87. Vom Erdöllager zur Erdölverarbeitung
Entstehung und Vorkommen von Erdöl
Erdöl ist der derzeit wichtigste Rohstoff der modernen Industriegesellschaften. Er ist wichtig zur Erzeugung von Elektrizität und als Treibstoff fast aller Verkehrs- und Transportmittel. Daneben wird Erdöl in der chemischen Industrie zur Herstellung von Kunststoffen und anderer Chemieprodukte vielfach eingesetzt. Aus diesen Gründen wird es auch " Schwarzes Gold" genannt.
Erdöl entsteht aus abgestorbenen Meeresorganismen wie z.B. Algen, die während mehreren hunderttausend bis mehreren Millionen Jahren auf dem Meeresgrund abgelagert werden. Herrschen in der betreffenden Meeresregion nahe dem Meeresgrund sauerstoffarme Bedingungen, so bilden sich dabei mächtige Sedimentfolgen mit hohem Anteil biogenen Materials. Die Abwesenheit von Sauerstoff in dieser Ablagerungsumgebung verhindert die vollständige Zersetzung der Biomasse und es entsteht ein Faulschlamm. Im Laufe von Jahrmillionen wird dieser durch Überdeckung mit weiteren Sedimenten hohen Drücken und Temperaturen ausgesetzt. Unter diesen Bedingungen werden die in der Biomasse enthaltenen wasserunlöslichen, langkettigen Kohlenwasserstoffe in kurzkettige gasförmige und flüssige Kohlenwasserstoffketten aufgespalten, ein Prozess, der in der Industrie auch als Cracken bekannt ist.
Das entstandene Erdöl ist leichter als Wasser und kann innerhalb der Poren von Gesteinen wandern. Diesen Prozess nennt man Migration. In sogenannten Speichergesteinen sammeln sich die umgewandelten Kohlenwasserstoffe als Erdöl und Erdgas in Form kleiner Tröpfchen wie Wasser in einen Schwamm an. Gerät das Erdöl unter undurchlässige Gesteinsschichten, die seine weitere Wanderung an die Erdoberfläche und seitwärts verhindern (Erdölfalle), reichert es sich dort an und es entsteht eine Erdöllagerstätte. In den Gesteinsporen befinden sich neben Erdöl auch Lagerstättenwasser und Erdgas. Es entsteht zusammen mit Erdöl unter sehr ähnlichen Bedingungen und bildet über Erdöllagerstätten oft eine sogenannte Gaskappe. Kommt Erdöl durch tektonische Verschiebungen der Erdoberfläche nach oben, dann bilden sich unter der Einwirkung von Luftsauerstoff harzartige Produkte und es entsteht natürlicher Asphalt. Ein Beispiel dafür sind die Teergruben von La Brea in Los Angeles, in der viele Überreste prähistorischer Tiere gefunden wurden. Bild 1 zeigt den geologischen Aufbau typischer Erdöl- und Erdgaslagerstätten.
Für das Jahr 2004 wurden die bestätigten Weltreserven je nach Quelle auf 1260 Milliarden Barrel (171,7 Milliarden Tonnen nach Öldorado 2004 von ExxonMobil) bzw. auf 1148 Milliarden Barrel (156,6 Milliarden Tonnen nach BP Statistical Review 2004) berechnet. Das Wissenschaftsmagazin Science ging 2004 sogar von Reserven von insgesamt drei Billionen Barrel aus.
Die Reserven, die geortet sind und mit der heute zur Verfügung stehenden Technik wirtschaftlich gewonnen werden können, nahmen in den letzten Jahren trotz der jährlichen Fördermengen jeweils leicht zu und erreichten im Jahre 2004 den höchsten jemals berechneten Stand. Während die Reserven im Nahen Osten, Ostasien und Südamerika aufgrund der Erschöpfung von Lagerstätten und unzureichender Prospektionstätigkeit sanken, stiegen sie in Afrika und Europa leicht an. Es wird vorausgesagt, dass die Erdölreserven nur noch 50 Jahre den Weltverbrauch decken können. Die Tatsache, dass ähnliche, nicht eingetretene Vorhersagen bereits in der Vergangenheit getroffen wurden, hat den Begriff Erdölkonstante hervorgebracht.
Im Jahre 2003 befanden sich die größten Erdölreserven in Saudi-Arabien (262,7 Milliarden Barrel), im Iran (130,7 Milliarden Barrel) und im Irak (115,0 Milliarden Barrel), darauf folgten die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Venezuela.
Erdölsuche
Die gezielte Suche nach Erdöl- und Erdgasvorkommen bezeichnet man als Prospektion.
In der Frühzeit der Erdölgewinnung war man auf Anzeichen an der Erdoberfläche angewiesen, die auf Vorkommen von Erdöl schließen ließen. So tritt aus seicht liegenden Lagerstätten ständig Erdöl in geringen Mengen aus. Beispiele dafür sind Oelheim bei Braunschweig oder die seit dem 15. Jahrhundert bekannte, aber mittlerweile versiegte St. Quirins-Quelle bei Bad Wiessee am Tegernsee, aus der über Jahrhunderte Erdöl austrat, das vornehmlich als Heilmittel Verwendung fand.
Die Suche tief liegender Ölvorkommen erfolgte früher durch eine eingehende Analyse der geologischen Verhältnisse eines Landstrichs. In der Folge wurden dann an ausgewählten Orten Probebohrungen getätigt, von denen ca. 10 - 15 % fündig werden.
Mit der Zeit wurden aufwändige Prüfungsmethoden entwickelt, die eine Darstellung der Bodenschichtung ermöglichen. Das am weitesten verbreitete Verfahren ist die Reflexionsseismik. Dabei werden an der Erdoberfläche Schwingungen erzeugt, deren an den unterschiedlichen Bodenschichten reflektierte Signale über Geophone empfangen und aufgezeichnet werden. Aus den Laufzeiten und Charakteristiken der reflektierten Signale lassen sich Schichtenprofile errechnen.
Heute wird in Europa in etwa zwei Drittel der Fälle das Vibroseis-Verfahren eingesetzt. Dabei wird mit Gruppen von üblicherweise drei bis fünf Spezialfahrzeugen, die Schwingungen einer definierten Frequenz über eine Art Rüttelplatte in den Erdboden übertragen, eine Messstrecke abgefahren. Entlang der Messstrecke sind Geophone in Gruppen zum Empfang der reflektierten Signale angeordnet. Das systematische Befahren eines Gebiets mit sich kreuzenden Messstrecken erlaubt die Errechnung eines dreidimensionalen Modells der Bodenschichtung.
Förderung
Befindet sich die Erdöllagerstätte nahe der Erdoberfläche, so kann das Öl im Tagebau gewonnen werden, Beispiel: Athabasca-Erdölsande, Alberta. Zu Beginn der Erdölnutzung wurde es an einigen Orten auch im Tiefbau gewonnen, zum Beispiel bei Wietze, westlich Celle (Niedersachsen, Deutschland). Aus tieferen Lagerstätten wird Erdöl durch Sonden gefördert, die durch Bohrungen bis zur Lagerstätte eingebracht werden.
Es existieren auch Bohrinseln, die ein Fördern mitten im Meer ermöglichen, wobei die Bohrplattformen später teilweise durch Förderplattformen ersetzt werden.
In größerer Tiefe steht das Erdöl unter dem Druck (Lagerstättendruck) der auflastenden Erdschichten und gegebenenfalls des assoziierten Erdgases und wird nach Anbohren aus dem Bohrloch gepresst, da es leichter als Wasser und das umgebende Gestein ist. Beim ersten Anbohren der Lagerstätte muss deshalb das Austreten des unter Druck stehenden Öls mit einer speziellen Vorrichtung(„Preventer“) verhindert werden, die sich am oberen Ende des Bohrgestänges befindet. In der ersten Zeit kann das Öl meistens ohne weitere Maßnahmen durch den Eigendruck in der Lagerstätte gefördert werden (Primär- bzw. Eruptivförderung). Lässt der Lagerstättendruck nach, muss das Öl mit technischen Hilfsmitteln - meist Tiefpumpen - zutage gefördert werden.
Das Bild der meisten Ölfelder wird von Gestängetiefenpumpen - wegen ihres Aussehens auch "Pferdekopfpumpen" genannt - geprägt. Dabei befindet sich der eigentliche Pumpenmechanismus - ein Kolben mit Rückschlagventilen - in einem eigenen Rohrstrang im Bohrloch nahe der Öl führenden Schicht. Der Kolben wird mittels einer verschraubbaren Stange von einem an der Erdoberfläche befindlichen Pumpenbock in eine kontinuierliche Auf- und Abbwegung versetzt. Der Zyklus beträgt üblicherweise 2,5 bis 12 Hübe pro Minute. Gestängetiefpumpen sind jedoch nur bis Tiefen bis etwas mehr als 2500 m wirtschaftlich einsetzbar, da sonst das Gewicht der zu hebenden Flüssigkeitssäule zu hoch wäre.
Ehe das Erdöl zum Abtransport gelangt, wird es entgast, in Sammelbehältern entwässert und von Feststoffen getrennt.
Transport und Lagerung
Erdöl wird nur selten dort gefördert, wo es gebraucht wird. Um die Versorgung der Staaten mit Öl sicherzustellen, wurde ein ausgeklügeltes Transportsystem entwickelt. Der Rohöltransport wird heute von einer Tankerflotte bewerkstelligt, die Millionen von Tonnen im dreistelligen Bereich befördern können. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden in den Werften immer größere Tanker gebaut, damit die Wirschaftlichkeit der Verschiffung gewährleistet ist. Erdöl ist heute nach Volumen und Wert das bedeutendste Welthandelsgut.
Um das Erdöl auf dem Kontinent über weite Entfernungen zu transportieren, baut man Pipelines. Rund 80 % aller in deutschen Erdölraffinerien eingesetzten Rohölmengen werden durch Rohöl-Fernleitungen transportiert. Daneben dienen Fernleitungen auch dem Transport von Halbfertig- und Fertigprodukten (Produktenleitungen) zwischen den Raffineriezentren. Dabei können auch unterschiedliche Mineralölprodukte nacheinander durch dieselbe Pipeline geschickt werden, wobei der Ausschuss durch Vermischung sehr gering bleibt. Das Rohölfernleitungsnetz in Deutschland hat eine Gesamtlänge von 2400 km.