93. Die Veredlung der Kohle
Kohleveredlung
Kohleveredlung macht aus Kohle vielerlei verwendbare Folgeprodukte. Teilweise wird z. B. die Braunkohle durch die Veredelung überhaupt erst brauchbar. Dabei hat sich die Kohleveredlung seit Beginn der Industrialisierung mit Erweiterung deschemischen und ingenieurwissenschaftlichen Wissens stets den gewandelten Bedürfnissen des Marktes angepasst. Die früheste Kohleveredlung ist die Verkokung in Kokereien oder, wenn der Schwerpunkt mehr auf der Gaserzeugung liegt, die Kohlevergasung in Gaswerken.
Der erste Koks aus Steinkohle wurde 1713 in England hergestellt, in Deutschland 1796 im Industriegebiet Oberschlesiens. Das Kokereigas machte zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Gasbeleuchtung in den städtischen Laternen die Straßen hell und befeuerte später die Küchenherde. Es wird heute nur noch industriell genutzt. Kokereigas besteht zu 60-64 Vol. -% aus Wasserstoff, 25-27 Vol. -% Methan und 5-6 Vol. -% Kohlenmonoxid. Auch Braunkohle wird heute zu Koks veredelt und in bestimmter Körnung als Aktivkohle zum Beispiel in Filter-und Kläranlagen eingesetzt.
Vergasung von Kohle
Kohlevergasung ist die Überführung von Kohlenstoff (C) in brennbare gasförmige Verbindungen, speziell Wassergas (Synthesegas), Generatorgas und Stadtgas. Über eine endotherme Reaktion entsteht aus Kohle (die zuvor durch Verbrennung an Luft aufgeheizt wurde) und Wasserdampf so genanntes Wassergas, eine Mischung aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff.
1. Wassergas
Vergasung mit Wasserdampf
Es handelt sich dabei um eine Gleichgewichtsreaktion, die 1780 von Felice Fontana entdeckt wurde. Das entstehende Gas wird unter anderem auch als Synthesegas oder Syngas bezeichnet, da es sich für die Synthese verschiedener chemischer Substanzen wie Methanol eignet.
$ \mathrm {C + H_2O \ {\large \leftrightharpoons} \ CO + \ H_2 \ } $ endotherm
2. Generatorgas
Vergasung mit Luft oder Sauerstoff (unvollständige Verbrennung)
Generatorgas wird durch unvollständige Verbrennung von Koks mit Luft erzeugt:
$ \mathrm {C + \frac {1}{2} O_2 \ \longrightarrow \ CO } $ exotherm
3. Kohlehydrierung
Vergasung mit Wasserstoff (Hydrierung)
Bei der Kohlehydrierung entstehen Kohlenwasserstoffe unterschiedlicher Kettenlängen.
$ \mathrm {C + 2 \ H_2 \ \longrightarrow \ CH_4 } $ exotherm
Je nach Kettenlänge sind die Reaktionsprodukte gasförmig (Methan, Ethan, Propan, Butan) oder flüssig (höhere Alkane, die beispielsweise Verwendung finden in Benzin und Dieselkraftstoff).
Vergasung mit Kohlendioxid
$ \mathrm {C + CO_2 \ {\large \leftrightharpoons} \ 2 \ CO } $ exotherm
Die Reaktionsgleichungen zeigen, dass bei der Vergasung von Kohle sowohl wichtige Synthese- und Reduktionsgase als auch wertvolle Heizgase erzeugt werden. Ein Teil der oben formulierten Reaktionen verläuft endotherm; sie sind auf Energiezufuhr von außen angewiesen.
Kohleverflüssigung
Kohleverflüssigung (oder Kohlehydrierung) bezeichnet chemische Verfahren, die aus fester Kohle flüssige Kohlenwasserstoffe erzeugen. Der dazu notwendige Wasserstoff wird durch Kohlevergasung erhalten (Gleichung 1). In einer weiteren Reaktion kann die Kohlevergasung zu höheren Kohlenwasserstoffen weitergeführt werden.
$ \mathrm { 8 \ CO + 17 \ H_2 \ \longrightarrow \ C_8H_{18} + 8 \ H_2O } $
Kohlenmonoxid + Wasserstoff → Octan + Wasser
Nach diesem von Franz Fischer und Hans Tropsch entdeckten Verfahren (Fischer-Tropsch-Synthese) wird die Kohle zunächst bei sehr hohen Temperaturen (über 1000 °C) in der Kohlevergasung mit Wasserdampf und Luft oder Sauerstoff zu Synthesegas umgesetzt, welches nach Abtrennung von Stickoxiden und Schwefeldioxid anschließend katalytisch zu Kohlenwasserstoffen und Wasser umgesetzt wird. Endprodukte sind Benzin (Synthetisches Benzin), Diesel und Heizöl sowie Aromaten für die chemische Industrie.
Ein weiteres Verfahren zur Kohleverflüssigung ist das Bergius-Pier-Verfahren. Dabei handelt es sich um ein großtechnisches Verfahren, bei dem durch Hydrierung von Kohle mit Wasserstoff in einer exothermen chemischen Reaktion Kohlenwasserstoffe erzeugt werden. Es ist benannt nach Friedrich Bergius und Matthias Pier. Mit hochaktiven Katalysatoren wie Ammoniumchlorid und Zinnoxalat wird die Kohle bei einem Wasserstoffdruck von etwa 300 bar und Temperaturen von 470 bis 490 °C erhitzt. Es werden vorwiegend flüssige Fraktionen erhalten, die als Kraftstoffe oder Heizöl verwendet werden. Die eingesetzte Kohle muss mechanisch auf einen Aschegehalt von etwa 4 bis 6 % gebracht werden. Steinkohlen können ungetrocknet eingesetzt werden, Braunkohlen müssen vorher auf einen Wassergehalt von 5 bis 10 % getrocknet werden [1].
Die Synthese von Benzin, wie sie während des 2. Weltkrieges betrieben wurde, scheidet z. Zt. aus Kostengründen aus. Wirtschaftlich interessant ist aber die Herstellung von Schwerem Heizöl aus Kohle, da »synthetisches Heizöl« mineralstofffrei und sehr schwefelarm ist. Es ist deshalb als umweltfreundlicher Brennstoff anzusehen.
[1] Wikipedia: Kohleverflüssigung