Tachyon

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Tachyonen (von griechisch tachýs ‚schnell‘) sind hypothetische Elementarteilchen, die sich schneller als das Licht bewegen. Solche Teilchen werden als superluminar bezeichnet.

Tachyonen als theoretische Möglichkeit

Olexa-Myron Bilaniuk, Deshpande und E. C. G. Sudarshan wiesen 1962 darauf hin, dass es für die Gleichungen der speziellen Relativitätstheorie mehrere Lösungsmöglichkeiten gibt (und unabhängig Anfang der 1960er Jahre auch der russische Physiker Jakow Petrowitsch Terlezki).[1] Eine davon entspricht der ganz normalen Materie (Physik), die sich mit Unterlichtgeschwindigkeit bewegt. Eine andere würde Teilchen erlauben, die sich ständig mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen und niemals bis auf Lichtgeschwindigkeit abgebremst werden können. Die Tatsache allein, dass es diese mathematische Lösungsmöglichkeit für die Gleichungen gibt, bedeutet jedoch nicht, dass Tachyonen auch real existieren müssen.

Für diese Einteilung von Teilchen in drei Klassen fand Gerald Feinberg (1967) folgende Wortprägungen:

Tardyonen
Teilchen, die sich stets langsamer als mit Lichtgeschwindigkeit durch den Raum fortbewegen.
Luxonen
Teilchen, die sich stets mit Lichtgeschwindigkeit durch den Raum fortbewegen.
Tachyonen
Teilchen, die sich stets schneller als mit Lichtgeschwindigkeit durch den Raum fortbewegen.

Davon hat sich aber nur der Name Tachyon durchgesetzt. Bei ansteigender Geschwindigkeit eines Tachyons verliert es Energie. Geht die Energie gegen 0, wird seine Geschwindigkeit sogar unendlich (transzendenter Zustand). Bei Tardyonen (das heißt den üblichen Elementarteilchen mit von Null verschiedener positiver Ruhemasse) hingegen muss Energie hinzugefügt werden, um eine Geschwindigkeitssteigerung hervorzurufen.

Eigenschaften von Tachyonen

  • Ihre Geschwindigkeit ist größer als die Vakuumlichtgeschwindigkeit c.
  • Ihre Masse ist imaginär. Das heißt, das Quadrat ihrer Masse ist negativ. Das folgt aus der Energie-Impuls-Relation, wenn man annimmt, dass sowohl die Energie als auch der Impuls des Teilchens reelle Größen sind. Da einer rein imaginären Ruhemasse bisher keinerlei physikalische Entsprechung zuzuordnen ist, sind Tachyonen möglicherweise eine mathematische Kuriosität ohne reale Bedeutung.
  • Ein elektrisch geladenes Tachyon müsste immer eine Tscherenkow-Strahlung anregen, da sich das Tachyon immer mit einer höheren Geschwindigkeit als der Lichtgeschwindigkeit des durchquerten Mediums bewegt.
  • Im Gegensatz zu unterlichtschnellen Teilchen, in denen die Ereignisse auf der Weltlinie für jeden Beobachter die gleiche Zeitordnung besitzen, hängt die zeitliche Reihenfolge verschiedener Ereignisse auf der Tachyon-Weltlinie vom Bezugssystem ab.

Theoretische Beobachtung

Tachyon03.gif

Könnte man Tachyonen sehen (oder messen) und nimmt man an, dass sie sich schneller als das von ihnen ausgehende Licht fortbewegen würden, sähe sie ein Beobachter erst, wenn sie an ihm vorbeigeflogen sind. Ähnlich wie bei Flugzeugen, die schneller fliegen als der Schall und ihre eigene Geräuschkulisse überholen, bewegen sich die Tachyonen schneller als das Licht und überholen somit ihre optische Abbildung. Daher würde man das Tachyon, nachdem es an einem vorbeigeflogen ist, gleich doppelt sehen. Einmal in der Richtung, in der es fliegt, und einmal in der Richtung, aus der es gekommen ist. Beide Abbildungen würden sich vom Beobachter entfernen.

Die Abbildung des sich nähernden Teilchens erführe dabei eine enorme Blauverschiebung; die des sich entfernenden eine Rotverschiebung.

Existenz von Tachyonen

Durch die experimentellen Befunde kann man Tachyonen mit elektrischer Ladung ausschließen, da sie durch Tscherenkow-Strahlung sehr leicht nachweisbar wären. Ebenso können Tachyonen mit Farbladung ausgeschlossen werden, die der starken Wechselwirkung unterliegen. Schwach wechselwirkende, nicht oder nur gravitativ oder durch hypothetische andere Kräfte wirkende oder wechselwirkende Tachyonen können jedoch vom experimentellen Standpunkt her nicht ausgeschlossen werden.

Neutrinos

Seit den 1980er Jahren befassen sich einige Physiker mit der These, dass Neutrinos Tachyonen sind. Eine Möglichkeit, diese These zu belegen oder zu widerlegen, liegt in der direkten Massenbestimmung, z. B. durch Ausmessung der Endpunktenergie beim Tritiumzerfall. Früher maß man bei den Tritium-Zerfallsexperimenten scheinbar negative Massenquadrate.[2] Dies konnte auf einen (bis dahin unbemerkten) Oberflächeneffekt des Detektorkristalls zurückgeführt werden.

Die Beobachtung von Neutrinooszillationen (wobei allerdings nur Massendifferenzen zwischen den Neutrinosorten gemessen werden) weist darauf hin, dass Neutrinos eine von Null verschiedene Ruhemasse besitzen und sich damit stets langsamer als das Licht bewegen.

Am 23. September 2011 wurde durch das CERN bekannt gegeben, dass Messungen der Opera Collaboration (Sprecher Antonio Ereditato, Universität Bern) ergeben, dass sich Neutrinos mit Überlichtgeschwindigkeit fortbewegen können. Kurze Zeit später widerrief das CERN diese Aussage, da Fehler in der Technik die Messung verfälscht hatten. Eine neue Messung durch ICARUS hat die Übereinstimmung mit der Lichtgeschwindigkeit ebenfalls ergeben, wodurch das OPERA-Experiment mit großer Wahrscheinlichkeit widerlegt wurde. Für mehr Details siehe Messungen der Neutrinogeschwindigkeit.

Tachyonen und Stringtheorie

In der Stringtheorie gibt es viele Modelle, die Tachyonen enthalten. Die meisten Fachwissenschaftler vertreten jedoch den Standpunkt, dass die wenigen verbleibenden Modelle sich gerade durch das Fehlen von Tachyonen als Kandidaten für das physikalisch zutreffende Modell empfehlen.

Konsequenzen der rückläufigen Zeit

Falls Wechselwirkungen zwischen den Tachyonen und den Tardyonen nachgewiesen werden könnten, würde das bedeuten, dass Botschaften aus der Zukunft in die Vergangenheit übermittelt werden könnten. Zeitparadoxa wären die Folgen, wie beispielsweise durch ein hypothetisches Antitelefon.

Tachyonen in Esoterik und kommerziellen Anwendungen

Im Internet werden viele esoterische Produkte beworben und kommerziell vermarktet, die mit angeblicher „Tachyonen-Energie“ (auch teilweise „Urenergie“ genannt) in unbekannter Weise durchsetzt seien und positive Auswirkungen auf den Träger haben sollen (siehe Tachyonen-Behandlung). Bisher konnten solche Behauptungen wissenschaftlich nicht bestätigt werden.

Literatur

  • O. Bilaniuk, E. C. G. Sudarshan: Tachyons. In: Physics Today. 22, 1969, H. 5 (Mai), ISSN 0031-9228, 1969, S. 43–51, sowie Leserbrief Diskussion: ebenda H. 12 (Dez.).
  • Gerald Feinberg: Possibility of faster than light particles. In: Physical Review. 159, 1967, ISSN 0556-2821, S.1089–1105.
  • Jayant Vishnu Narlikar: Cosmic tachyons – an astrophysical approach. In: American Scientist. 66, 1978, 9, ISSN 0003-0996, S. 587–593.
  • Erasmo Recami (Hrsg.): Tachyons, Monopoles and related topics. Proceedings of the 1st Session of the Interdisciplinary Seminars on „Tachyons and Related Topics“, Erice, 1 – 15 September 1976. North Holland, Amsterdam 1978, ISBN 0-444-85165-8.
  • Lawrence Schulman: Tachyon paradoxes. In: American Journal of Physics. 39, 1971, ISSN 0002-9505, S. 481–484, online (PDF; 523 KB).
  • E. C. G. Sudarshan: The theory of particles traveling faster than light 1. In: Lectures presented at the 1969 seventh anniversary symposium of the Institute of Mathematical Sciences, Madras, India. No. 7. Plenum Press, New York NY 1970, ISBN 0-306-37050-6, (Symposia on theoretical physics and mathematics 10), S. 129–151.
  • Yakov P. Terletskii: Paradoxes in the theory of relativity. Plenum Press, New York NY 1968, (2nd print: ebenda 1970).
  • Rüdiger Vaas: Tunnel durch Raum und Zeit. Einsteins Erbe – Schwarze Löcher, Zeitreisen und Überlichtgeschwindigkeit. (Wie Hawking seine Wette verlor). 2. aktualisierte Auflage. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2006, ISBN 3-440-09360-3 (mit einem ausführlichen Kapitel über Tachyonen).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Auf die Paradoxien der Überlichtgeschwindigkeit wies schon Arnold Sommerfeld in den Anfangsjahren der Relativitätstheorie hin. Ein weiterer Pionier des Tachyonenkonzepts ist der russische Physiker J. P. Terletzki, z. B. J. Phys. et Radium. Bd. 21, 1960, S. 681, Bd. 23, 1962, S. 910, Sov. Phys. Dokl. Bd. 5, 1961, S. 782, sowie S. Tanaka in Japan: Theory of matter with superlight velocity, Progress Theor. Phys., Band 24, 1960, S. 171
  2. The ultimate neutrino page, CUPP, Finnland

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