Amylasen

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Amylasen (von griechisch Amylon = Stärkemehl) sind Enzyme, die bei den meisten Lebewesen vorkommen und dort Polysaccharide abbauen. Heutzutage wird α-Amylase auch gentechnisch hergestellt. [1] Ihre Wirkung besteht darin, dass sie Polysaccharide (z. B. Stärke) an den Glykosidbindungen spalten und abbauen. Entdeckt wurde Amylase (damals noch Diastase) 1833 von dem französischen Chemiker Anselme Payen in einer Malzlösung. Diastase war das erste Enzym, das man entdeckte.

Amylase ist als Hydrolase (ein Enzym, das hydrolytisch spaltet) oder auch als Glykosidase eingestuft (ein Enzym, das Polysaccharide spaltet).

Wirkungsspezifität

Speichelamylase; grün=Chlorid-Ion, gelb=Calcium-Ion
  • α-Amylase (EC 3.2.1.1) spaltet die α(1-4)-Glykosidbindung der Amylose. Dadurch entstehen Dextrine und daraus Maltose, Glucose und verzweigte Oligosaccharide. Beim Menschen gibt es fünf Isoformen der α-Amylase, deren Gene mit AMY1A, AMY1B, AMY1C (alle drei heißen Speichel-Amylase) und AMY2A sowie AMY2B (beides Pankreas-Amylase) benannt sind.
  • β-Amylase (EC 3.2.1.2) spaltet vom Kettenende her jeweils ein Maltosemolekül nach dem anderen ab. Sie kann daher umso besser wirken, je mehr Kettenenden durch die α-Amylase bereits entstanden sind. Diese Amylase kommt in Bakterien und Pflanzen vor.
  • γ-Amylase (EC 3.2.1.3) spaltet vom Kettenende her jeweils ein β-D-Glucose nach dem anderen ab. Ihr Vorkommen ist beschränkt auf Pilze. Die menschliche Maltase-Glucoamylase im Darm katalysiert eine ähnliche Reaktion, gehört aber nicht zu den Amylasen.
  • Isoamylasen (EC 3.2.1.68) kommen nur in Pflanzen und Bakterien vor und spalten die 1,6-Glykosidischen Verzweigungen von Glycogen und Amylopectin, ähnlich dem Glykogen-Debranching-Enzym.

Wirkung im Pflanzenreich

Amylasen werden während des Reifungsprozesses in Getreidekörnern und Früchten gebildet. Sie wandeln dort die Stärke zu Zucker um – dadurch können Getreidekörner keimen, bzw. Früchte werden süßer. Sie sind nötig, um das wasserunlösliche „Speicher-Kohlenhydrat“ Stärke wieder in wasserlösliche Einfach- und Doppelzucker (also Monosaccharide und Disaccharide) zu verwandeln. Erst in dieser Form kann der Keimling sie aufnehmen und damit neue Zellen aufbauen.

Wirkung der α-Amylasen im menschlichen Körper

Die α-Amylasen werden in der Bauchspeicheldrüse (Pankreas-Amylase) und in den Speicheldrüsen der Mundhöhle (Speichel-Amylase) gebildet. Im Rahmen der Krebsdiagnostik spielt selten auch der Nachweis von Amylase aus den Eierstöcken und der Lunge eine Rolle. Der größte Teil des Enzyms wird in den Verdauungstrakt ausgeschüttet. Mit der Nahrung aufgenommene Kohlenhydrate werden dadurch für den Körper verwertbar. Nur ein Bruchteil gelangt ins Blut.

pH-Wert- und Temperaturoptimum

Amylasen arbeiten wie alle Enzyme nur in einem bestimmten pH-Wert-Bereich (von pH 3,5 bis pH 9). Das Optimum der Aktivität hängt von der Herkunft der Amylasen ab: Amylasen, die aus Pilzkulturen gewonnen wurden, haben ihr Optimum bei pH 5,7, tierische und aus Bakterienkulturen gewonnene Amylasen weisen die höchste Aktivität eher im neutralen bis alkalischen Bereich.[2] Im (stark) sauren Milieu denaturieren sie, funktionieren also bei starker Ausschüttung von Magensäure (zur Eiweiß-Denaturierung) im Magen nicht. Ebenso können Fruchtsäuren die Enzyme hemmen. Das Temperaturoptimum der Amylasen liegt bei etwa 45 °C.[2]

Krankheitssymptome

Eine erhöhte Amylase-Aktivität im menschlichen Blut kann gemessen werden bei:

  • Mumps (Parotitis, ugs.: Ziegenpeter), einer viralen Entzündung der Speicheldrüsen
  • akuter Pankreatitis, wegen der Beschädigung der Amylase-produzierenden Zellen
  • chronischer Pankreatitis
  • Abflusstörungen der Gallenwege (Cholestase)
  • Nierenversagen, wegen der verringerten Ausscheidung

Die Messung des Amylase-Werts ist einfach durchzuführen. Er war der Haupttest für Pankreatitis, wurde aber durch die Messung der Lipase-Aktivität teilweise verdrängt, bleibt aber ein wichtiger Parameter zur Abklärung von Oberbauchbeschwerden. Labore messen in der Regel entweder den Wert der Pankreas-Amylase oder die Gesamtamylase. Wird nur die Pankreas-Amylase gemessen, kann ein durch Speicheldrüsenerkrankungen erhöhter Wert nicht nachgewiesen werden.

Normalwerte beim Menschen

Je nach verwendeter Methode finden sich erhebliche Unterschiede

  • Serum
    • Alpha-Amylase, gesamt 28–100 U/l
    • Alpha-Amylase, Pankreas 13–53 U/l
    • Alpha-Amylase, Speicheldrüse < 47 U/l
    • Neugeborene Alpha-Amylase, gesamt < 80 U/l
  • Urin (Messung 37 °C)
    • Spontanurin < 460 U/l
    • Sammelurin < 270 U/l

Einsatz in der Lebensmitteltechnologie

Beim Bierbrauen werden die natürlicherweise im Getreide vorkommenden Enzyme genutzt. Die Keimung wird angeregt und durch Darren abgebrochen (Mälzen). Im sogenannten Maischen werden in den Temperatur- und pH-Wert-Optima die Amylasen genutzt, um die Stärke des Getreides in vergärbare Einzel- und Doppelzucker, aus denen die obergärigen und/oder untergärigen Hefen Alkohol und CO2 vergären. Biotechnologisch hergestellte Amylasen (aus Bakterien bzw. Schimmelpilzkulturen, v.a. Aspergillus oryzae) werden als Mehlbehandlungsmittel eingesetzt, wenn das Mehl zu wenig Gasbildungsvermögen aufweist. Durch die Amylasen entstehen vergärbare Einzel- und Doppelzucker, die bei der Gare in Ethanol und Kohlendioxid umgewandelt werden und somit den Teig aufgehen lassen. Außerdem erhalten die Gebäcke nach der Behandlung eine bessere Bräunung. Bei Roggen muss der Amylasetätigkeit u.a. durch Säuerung der Teige entgegengewirkt werden, um die Backfähigkeit dieses Getreideproduktes zu gewährleisten (siehe Sauerteig).

Verwendung in Medikamenten

Medikamente, die hauptsächlich auf α-Amylasen basieren, werden als Filmtabletten unter anderem zur Behandlung von leichten Halsschmerzen verwendet, sofern diese nicht durch Fieber begleitet werden.

Klassifikation

Amylasen bilden die Familien 13, 14 und 15 in der Klassifikation der Glykosidasen nach Henrissat.[3]

Einzelnachweise

  1. Perspektiven der Grünen Gentechnik durch Forschung und Entwicklung
  2. 2,0 2,1 Ternes, Täufel, Tunger, Zobel: Lebensmittel-Lexikon, Behr’s Verlag, 4. Auflage 2005, ISBN 3-89947-165-2
  3. Bernard Henrissat: Glycosyl hydrolase families: classification and list of entries

Weblinks

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