Belousov-Zhabotinsky-Reaktion

Belousov-Zhabotinsky-Reaktion

Datei:Bzr fotos.jpg
BZR in einem gerührten System mit Ferroin
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BZR in einer dünnen Schicht, eine Wellenfront ist gelb markiert
BZR in einem gerührten Ansatz, Transmissionsmessung im roten Wellenlängenbereich

Die Belousov-Zhabotinsky-Reaktion (BZR oder BZ-Reaktion) ist das klassische Beispiel für einen homogenen chemischen Oszillator. Sie dient häufig zur Veranschaulichung chaotischer Systeme. Es handelt sich um ein System mehrerer chemischer Reaktionen, das eine zeitliche Oszillation zeigt, was für chemische Reaktionen eigentlich unüblich ist. Anfangs hielt man die Reaktion für einen Messfehler oder Artefakt, da der zweite Hauptsatz der Thermodynamik einen solchen Vorgang zu verbieten schien. Dieser Satz der Physik besagt, dass sich aus einem ungeordneten Zustand von allein (also ohne Zufuhr externer Energie) kein geordneterer Zustand bilden kann. Dieser Satz ist hier aber nicht anwendbar, da er nur für geschlossene Systeme gilt, die nahe dem Gleichgewicht liegen. Die Belousov-Zhabotinsky-Reaktion liegt diesem aber sehr fern und kann deswegen dieses außergewöhnliche Verhalten zeigen.

Klassisch wird die Belousov-Zhabotinsky-Reaktion in einer Petrischale durchgeführt (siehe Abbildung rechts), weil man so sehr schön, z. B. mittels Tageslichtprojektor, Muster sieht, die sich wie kreisförmige Wellen ausbreiten.

Das Prinzip des chemischen Oszillators lässt sich auch mit anderen Reaktionssystemen zeigen, wie beispielsweise mittels der sogenannten Ioduhr (Briggs-Rauscher-Reaktion).

Geschichte

Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts wurden oszillierende chemische Systeme gefunden und beschrieben. So berichtete Fechner bereits 1828 über oszillierende Elektrodenprozesse. 1899 und 1900 legte dann Wilhelm Ostwald eine genauere Untersuchung von Spannungs- und Korrosionsoszillationen an Chrom in Salzsäure und Eisen in Salpetersäure vor. Jedoch handelte es sich bei all diesen Oszillationen um heterogene Reaktionen. So basieren etwa die von Ostwald untersuchten Reaktionen darauf, dass sich an Elektroden (fest/solid) Deckschichten periodisch aus Lösungen heraus bilden und wieder auflösen. Dadurch ergeben sich periodische Schwankungen im Strom, der durch die Elektroden fließt. 1920 beobachtete dann Bray eine Oszillation bei der Umsetzung von Wasserstoffperoxid mit Iodsäure und Iod als Katalysatoren. Man vermutete, dass hier Gasbläschen oder Staubkörner die Grenzflächen bildeten, da man homogene oszillierende Systeme für ausgeschlossen hielt.

Um 1950 entdeckte Boris Pawlowitsch Beloussow (Борис Павлович Белоусов) die Belousov-Zhabotinsky-Reaktion eher zufällig. Er konnte bei der Oxidation von Zitronensäure mit schwefelsaurer Bromatlösung und Cer-Ionen als Katalysator einen periodisch auftretenden Wechsel der Farbe der Lösung zwischen gelb und farblos beobachten. Da diese Beobachtung aus demselben Grund wie bei Bray als zu unwahrscheinlich erschien, gelang es Beloussow erst 1959, einen kurzen Artikel darüber zu veröffentlichen. S. E. Schnoll erkannte die Bedeutung dieser Reaktion und beauftragte Anatoli Markowitsch Schabotinski (Анатолий Маркович Жаботинский) mit der Untersuchung des beschriebenen Phänomens.

Langsam zeigten auch nicht-russische Wissenschaftler Interesse an oszillierenden Reaktionen, und eine umfassende Erforschung der mit ihnen zusammenhängenden Phänomene begann. So wurden etwa Raumstrukturen (kreisförmige Muster) entdeckt, die sich in einer dünnen Schicht einer Lösung der Belousov-Zhabotinsky-Reaktion bilden können.

1977 erhielt dann Ilya Prigogine den Nobelpreis für Chemie für seine bedeutenden Forschungen auf dem Gebiet der Thermodynamik. Er untersuchte weit vom Gleichgewicht entfernte Systeme (sog. dissipative Strukturen), die sowohl in der Chemie (die Belousov-Zhabotinsky-Reaktion gehört zu dieser Klasse von Vorgängen) als auch in der Physik, der Biologie (z. B. Lotka-Volterra-Modell für Räuber-Beute-Systeme) und der Soziologie vorkommen. Nach diesem Nobelpreis wurden 1980 Beloussow (posthum), Zhabotinsky und mit ihnen Zaikin, Krinsky und Ivanitzky gemeinsam mit dem Leninpreis, der höchsten wissenschaftlichen Auszeichnung der Sowjetunion, geehrt.

Reaktionen

An der Reaktion sind Lösungen von vier Stoffen, Kaliumbromat, Malonsäure, Kaliumbromid und konzentrierter Schwefelsäure, sowie Ferroin oder ein anderer Redoxindikator beteiligt. Bei der Reaktion wechselt der Zustand des Indikators ständig zwischen der reduzierten und der oxidierten Form, was einen typischen Farbwechsel verursacht. Bei Ferroin als Indikator wechselt die Farbe zwischen Blau (Ferriin, mit Fe3+) und Rot (Ferroin, mit Fe2+), bei Cer zwischen Gelb (Ce4+) und Farblos (Ce3+), bei Mangan zwischen Rot (Mn3+) und Farblos (Mn2+) . Die Reaktion verläuft nicht beliebig lange, da sowohl Malonsäure als auch Bromat verbraucht werden.

Während der Reaktion treten drei verschiedene Prozesse (A, B, und C) mit jeweils mehreren Reaktionen auf. Prozess A ist nicht-radikalisch, der Redoxindikator ist nicht beteiligt. Im Wesentlichen wird Bromid verbraucht und zu Monobrommalonsäure umgesetzt. Während dieser Reaktion entsteht Bromige Säure, die wieder weiter umgesetzt wird.[1]

$ \mathrm {2\ Br^{-}+BrO_{3}^{-}+3\ H^{+}+3H_{2}Mal\longrightarrow 3\ HBrMal+3\ H_{2}O} $
Gesamtreaktion des Prozesses A

Ist viel Bromid verbraucht, ermöglicht dies, dass die Reaktionen des Prozesses B ablaufen können. Dieser ist radikalisch und läuft mit dem Redoxindikator ab. Bromige Säure wirkt dabei in einer ersten Reaktion als Autokatalysator (siehe Autokatalyse), wobei sich die Konzentrationen an bromiger Säure pro Reaktion verdoppelt.

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Bei größeren Konzentrationen an bromiger Säure reagiert diese zu Hypobromiger Säure, so dass sich eine Gesamtreaktion für Prozess B von

$ \mathrm {BrO_{3}^{-}+5H^{+}+4\ Ce(III)\longrightarrow 4\ Ce(IV)+HOBr+2\ H_{2}O} $

ergibt.

Damit eine Oszillation möglich ist, muss es noch eine weitere Reaktion geben, bei der das verbrauchte Bromid wieder zurückgebildet wird. Dies ist der Prozess C, bei dem Malonsäure, Monobrommalonsäure, Hypobromit und der Redoxindikator unter Bromidbildung miteinander reagieren.

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Weiteres Bromid entsteht durch die Zersetzung der Hydroxymalonsäure mit Bromat zu Kohlenstoffdioxid und Wasser.

Modell für den Reaktionsablauf

Im folgenden soll ein einfaches Modell für die BZR geschildert werden. Das folgende Bild dient zur Veranschaulichung:

Bzr wasserrad.png

Im Anfangszustand A liegen neben den Edukten (Bromat, Malonsäure) vor allem Bromid und Ferroin in der Lösung vor. Nun kann Reaktion I ablaufen, die das Bromid verbraucht und Malonsäure bromiert. Das System geht so in den Zustand B über, in dem nahezu kein Bromid mehr vorliegt. Das Bromid hemmt schon in kleinsten Konzentrationen das Ablaufen der Reaktion II, sodass diese am Anfang keine Rolle spielt. Nun kann sie aber ablaufen und oxidiert das Ferroin, was zu einem Farbumschlag der Lösung nach blau führt. Das System befindet sich nun im Zustand C, in dem die Lösung Ferriin und kein Bromid enthält. Die Reaktion III kann nun ablaufen und reduziert das Ferriin wieder zu Ferroin, wobei auch Bromid wieder zurückgebildet wird. Außerdem entsteht noch Ameisensäure als Produkt. Dieser Zustand entspricht gerade wieder dem Ausgangszustand A.

Dieses Modell ist stark vereinfacht. Es gibt Arbeiten, in denen bis zu 20 Teilgleichungen benutzt werden, um eine sehr genaue Modellierung des Systems zu erreichen.

Mathematische Modelle

Datei:Bruesselator.png
Brüsselator: Konzentrationsverlauf der beteiligten Reaktanten (links) und Simulation auf einem zellulären Automaten (rechts)

Es wurden verschiedene mathematische Modelle ausgearbeitet, um den Verlauf von chemischen Oszillatoren abzubilden. Dazu zählen:

Der Brüsselator ist sehr einfach, aber physikalisch unrealistisch. Er liefert aber Ergebnisse, die sehr nahe an der BZR liegen (siehe Abbildung). Außerdem ist das System relativ einfach und kann mathematisch gut analysiert werden. Oft kann man Modelle für die BZR auch mit einem zellulären Automaten simulieren und erhält so auch Modelle für die räumlichen Muster in der BZR.

Strukturformeln beteiligter Substanzen

Einzelnachweise

  1. Richard J. Field, Friedmann W. Schneider: Oszillierende chemische Reaktionen und nichtlineare Dynamik. In: Chemie in unserer Zeit. 1988, 22, 1, S. 17-29, doi:10.1002/ciuz.19880220104.
  2. R. J. Field & Richard M. Noyes (1974): Oscillations in chemical systems. IV. Limit cycle behavior in a model of a real chemical reaction. J. Chem. Phys. 60:1877-84).

Literatur

  • B. P. Belousov: Eine periodische Reaktion und ihr Mechanismus. In: L. Kuhnert , U. Niedersen (Hrsg.): Selbstorganisation chemischer Strukturen. Verlag Harri Klein, Frankfurt/Main 1981, S. 73-82.
  • A. M. Zhabotinsky: Eine periodische Oxydationsreaktion in flüssiger Phase. In: L. Kuhnert, U. Niedersen (Hrsg.): Selbstorganisation chemischer Strukturen. Verlag Harri Klein, Frankfurt/Main 1964, S. 83-89.
  • I. P. Epstein, K. Kustin, P. De Kepper, M. Orb´an: Oszillierende chemische Reaktionen. In: Spektrum der Wissenschaft, S. 98-107, Mai 1983.
  • R. J. Field: Das Experiment: Eine oszillierende Reaktion. In: Chemie in unserer Zeit, 7. Jahrg 1973, Nr. 6, S. 171–176, doi:10.1002/ciuz.19730070603
  • R. J. Field, F. W. Schneider: Oszillierende chemische Reaktionen und nichtlineare Dynamik. In: Chemie in unserer Zeit, 1/22, S. 17-29, 1988, doi:10.1002/ciuz.19880220104
  • U. F. Franck: Chemische Oszillationen. In: Angew. Chem., 90, S. 1-16, 1978.
  • J. Walker: Oszillierende chemische Reaktionen. In: Spektrum der Wissenschaft, S. 131-137, Mai 1980.

Weblinks