Sieb
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Ein Sieb (von mittelhochdeutsch sip, zurückgehend auf indogermanisch *seip-, „ausgießen, seihen“) ist eine Vorrichtung zum Trennen fester Stoffe nach dem Kriterium Korngröße. Als Ergebnis erhält man mindestens zwei Fraktionen, die sich in ihrer minimalen respektive maximalen Korngröße signifikant voneinander unterscheiden. In der mechanischen Verfahrenstechnik zählt das Sieben zu den Klassierverfahren.
Das Aufgabegut ist meist ein Feststoffgemisch unterschiedlicher Korngrößen (z. B. Schüttgut, Haufwerk), es kann aber auch ein Feststoffgemisch zusammen mit Flüssigkeit sein. Die Trennung erfolgt durch den Siebboden oder Siebbelag, ein je nach Bedarf feineres oder groberes Geflecht, Drahtgitter, Lochblech oder ähnliches. Geflochtene Siebe aus z. B. Korb-Weide oder Rosshaar sind schon sehr lange bekannt, sie dienten vor allem zum Auslesen und Reinigen von Getreide, Mehl und dergleichen.
Begriffsabgrenzungen
Im Fall von Feststoff-Flüssigkeitsgemischen als Aufgabegut ergeben sich Ähnlichkeiten zwischen einem Sieb und einem Filter. Wenn es das Ziel ist, Feststoff (unabhängig von der Korngröße) und Flüssigkeit voneinander zu trennen, spricht man von Filtration. Ein Sieb dient bei Fest-Flüssig-Gemischen jedoch zur Abtrennung von Grobgut ab einer bestimmten Korngröße.
Bei bestimmten Sieben mit großen Öffnungen, die im Grobkornbereich verwendet werden, spricht man auch vom Rost oder in einigen Fällen auch vom Rechen.
Im übertragenen Sinn bezeichnet das Sieb zum einen logische Prozesse, die mit Vergleichsoperatoren arbeiten, wie z. B. in der Mathematik das Sieb des Eratosthenes zur Ermittlung von Primzahlen.
In der Elektrotechnik versteht man unter dem Sieben die Reduktion des Wechselspannungsanteils einer pulsierenden Gleichspannung. Hierzu kommen Tiefpassfilter zum Einsatz. Diese Anwendung wird zumeist bei Netzteilen angewandt.
Im übertragenen Sinn jedoch mit abwertender Bedeutung spricht man auch von Siebprozessen, wenn Personengruppen (z. B. Schüler, Studenten, Sportler, Bewerber) in einem Auswahlverfahren nach Leistungskriterien klassifiziert werden.
Grundbegriffe der Siebtechnik
Der Siebbelag bzw. Siebboden als eigentliches Trennmedium enthält eine Vielzahl gleich großer Öffnungen. Er besteht entweder aus Metall (Lochblech, Drahtgewebe, Metallgitter oder Metallstäben), Kunststoff, Gummi verschiedener Härten oder Seidengaze. Die Größe der Öffnungen wird als Maschenweite bezeichnet und definiert den Siebschnitt. In den meisten Ländern wird die Öffnung entweder in „mm“ oder in „ µm“ definiert, in den USA allerdings in „mesh“ (Anzahl Maschen je Zoll, zuweilen auch Anzahl der Öffnungen pro Quadratzoll). Das größere Korn bleibt oben (Siebüberlauf) und das kleinere Korn fällt nach unten (Siebdurchgang). Ein in etwa gleich großes Korn nennt man Grenzkorn. Ein Sieb kann aus einem oder aus mehreren übereinanderliegenden Siebbelägen bestehen, wobei das Sieb mit der größten Maschenweite im Siebstapel oben liegt. Für den Wirkungsgrad eines Siebs ist die Sauberkeit des Siebbelags von großer Bedeutung. Insbesondere die Verstopfung der Sieböffnungen durch Grenzkorn muss durch geeignete Maßnahmen (z. B. Bürsten, Kugeln, Ketten, Gummiwürfel, die auf oder unter dem Sieb mit„laufen“) vermieden werden.
Bei großtechnischen Anwendungen werden Siebbeläge zur Verbesserung der Siebleistung durch einen Antrieb zu bestimmten Bewegungen erregt (Siebmaschine). Die Bewegung des Siebbelags dient dem Weitertransport des Aufgabeguts in Sieblängsrichtung, dem Hinauswurf des Grenzkorns aus den Maschenöffnungen und der Nachhaltigkeit der Trennung (Siebwirkungsgrad).
Anwendungen
Siebe in Dampfkraftwerken
In Kraftwerken werden mit Hilfe von Sieben Schwammgummikugeln entfernt, die zur Rohrreinigung in den Kühlwasserstrom eines Kondensators eingeführt werden. Die dazu notwendigen Siebe können innerhalb von Rohrleitungen eine Nennweite von über 3000 Millimetern haben und gelten als Armaturen. Sie besitzen keine Maschen, sondern Längsstäbe mit einem Zwischenraum von fünf bis zehn Millimetern. Die Siebflächen sind beweglich gelagert, um sie bei Verschmutzungen durch Drehen von der Rückseite spülen zu können.
Papierherstellung
Bei der Herstellung von Papier werden aus dem Papierbrei Fasern abgeschöpft.
Siehe auch: Schöpfsieb, Wasserzeichen, Siebtuch
Labor
In Laboratorien werden Siebe verwendet, um Korngrößenverteilungen nach möglichst objektiven Kriterien zu bestimmen. Derartige Prüf- oder Analysensiebe werden in DIN 3310- bis 3310-3 festgelegt.
Eine Siebanalyse dient dazu, die Verteilung der Korngrößen in einem Feststoffgemisch zu ermitteln. Das Ergebnis wird grafisch in einer Sieblinie dargestellt.
Siebmaschinen in der Rohstoffaufbereitung
Siebmaschinen werden bei der Aufbereitung von Schüttgütern, wie Sand, Kies, Kohle, Schotter, Pulvern, Farbpigmenten, Recyclingstoffen usw. eingesetzt. Siebmaschinen werden überwiegend durch eine Schwingbewegung angeregt, man unterscheidet unter anderem folgende Sieb-Bauarten:
- Linear-Schwing Siebmaschinen
- Kreis-Schwing Siebmaschinen
- Direkt-Erregte Siebmaschinen
- Spannwellen Siebmaschinen
- Plan-Schwing Siebmaschinen
Nach anderen Bewegungsformen arbeiten Trommelsiebmaschinen und bewegte Roste (z. B. Rollenroste). Die technische Auslegung einer Siebmaschine kann nur bei eingehender Kenntnis der gegebenen Verhältnisse und der gewünschten Ziele erfolgen. Grundsätzlich erhöht sich die Durchsatzleistung mit der Siebbreite und mit der Sieblänge verbessert sich die Trenngüte. Die Siebleistung wird allgemein verschlechtert bei einem hohen Anteil an Siebdurchgang, bei relativ niedriger Trenn-Korngröße, bei höherer Feuchte des Aufgabeguts oder bei faserigen Stoffen.
Siebmaschinen im Nahrungsmittelbereich
In einer Mühle werden mit Hilfe von Siebstapeln mit unterschiedlicher Maschenweite (von 125–1000 µ) die bei der Vermahlung von Getreide anfallenden Kornteile in Zwischen- (Schrot) und Endprodukte (Mehl, Grieß, Dunst und Kleie) getrennt. Die dazu verwendete Maschine heißt Sichter, meist ein Plansichter. Die Begrifflichkeit Plansichter wird ebenfalls im Bereich der Zuckerindustrie verwendet, obgleich es sich tatsächlich um eine Siebmaschine handelt.
Küche
In der Küche werden grob- und feinmaschige Siebe zum Abseihen und Durchstreichen (fachsprachlich beides Passieren genannt) verwendet, d. h. für die grobe Trennung von festen und flüssigen Stoffen (Abgießen von Gargut, Abpressen von Käsebruch, Herstellung von Quark), für die Reinigung flüssiger (Brühen, Saucen, Suppen), cremiger (Pürees, Farcen, Flammeris) oder pudriger Substanzen (Mehl, Puderzucker, Kakaopulver) von Fremdkörpern oder Verklumpungen sowie für das Zermusen gegarten Obsts (z. B. Apfelmus) und Gemüses (z. B. Kartoffelpüree). Daneben finden Siebe bei der Zubereitung bestimmter Teigwaren (Spätzlesieb, Tarhonya) Verwendung.
Als Materialien kommen sowohl korrosionsfreie Metalle als auch Kunststoffe zum Einsatz. Man unterscheidet zwischen dem gewölbtem Küchensieb (Passoire) und dem Spitzsieb (Chinois). Siebe mit sehr grober Lochung, die zudem oft über Griffe und einen Standfuß bzw. einen planen Boden verfügen, werden als Durchschlag, Seiher oder Seihe[1] bezeichnet; sie werden zum Abschütten des Kochwassers von Nudeln, Kartoffeln, Gemüsen u. ä. verwendet. Besonders feinmaschige Siebe sind das Passiersieb und das Haarsieb, die vor allem zum Passieren genutzt werden. Sehr kleine Siebe werden Teesieb genannt. Eine besondere, flache Siebform für das Abseihen von Cocktails ist das Barsieb (Strainer). Einhandsiebe sind mechanische Siebe für Mehl oder Puderzucker.
Das Prinzip des Siebes wird auch von einigen speziellen Küchengeräten genutzt. Hier sind vor allem das Gewürzsäckchen bzw. die Gewürzkugel, das Tee-Ei, die Pressstempelkanne (Cafetière) und der Siebstreuer (für Puderzucker oder Kakaopulver) zu nennen.
Verwandte Küchengeräte sind das Passiertuch, der Presssack und die Filtertüte, im weiteren Sinne auch verschiedene Passiergeräte („Flotte Lotte“, Kartoffelpresse) sowie Spätzlepresse und Spätzlehobel.
Ein Pfannensieb hält Flüssigkeitstropfen in der Pfanne zurück, lässt aber Wasserdampf passieren.
Siehe auch
- Grundsieb: in der Chirurgie
- Molekularsieb: Trennung von Gasen, Dämpfen oder gelöste Stoffen mit bestimmten Molekülgrößen.
- Stapelsieb: Aufteilen des Schüttguts in einem Arbeitsgang im mehrere Korngrößen
- Streckmetall: Herstellung von Sieben
- Siebdruck: Gewebe als Sieb
- Planktonnetz: Filtrieren kleiner Lebewesen aus Gewässern
- Wirbelstromsieb: Trommelsieben/Siebtrommeln
Einzelnachweise
- ↑ D. Johann Georg Krünitz: Oekonomiſche Encyklopädie, oder allgemeines Syſtem der Staats= Stadt= Haus= u. Landwirthſchaft, siehe www.kruenitz1.uni-trier.de
Weblinks