121. Polysaccharide
Polysaccharide oder Mehrfachzucker sind Kohlenhydrate, die aus mindestens 10 Monosacchariden (Einfachzuckern) bestehen. Polysaccharide sind Biopolymere, wie beispielsweise Glycogen, Stärke (Amylose und Amylopektin), Pektine, Chitin, Callose und Cellulose.
Polysaccharide spielen für Pflanzen, Tiere und natürlich auch Menschen eine wichtige Rolle als Reserve- und Nährstoffe. Sie sind zum Beispiel in Getreidekörnern und Kartoffeln vorzufinden. Pflanzliche Zellwände bestehen zu über 50 % aus Cellulose und Hemicellulose, letztere ist ein Gemisch aus Polysacchariden, das eine stützende Funktion in der Zellwand übernimmt.
Grüne Pflanzen produzieren aus CO2 und H2O mit Hilfe der Photosynthese unter Ausnutzung der Lichtenergie primär Glucose, aus der dann weitere Kohlenhydrate aufgebaut werden, wie etwa Stärke oder Cellulose:
$ \mathrm { 2824 \ kJ + 6 \ CO_2 + 6 \ H_2O \ \longrightarrow C_6H_{12}O_6 + 6 \ O_2 }$
Die Stärke
Stärke ist ein Polysaccharid mit der Formel (C6H10O5)n, das aus α-D-Glucose-Einheiten besteht. Das Makromolekül zählt daher zu den Kohlenhydraten.
Stärke ist einer der wichtigsten Reservestoffe in pflanzlichen Zellen, während der tierische bzw. menschliche Organismus sowie Pilze Glykogen als Kohlenhydratspeicher benutzen. Stärke findet sich in Form charakteristisch geformter Körnchen in den Zellen verschiedener Pflanzenorgane.
Diese Stärkekörner besitzen, je nach Pflanzenart, eine unterschiedliche Größe und Form. Sie können kugelig, oval, linsen- oder spindelförmig aussehen. Manchmal finden sich mehrere Körner zu einem abgerundeten Ganzen zusammen (zusammengesetzte Stärkekörner). Die Blaufärbung von Stärke durch Iod-Kaliumiodid-Lösung (oder im Laborjargon Iod-Iodkalium) ist eine empfindliche Nachweisreaktion von Stärke (Iod-Stärke-Reaktion).
Die Versuche 1 und 3 haben uns Anhaltspunkte geliefert, wie ein Stärkemolekül aufgebaut ist. Genau wie die Saccharose beim Kochen mit Säure in einzelne Monosaccharide gespalten wird (in Glucose und Fructose), so zerfällt auch die Stärke bei Einwirkung von Säure unter Wasseraufnahme in einfache Bausteine (in Glucosemoleküle). Die anschließend durchgeführte Fehling-Probe bestätigt dies. Bei der Hydrolyse der großen Stärkemoleküle entstehen immer kleinere Bruchstücke, bis schließlich überwiegend Glucosemoleküle vorliegen.
$ \mathrm { \underbrace {Stärke}_{Polysaccharid} + Wasser \ \ {\overset { \ Hydrolyse} {\underset { \ Kondensation} {\large \rightleftharpoons} }} \ \ \underbrace {Glucose}_{Monasaccharid} }$
Die chemische Reaktion, die in der biologischen Zelle bei der Bildung der Stärke aus Glucosemolekülen abläuft, nennt man Polykondensation. Die erste Polykondensation gelang dem deutschen Chemiker und Nobelpreisträger Adolf von Baeyer 1872. Er beschrieb die Polykondensation von Phenol und Formaldehyd zu Bakelit und legte damit die Grundlage für die heutige Polymerchemie. Die bei der Polykondensation von Stärke entstandenen Moleküle haben sehr hohe Molekülmassen (bis zu 1 Million, allerdings schwanken sie stark).
Der Abbau der Stärke in einfachere Bausteine wird nicht nur durch Säure beschleunigt, sondern auch durch das Enzym Diastase - allerdings mit dem Unterschied, dass die Diastase schon bei ca. 30 °C aktiv ist. Da dieses Enzym auch im Speichel enthalten ist, wird Brot bei längerem Kauen süß! Dieser Vorgang ist der erste Schritt bei der Verdauung von Kohlehydraten im menschlichen Körper (Kapitel 117, Bild 3).
Stärke und Cellulose - ein Vergleich
Die Cellulose der Pflanzen besteht ebenfalls aus Glucose-Bausteinen, allerdings sind diese anders als bei der Stärke miteinander verbunden (Bild 3 unten). Dies ist der Grund, warum Cellulose - anders als Stärke - nicht mit Iod-Iodkalium-Lösung nachgewiesen werden kann.
Zum Cellulosenachweis zieht man daher eine wässrige Lösung von Iod, Zinkchlorid und Kaliumiodid (»Chlorzinkjodlösung«) heran, mit der Alltagsmaterialien auf die Anwesenheit von Cellulose getestet werden können. Eine blauschwarze Verfärbung zeigt dabei die Anwesenheit von Cellulose an.
Cellulose in der Ernährung
Die Moleküle der Cellulose bilden lange Ketten, die sich oft bündelweise anordnen. Aus diesen Bündeln bestehen die Fasern der Pflanzen, aus denen schon der Urmensch gelernt hat, Fäden zu spinnen (Baumwolle, Jute, Leinen). Die Zellwände einer Pflanze bestehen hauptsächlich aus Cellulose, jedoch kann diese von den meisten Wirbeltieren nicht oder nicht direkt genutzt werden, da sie keine Enzyme für den Celluloseabbau besitzen. In den Pansen der Wiederkäuer leben jedoch Bakterien, die Enzyme für die Cellulosespaltung produzieren und so die Cellulose direkt als Energieträger verwertbar machen. Wie viele andere Tiere besitzt aber auch der Mensch keine Verdauungsenzyme für den Abbau von Cellulose. Mit Hilfe anaerober Bakterien kann nur ein Teil der Cellulose aus der Nahrung zu kurzkettigen Fettsäuren abgebaut und vom Stoffwechsel verwertet werden. Cellulose ist somit, neben Hemicellulosen, Pektin und Lignin, ein unverdaulicher aber wichtiger pflanzlicher Ballaststoff in der menschlichen Nahrung.
Gewinnung von Cellulose
Wenn eine Pflanzenzelle in das Cellulosegerüst ihrer Zellwand Lignin (Holzstoff) einlagert, kommt es zur Verholzung der Zelle. Bei der technischen Gewinnung von Cellulose aus Holz ist deshalb die Abtrennung der Cellulose von ihren Begleitstoffen ein wichtiger Produktionsschritt.
Bei Lignin handelt sich um feste Biopolymere, die in die pflanzliche Zellwand eingelagert werden und dadurch die Verholzung der Zelle bewirken (Lignifizierung). Etwa 20 % bis 30 % der Trockenmasseverholzter Pflanzen bestehen aus Ligninen, damit sind sie neben der Cellulose und dem Chitin die häufigsten organischen Verbindungen der Erde. Die in der Natur produzierten Lignine werden auf etwa 20 Milliarden Tonnen pro Jahr geschätzt.
Andere Polysaccharide
Ähnlich wie Pflanzen Kohlenhydrate in Form von Stärke speichern, so speichert der tierische Organismus Kohlenhydrate in Form der Verbindung Glykogen. Dieses wird in der Leber in Form von Glucose-Bausteinen gespeichert und im Bedarfsfall als Energiespender zur Verfügung gestellt. Ein anderes Polysaccharid, das nur aus Fructose-Molekülen aufgebaut ist, ist das Inulin (auch Alantstärke).
Dabei handelt es sich um ein Gemisch von Polysacchariden aus Fructosemolekülen mit einer Kettenlänge von bis zu 100 Molekülen und einem endständigen Glucoserest. Viele Pflanzen lagern Inulin als Reservestoff ein, insbesondere Arten der Korbblütler: etwa Topinambur, Zichorien, Dahlien, Artischocke, Gewöhnlicher Löwenzahn, Schwarzwurzeln, aber auch Doldenblütler, z. B. die Pastinake. Inulin wurde 1804 im Alant (Inula helénium L.) entdeckt.