie Drug-Checking). In Zukunft, so dieser Ansatz, sollte der Konsum von Drogen in privatem Rahmen erlaubt sein, aber gleichzeitig Programme zur Suchtprävention, zum Ausstieg aus der Sucht, aber auch Informationen, die einem verantwortungsvollem Umgang mit der jeweiligen Substanz erst ermöglicht, angeboten werden.

Ob der Schutz des Individuums besser durch den „repressiven“ oder „progressiven“ Ansatz geleistet wird, ist nicht nur in der Politik strittig. Die Wissenschaft ist bislang ebenfalls nicht in der Lage, sich über die „richtige“ Drogenpolitik zu einigen, wobei jedoch anzumerken ist, dass bereits wiederholt von Regierungs- bzw. Gesundheitsbehördenseite (WHO) Studien über Gefährlichkeit von diversen Drogen bzw. der Erfolgsbilanz des War on Drugs in Auftrag gegeben worden waren, die Ergebnisse jedoch unter Verschluss gehalten wurden, da diese nicht die von Auftraggeberseite erwünschte Politik bestätigten. Es mehren sich im Allgemeinen die Stimmen, die darauf hinweisen, dass die Verfolgung von Drogenkonsumenten diesen und der gesamten Gesellschaft gegenüber kontraproduktiv ist.

Auch die Frage, ob es dem Staat überhaupt zusteht, sich in die Drogenpolitik einzumischen, wird angezweifelt. Die Freiheitsbeschränkungen heutiger Drogenpolitik stehen im Widerspruch zu den international anerkannten Menschenrechtsabkommen und meist auch im Widerspruch zu den in den nationalen Verfassungen garantierten Bürgerrechten.[12]

Eine andere Frage, deren Beantwortung das Drogen(politik)problem einer Lösung näher bringen würde, ist: Sind die sogenannten Drogenprobleme das Resultat der staatlichen und gesellschaftlichen Repression auf die Konsumenten illegaler Drogen oder liegen die Ursachen für das Problem in dem Gebrauch von illegalen Drogen an sich begründet? Weithin unabhängig von wissenschaftlichen Erkenntnissen hat sich eine rechtliche Klassifizierung von Drogen in legal und illegal etabliert, die die Konsumenten in „brave Bürger“ und „gesetzlose Verbrecher“ unterteilt.

Drogenpolitische Aktivitäten verteilen sich traditionell über das komplette Spektrum der durch Ressortdefinitionen abgegrenzten Politikfelder:

Innenpolitik

Rechtstheoretisch fragwürdig sind jene Teile des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) als Teil des Strafrechts, nach denen der einzige „Geschädigte“ – so heißt es im Jargon – der Angeklagte bzw. Verurteilte selbst ist (u.a. Erwerb/Besitz zum Eigengebrauch).

Gesundheitspolitik

  • Planung und Durchführung von Modellversuchen zur Reintegration asozialer Konsumenten illegaler Drogen

Drogenpolitik in der Schweiz

Die Schweizer Drogenpolitik wird als die sogenannte Viersäulenpolitik bezeichnet.[13] Die vier Säulen sind:

  1. Prävention
  2. Therapie
  3. Schadensminderung (dazu gehört auch die Substitutionstherapie Opioidabhängiger, d.h. die Abgabe von Methadon und Heroin an Schwerstsüchtige)
  4. Repression und Marktregulierung

Diese differenzierte Politik ist entwickelt worden, nachdem anfangs 90er Jahre die repressive Drogenpolitik zu unhaltbaren offenen Drogenszenen geführt hatte, etwa auf dem Platzspitz in Zürich.

Die Schweizer Drogenpolitik ist in verschiedenen Volksabstimmungen bestätigt worden. So ist etwa die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes am 30. November 2008 mit einem Ja-Stimmenanteil von 68,1 % angenommen worden.

Niederländische Drogenpolitik

Die Niederländische Drogenpolitik und das niederländische Opiumgesetz (nl. Opiumwet) unterscheiden „Weiche Drogen und „harten Drogen“: der Erwerb, Besitz und Konsum dieser „weichen Drogen“ führt in bestimmten Fällen nicht zu einer Strafverfolgung.


Siehe auch

Literatur

  • Thomas Szasz: Ceremonial Chemistry: The Ritual Persecution of Drugs, Addicts, and Pushers. London 1974, dt. Das Ritual der Drogen, Frankfurt am Main: Fischer Tb, 1982 - Szasz war einer der ersten, der die etablierte Drogenpolitik radikal kritisierte
  • Timothy Leary: Über die Kriminalisierung des Natürlichen, Der Grüne Zweig, 1993, ISBN 3-922708-39-0
  • Andrew Weil: Drogen und höheres Bewusstsein, AT Verlag, 2000, ISBN 3-85502-684-X
  • Günter Amendt: No Drugs – No Future. Drogen im Zeitalter der Globalisierung, Europa Verlag, Hamburg, 2003, ISBN 3-203-75013-9
  • Frank Nolte, Stephan Quensel & Anja Schultze: Wider besseres Wissen. Die Scheinheiligkeit der Drogenpolitik, Ed. Temmen, Bremen, 1996, ISBN 3-86108-295-0
  • Jürgen Neumeyer & Gudrun Schaich-Walch (Herausgeber): Zwischen Legalisierung und Normalisierung. Ausstiegsszenarien aus der repressiven Drogenpolitik, Schüren Presse, Marburg, ISBN 3-89472-249-5
  • Jens Kalke: Innovative Landtage. Eine empirische Untersuchung am Beispiel der Drogenpolitik, 2001, ISBN 3-531-13615-1
  • Ted Galen Carpenter: Bad Neighbor Policy: Washington's Futile War on Drugs in Latin America, Palgrave 2003, ISBN 1-4039-6137-9
  • Tilmann Holzer: Die Geburt der Drogenpolitik aus dem Geist der Rassenhygiene : deutsche Drogenpolitik von 1933 bis 1972, Norderstedt : Books on Demand, 2007
  • Natalie Mayer: Der U.S.-amerikanische Drogenkrieg in Kolumbien. Zur "Innenseite der Außenpolitik",

Hamburg 2008, 172 Seiten, ISBN 978-3-8300-3840-5

  • Jack Herer: Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf. Hrsg. von Mathias Bröckers, Zweitausendeins, Frankfurt a.M., 1993, 526 S., ISBN 3-86150-026-4
  • Gundula Barsch: Die Drogengeschichte der DDR 1. Verlag Neuland, 2009. 978-3875812732 (Barsch, lehrt im Gebiet 'Drogen und soziale Arbeit' an der Hochschule Merseburg)
  • Eidgenössische Kommission für Drogenfragen (EKDF): Drogenpolitik als Gesellschaftspolitik. Ein Rückblick auf dreissig Jahre Schweizer Drogenpolitik. Zürich: Seismo Verlag, Sozialwissenschaften und Gesellschaftsfragen, 2012, ISBN 978-3-03777-114-3

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Tilman Holzer: Globalisierte Drogenpolitik. Die protestantische Ethik und die Geschichte des Drogenverbotes, VWB, Berlin, 2002, ISBN 3-86135-245-1
  2. Reichsgesetzblatt, 1872, S. 85-89
  3. Bundesarchiv, Berlin/R 1501/110393/128
  4. International Opium Conference, Summary of the Minutes, 1912, The Hague, S. 76
  5. Verordnung über den Verkehr mit Opium und anderen Betäubungsmitteln vom 20. Juli 1920 (RGBl. I S. 1464) und insbesondere das Erste Deutsches Opiumgesetz vom 30. Dezember 1920 (RGBl. 1921, I S. 2)
  6. „Diejenigen der hohen vertragschließenden Teile, die das Haager Opium-Abkommen vom 23. Januar 1912 noch nicht unterzeichnet oder nach der Unterzeichnung noch nicht ratifiziert haben, erklären sich damit einverstanden, das Abkommen in Kraft zu setzen und zu diesem Zwecke sobald wie möglich und spätestens binnen 12 Monaten nach dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages die nötigen Gesetze zu erlassen.“ RGBl. 1919, II S. 1103
  7. League of Nations 1925; Records of the Second Opium conference, Volume I, Plenary Meetings, S. 132-135
  8. Das Gesetz über das Internationale Opiumabkommen vom 19 Februar 1925 wurde im Deutschen Reich per Gesetz vom 26. Juni 1929 zu innerstaatlichem Recht deklariert (RGBl. 1929, II S. 407); Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Opiumgesetz) vom 10. Dezember 1929 (RGBl. 1929, I S. 215)
  9. Das neue Betäubungsmittelgesetz wurde am 22. Dezember 1971 unterzeichnet, am 24. Dezember 1971 im Bundesgesetzblatt (I S. 2092) veröffentlicht und am 25. Dezember 1971 in Kraft gesetzt. Nach einigen redaktionellen Änderungen wurde das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln am 10. Januar 1972 neu bekannt gemacht (BGBl. I. S. 1).
  10. Großbritannien: Geheimbericht erklärt Anti-Drogen-Krieg für gescheitert
  11. taz.de 3. Jui Seite 2: Der Kampf gegen Drogen ist gescheitert
  12. Terence McKenna: “We're playing with half a deck as long as we tolerate that the cardinals of government and science should dictate where human curiousity can legitimately send its attention and where it can not. It's an essentially preposterous situation. It is essentially a civil rights issue, because what we're talking about here is the repression of a religious sensibility. In fact, not a religious sensibility, the religious sensibility.”. In: Non-Ordinary States Through Vision Plants, Sound Photosynthesis, Mill Valley CA., 1988, ISBN 1-56964-709-7
  13. Bundesamt für Gesundheit - Viersäulenpolitik. Bundesamt für Gesundheit (BAG), abgerufen am 15. März 2011.

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