Transdermales Pflaster
Ein transdermales Pflaster ist eine Darreichungsform für die systemische Verabreichung von Arzneistoffen in Pflasterform. Es wird auf die Haut geklebt und setzt den Wirkstoff kontrolliert frei, welcher dann über die Haut resorbiert wird. Der Wirkstoff gelangt in das Blutgefäßsystem, ohne vorzeitig im Magen-Darm-Trakt oder der Leber abgebaut zu werden. Synonym wird auch noch der Begriff transdermales therapeutisches System (TTS) oder Transdermal Drug Delivery System (TDDS) verwendet,[1] der jedoch mit dem Aufkommen von technologischen Weiterentwicklungen nun solchen transdermalen Darreichungsformen vorbehalten sein sollte, die den Wirkstoff aktiv freisetzen, d.h. durch die Einwirkung äußerer Kräfte (etwa Strom, Ultraschall, chemische Reaktion).[2] Transdermale Plaster setzen den Wirkstoff hingegen passiv über einen längeren Zeitraum frei und sind zum Aufkleben auf die unversehrte Haut vorgesehen.[3]
Transdermale Pflaster sind weiterhin abzugrenzen von örtlich (topisch) wirksamen Pflastern.
Anwendungsgebiete
Transdermale Pflaster werden seit über zwanzig Jahren in verschiedenen Anwendungsgebieten eingesetzt.
Besonders bekannt ist die Verabreichung von Nikotin mittels eines Nikotinpflasters, das Rauchern bei der Entwöhnung hilft. Weiterhin ist auch die transdermale Verabreichung bestimmter Hormone möglich (siehe Hormonpflaster). So gibt es transdermale Pflaster für Estrogene bzw. Estrogen/Gestagen-Kombinationen – wie sie zur Hormonersatztherapie bei klimakterischen Beschwerden oder zur Empfängnisverhütung verwendet werden – oder auch für Testosteron.
Weitere Arzneistoffe, die sich transdermal verabreichen lassen sind beispielsweise Scopolamin (gegen Reisekrankheit), Nitroglycerin (zur Vorbeugung vor Angina pectoris und Herzinfarkt), Clonidin (zur Behandlung des Bluthochdrucks), die Opioide Fentanyl und Buprenorphin (zur Behandlung schwerer Schmerzen), Rotigotin (zur Behandlung der Parkinson-Krankheit) sowie Rivastigmin (zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit).
Technische Aspekte
Allen Systemen eigen ist die Deckfolie (backing layer), welche das Pflaster und seinen Inhalt nach außen schützt und gegebenenfalls mit Informationen bedruckt ist. Zur Hautseite hin ist es mit einer Abziehfolie versehen (release liner), die die klebrige Pflasterseite abdeckt. Die Abziehfolie wird vor dem Aufkleben des Pflasters entfernt und ist zwecks leichterem Ablösen oftmals silikonisiert.
Hinsichtlich der Technik der kontrollierten Wirkstoffabgabe aus dem Pflaster unterscheidet man:
- Matrix-Pflaster: der Wirkstoff ist in einer aus einer oder mehreren Schichten bestehenden Matrix enthalten, die mit Hilfe einer Kleberschicht direkt auf der Haut aufliegt. Die Diffusionsgeschwindigkeit des Wirkstoffes aus der Matrix heraus bestimmt die Resorptionsgeschwindigkeit. In Sonderfällen kann es zwischen Matrix und Klebeschicht eine zusätzliche Membran geben, welche den Wirkstofffluss steuert.
- Depot-Pflaster: unter einer Trägerfolie liegt ein Reservoir des Wirkstoffs, der aus dem Reservoir kontrolliert durch eine poröse Membran in die Haut abgegeben wird.
Damit die Wirkstofffreisetzung durch das therapeutische System gesteuert werden kann, muss die Resorption durch die Haut rascher verlaufen als die Wirkstoffabgabe durch die Pflastermembran bzw. aus der Matrix heraus. Falls erforderlich können Resorptionsbeschleuniger in das Pflaster eingebracht werden, die die Hautpassage beschleunigen. Als Beispiele sind Sulfoxide und Harnstoff zu nennen.
Bei den vorstehend genannten Pflastertypen diffundiert (passiver Vorgang) der Wirkstoff durch die Haut und gelangt über die hautnahen Blutgefäße in den Blutkreislauf. Dabei dringen die Wirkstoffe nur in geringem Maße durch Poren und Haarfollikel in die Haut ein, sondern meist durch mikroskopisch kleine Zellzwischenräume oder durch die Zellen selbst. Dies setzt eine ausreichende Lipophilie (Fettlöslichkeit) der Wirkstoffe voraus.
Weiterentwicklungen sind aktive transdermale Systeme, welche iontophoretische oder sonophoretische Methoden benutzen sowie Systeme mit Mikrokanülen oder Nadel. Letztere durchdringen die oberen Schichten der Haut und gelangen direkt an ihren Wirkungsort bzw. in die äußeren Blutgefäße. Iontophoretische Systeme hingegen stellen eine nichtinvasive Technik dar; sie legen ein schwaches elektrisches Feld an, um den Arzneistoff durch die Haut zu schleusen. Ein Beispiel für ein iontophoretisch arbeitendes transdermales Pflaster ist ein System mit Fentanyl, das auf Knopfdruck seitens des Patienten eine Dosis von 40 Mikrogramm frei setzt (IONSYS, nicht mehr im Markt[4]).
Für die transdermale Applikation eignen sich generell nur Wirkstoffe mit einer relativ geringen Molekülgröße, die überdies bereits in recht kleinen Dosierungen wirksam sind (hochpotente Arzneistoffe). Bei Aspirin mit einer relativ hohen Dosierung etwa müsste das Pflaster einen großen Teil der Körperoberfläche eines Menschen ausmachen, um den Wirkstoff einer Tablette aufzunehmen. Große Moleküle wie etwa Peptide, insbesondere Insulin oder Impfstoffe können bislang nicht über ein Pflaster appliziert werden. Dies könnte allerdings durch alternative, in der Erforschung befindliche Pflaster mit tausenden von Mikrokanülen, die in die Haut eindringen sollen, mit Hilfe von aktiven iontophoretischen Systemen, durch die Anwendung von Ultraschall oder mit Hilfe von Nanoemulsionen bzw. Nanopartikeln möglich sein. Eine Neuentwicklung wird die Impfung über das transdermale System sein.[5]
Vor- und Nachteile des Pflasters
Der wesentliche Vorteil der Applikation von Wirkstoffen über transdermale Pflaster liegt darin, dass ein Pflaster oft erst nach einem Zeitraum von mehreren Tagen gewechselt werden muss. Ein Großteil der Pflaster, wird über einen Zeitraum von drei Tagen getragen. Ab dieser Zeitspanne kann sich das Mikroklima der Haut unterhalb des Pflasters ungünstig ändern und die Nachteile dieser Applikation überwiegen zu herkömmlichen Darreichungsformen. Ausnahmen zu diesem Drei-Tage-Wechsel sind Hormonpflaster zur Verhütung, welche sieben Tage lang getragen wird.
Bei der Einnahme von nicht retardierten, oral oder sublingual aufgenommenen Wirkstoffen kommt es nur für kürzere Zeiträume von 4–16 Stunden zu einer ausreichend hohen Dosierung. Auch werden manche Wirkstoffe durch die Magen- und Darmflüssigkeiten, sowie nach der Aufnahme im Darm durch den Lebermetabolismus teilweise abgebaut (First-Pass-Effekt), weswegen nur bei höherer Wirkstoffdosis ähnliche Arzneistoffspiegel wie beim Pflaster erreicht werden.
Dagegen gelangen hautgängige Wirkstoffe ohne weitere Veränderungen direkt (oder über das Depotgewebe Fett nach einigen Stunden) in den Blutkreislauf. Die Abgabe kann nur langsam gesteuert werden, sodass Dosisanpassungen bei schnell veränderlichen Krankheitsgeschehen (z.B. Durchbruchschmerzen) schlecht möglich sind. Hier wird die Therapie im Regelfall durch sublinguale, buccale oder orale Arzneiformen mit schnellem Wirkungseintritt ergänzt.
Ein Nachteil der transdermalen Pflaster liegt in der verzögerten Wirkstofffreisetzung. Die angestrebten Plasmaspiegel werden in der Regel erst nach 5-6 Halbwertszeiten des jeweiligen Wirkstoffs erreicht. Durch den verzögerten Wirkeintritt sind transdermale Pflaster somit nicht für die Akuttherapie geeignet. Außerdem wird der Wirkstoff nicht mit vollkommen konstanter Geschwindigkeit abgeben. Wenn noch relativ viel Wirkstoff im Pflaster enthalten ist, ist die Abgabe höher, sie verringert sich aber sobald der Konzentrationsgradient zwischen Pflaster und Haut geringer wird. Aus diesem Grund müssen die Pflaster vom Applikationsort entfernt werden, obwohl noch ein erheblicher Teil des Wirkstoffs ungenutzt im Pflaster vorliegt. Sie können nur solange genutzt werden, wie die Freisetzungskinetik nach annähernd nullter Ordnung vorliegt, sich also die Freisetzungsrate nicht wesentlich verringert. Die Entsorgung ist hier vor allem bei Schmerzpflastern mit Betäubungsmitteln problematisch[6], weil die Restmenge durchaus in der Lage ist, bei opiatnaiven Personen den Tod durch Atemdepression herbei zu führen. Diesem Effekt wird durch so genannte Multilayersysteme entgegen gewirkt. Bei dieser Form der Matrix-Pflaster nimmt die Konzentration des Wirkstoffes nach außen hin zu, eine rapide Abnahme der Konzentration in der hautnahen Schicht und damit eine potentiell geringere Wirksamkeit soll dadurch verhindert werden. Die Wirkung dauert nach Ablösen des Pflasters noch an, da sich im subkutanen Fettgewebe ein Arzneistoffdepot aufbaut.
Eine potentielle Gefahr von sogenannten Depotpflastern ist die sogenannte Sturzentleerung (engl. dose dumping), welche bei mechanischer Zerstörung des Systems eine schlagartige Freigabe des gesamten (flüssigen) Wirkstoffreservoirs bewirken kann.[7] Dieser Gefahr wurde durch die Weiterentwicklung der Matrixpflaster entgegen gewirkt, welche den Wirkstoff gebunden in der Matrix vorliegen haben. Ein Zerschneiden von transdermalen Matrix-Pflastern zur Dosisanpassung ist möglich, sollte aber von geschultem Personal durchgeführt werden, da Fehldosierungen auftreten können.
Transdermale therapeutische Systeme sind meist deutlich kostenintensiver als retardierte orale Arzneiformen. Ihr Nutzen ist nicht immer ausgeprägt und der Einsatz muss dementsprechend abgewogen werden.
Einzelverweise
- ↑ Note for Guidance on Quality of Modified Release Products: A: Oral Dosage Forms B: Transdermal Dosage Forms Section I (Quality). CPMP/QWP/604/96, vom 29. Juli 1999.
- ↑ Standard Terms der EDQM (Pharmaceutical dosage forms, Routes of administration and Containers)
- ↑ Europäisches Arzneibuch, 7. Ausgabe, Grundwerk, 2011. Monografie Transdermale Pflaster.
- ↑ http://www.presseportal.de/pm/16998/1305896/europaeische-arzneimittelagentur-empfiehlt-aussetzung-der-zulassung-fuer-ionsys-r
- ↑ Influenza-Impfstoff im Pflaster, Pharmazeutische Zeitung, Ausgabe 29/2010.
- ↑ [1], FDA 2005 - Safety Warnings Regarding Use of Fentanyl Transdermal (Skin) Patches.
- ↑ [2], Pharmazeutische Zeitung, Ausgabe 42/2009.
Literatur
- U. Schmidt: Transdermale Pflaster - Arzneimittel zum Aufkleben. Spektrum der Wissenschaft 10/2003, 42
- A. Wokovich: Transdermal drug delivery system (TDDS) adhesion as a critical safety, efficacy and quality attribute. Eur J Pharm Biopharm. 2006 Aug; 64(1):1.
- K. Mäder, U. Weidenauer: Innovative Arzneiformen: Ein Lehrbuch für Studium und Praxis. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2009. ISBN 978-3-8047-2455-6
Bitte den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten! |