Vom Naturstoff zum Kunststoff

 

124. Vom Naturstoff zum Kunststoff


Was sind Kunststoffe?

Kunststoffe oder Plaste sind Materialien, deren Grundbestandteile synthetisch oder halbsynthetisch aus monomeren organischen Molekülen hergestellt werden. Unterschieden wird dabei zwischen drei großen Gruppen: Thermoplaste, Duroplaste und Elastomere. Kunststoffe zeichnen sich gegenüber Naturstoffen durch viele Vorzüge aus.


Verarbeitung von Wolle
Bild 1. Verarbeitung von Tierhaaren zu Wolle.

Die Menschen waren schon in der Steinzeit in der Lage, die Natur nach ihren Bedürfnissen zu gestalten, nachzuahmen und manchmal auch zu überlisten. Natürlich vorkommende Polymere werden von Menschen schon seit Urzeiten verwendet, da alle Tiere und Pflanzen in ihren Zellen Polymere enthalten. Holz diente den frühesten Menschen zunächst wohl nur als Brennholz, später fertigte man daraus Werkzeuge und Waffen und es diente als Baumaterial. Das aus Birkenrinde durch Trockendestillation gewonnene Birkenpech lieferte den ersten Kunststoff der Menschheitsgeschichte. Es wurde sowohl vom Neandertaler als auch dem steinzeitlichen Homo sapiens als Klebstoff bei der Herstellung von Werkzeugen verwendet.

Tierhäute und Felle wurden durch Gerben vor dem raschen Verfall bewahrt und so zu haltbarem Leder gemacht. Aus Tierhaaren erhielt man Wolle, die durch Verspinnen und Weben zu Bekleidung und Decken verarbeitet wurde. Doch erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts war man in der Lage, Moleküle nach Vorbildern in der Natur künstlich herzustellen. Den ersten Kunststoff stellte 1839 der Erfinder Charles Goodyear her. Er stellte fest, dass sich Kautschuk, der Milchsaft des brasilianischen Gummibaumes, bei Hitzeeinwirkung durch Zugabe von Schwefel in Gummi umwandelt.


 
Kunststoffe sind organische Werkstoffe, die durch chemische Synthese erzeugt oder durch Umwandlung von Naturprodukten gewonnen werden

 
Kannst du Naturstoffe aufzählen, die aus Makromolekülen bestehen?
Hermann Staudinger schuf die theoretischen Grundlagen für die Kunststoffchemie
Bild 3. Hermann Staudinger (1881 - 1965) schuf die theoretischen Grundlagen für die Kunststoffchemie

Um 1850 entdeckte Goodjear außerdem den Hartgummi - ein durch Erhitzen in Gegenwart von Schwefel erhärteter Naturkautschuk - der anfangs als Ebonit vermarktet wurde. Man fertigte daraus so unterschiedliche Dinge wie Schmuckstücke, Füllfederhalter, Klaviertasten, Tabakpfeifen und Teile von Telefonen. Dieser erste Duroplast stand am Anfang der Entwicklung von Kunststoffen. In der Folgezeit entwickelten Chemiker viele weitere Verfahren, bei denen Naturstoffe jedoch zunächst nur chemisch verändert wurden. Einer der ersten Kunststoffe wurde aus Cellulose gewonnen und als Ersatz für das Elfenbein von Billardkugeln entwickelt. Aus dem leichtentzündlichen Zelluloid - ein halbsynthetischer Kunststoff - stellt man heute Kämme, Bürsten und Tischtennisbälle her. Der erste vollsynthetische Kunststoff war Bakelit.


Sammlung von Plastikspielzeug
Bild 2. Sammlung von Plastikspielzeug.

Die Entdeckung Staudingers

Im 20. Jahrhundert haben die Kunststoffe eine rasante Entwicklung erlebt. Entweder entdeckte man sie zufällig bei der Synthese anderer Chemikalien oder sie wurden von Chemikern maßgeschneidert. In den Jahren 1920 bis 1928 schuf der Chemiker Hermann Staudinger die theoretischen Grundlagen für die Kunststoffchemie, wofür er 1953 den Nobelpreis erhielt. Staudinger hat die makromolekulare Chemie (Polymerchemie, Chemie der Makromoleküle) begründet und wichtige Beiträge zur Strukturaufklärung der Makromoleküle Cellulose, Stärke, Kautschuk und Polystyrol geleistet.


 
Naturkautschuk ist aus vielen Isoprenmolekülen zusammengesetzt

 
Buna, der erste synthetische Kautschuk, ist aus vielen Butadienmolekülen zusammengesetzt

Staudinger prägte den Begriff Makromolekül und fand heraus, dass organische, natürliche Werkstoffe aus solchen bestehen. Beispielsweise ist ein Molekül des Naturkautschuks zum größten Teil aus Hunderten von Isoprenresten zusammengesetzt. (Isopren wird von vielen Pflanzen produziert und in die Atmosphäre abgegeben, es ist neben Methan der Kohlenwasserstoff mit der höchsten Emmissionsrate).


$ \mathrm { \cdots \ CH_2 \ – \ CH \ = \ {\underset {\Large CH_3} {\underset {\mid \mid} C}} \ – \ CH_2 \ – \quad }$ $ \mathrm { \quad – \ CH_2 \ – \ CH \ = \ {\underset {\Large CH_3} {\underset {\mid \mid} C}} \ – \ CH_2 \ – \ \cdots }$
Isoprenbaustein Isoprenbaustein

Mit diesem Wissen versuchte man nun durch Aneinanderreihung chemisch ähnlicher Verbindungen auf künstlichem Weg Kautschuk zu gewinnen, was schließlich auch gelang. Mit Hilfe von Natrium als Katalysator konnte man aus Butadien synthetischen Kautschuk herstellen. Das aus Butadien produzierte Polymer Buna (ButadienNatrium) hatte große Bedeutung für die deutsche Rüstungs- und Kriegswirtschaft vor und während des Zweiten Weltkrieges. Heute werden mehr als 90 Prozent der Produktion von Butadien zu Synthesekautschuk weiterverarbeitet.


$ \mathrm { \cdots \underbrace {CH_2 = CH – CH = CH_2}_{Butadien} \ + \ \underbrace {CH_2 = CH – CH = CH_2}_{Butadien} \ \cdots \ {\Large \xrightarrow {\lbrack Na \rbrack \ }} \ \underbrace {\cdotp CH_2 – CH = CH – CH_2 – CH_2 – CH = CH – CH_2 \ \cdots}_{Buna} }$


Die Bildung von Makromolekülen

Im Prinzip ist damit der Weg zur Synthese von Kunststoffen schon gezeigt. Die Kettenbildung, also die Verbindung einzelner Monomere untereinander zu Polymeren erfolgt durch verschiedene Arten von Polyreaktionen wie Polymerisation, Polykondensation oder Polyaddition. Polymere aus unterschiedlich gebauten Monomeren nennt man Heteropolymere oder Copolymere. Bei den meisten Kunststoffen wird das Polymerrückgrat aus Kohlenstoffketten gebildet. Die Kettenlänge der einzelnen polymeren Moleküle variiert zwischen einigen tausend Moleküleinheiten bis über eine Million monomeren organischen Moleküleinheiten. Je nach Anordnung und Bindung der Monomeren können Makromoleküle linear, verzweigt oder vernetzt sein.


 
Kunststoffe sind aus Makrmolekülen aufgebaut, die aus Monomeren synthetisiert werden
 
Erkläre die Begriffe Polymerisation, Kondensation, Addition
 
Makromoleküle entstehen durch Polymerisation, Polykondensation, Polyaddition