Raman-Spektroskopie
Unter Raman-Spektroskopie (benannt nach dem indischen Physiker C. V. Raman) versteht man die spektroskopische Untersuchung der inelastischen Streuung von Licht an Molekülen oder Festkörpern (Raman-Streuung). Sie dient u. a. der Untersuchung der Materialeigenschaften z. B. von Halbleitern oder Pigmenten (etwa bei Kunstgegenständen).
Funktionsprinzip
Bei der Raman-Spektroskopie wird die zu untersuchende Materie mit monochromatischem Licht bestrahlt, üblicherweise aus einem Laser. Im Spektrum des an der Probe gestreuten Lichts werden neben der eingestrahlten Frequenz (Rayleigh-Streuung) noch weitere Frequenzen beobachtet. Die Frequenzunterschiede zum eingestrahlten Licht entsprechen den für das Material charakteristischen Energien von Rotations-, Schwingungs-, Phonon- oder Spin-Flip-Prozessen. Aus dem erhaltenen Spektrum lassen sich, ähnlich dem Spektrum der Infrarotspektroskopie, Rückschlüsse auf die untersuchte Substanz ziehen. Die in einem Raman-Spektrum auftretenden Linien werden auch als Stokes-Linien bezeichnet.
Der Grund liegt in einer Wechselwirkung des Lichtes mit der Materie, dem sogenannten Raman-Effekt, bei dem Energie vom Licht auf die Materie übertragen wird („Stokes-Seite“ des Spektrums), bzw. Energie von der Materie auf das Licht („Anti-Stokes-Seite“ des Spektrums). Da die Wellenlänge des Lichts, d. h. seine Farbe, von der Energie des Lichtes abhängt, bewirkt dieser Energieübertrag eine Verschiebung der Wellenlänge des gestreuten Lichtes gegenüber dem eingestrahlten Licht, die sogenannte Raman-Verschiebung.
Aussagen
Aus dem Spektrum (Frequenz und der zugehörigen Intensität) und der Polarisation des gestreuten Lichtes kann man u. a. folgende Materialeigenschaften erfahren: Kristallinität, Kristallorientierung, Zusammensetzung, Verspannung, Temperatur, Dotierung und Relaxation. Die Raman-Spektroskopie erlaubt auch Aussagen über wässrige Systeme, welche über Infrarot-Spektroskopie schwer zugänglich sind. So sind nicht nur abiotische, sondern auch biotische Systeme der Analyse zugänglich. Es ist prinzipiell sogar möglich, einzelne Spezies von Bakterien mittels Raman-Spektroskopie zu unterscheiden[1].
Die Raman-Streuung von Molekülen besitzt normalerweise einen sehr kleinen Streuquerschnitt (ca. 10−30 cm2),[2] so dass man eine relativ hohe Konzentration an Molekülen oder eine hohe Laserintensität benötigt, um ein detektierbares Signal zu erhalten. Raman-Spektren einzelner Moleküle sind so nicht möglich.
Varianten und Weiterentwicklungen
Neben der klassischen Raman-Spektroskopie existieren noch einige Varianten und Weiterentwicklungen. Dazu gehören
- auf der nichtlinearen Raman-Streuung basierende Verfahren, z. B. die Kohärente Anti-Stokes-Raman-Streuung (engl. coherent anti-Stokes Raman scattering, CARS)
- auf der oberflächenverstärkten Raman-Streuung (engl. surface enhanced Raman scattering, SERS) basierende Verfahren
- die spitzenverstärkten Raman-Spektroskopie (engl. tip-enhanced Raman spectroscopy, TERS) als Kombination aus SERS und Rasterkraftmikroskopie (engl. atomic force microscopy, AFM)[2][3][4].
Mithilfe der oberflächenverstärkten Raman-Streuung wird Raman-Spektroskopie auch an einzelnen Molekülen möglich. Dabei werden die Raman-Signale an den Oberflächen intelligent designter Metallstrukturen um 106 bis 108 verstärkt (gegenüber Signalen ohne metallische Oberfläche), indem dort lokal sehr hohe elektromagnetische Feldstärken auftreten, welche zu einem starken Intensitätseintrag führen.
Siehe auch
Literatur
- Josef Brandmüller, Heribert Moser: Einführung in die Ramanspektroskopie. Steinkopff, Darmstadt 1962 (Wissenschaftliche Forschungsberichte. Naturwissenschaftliche Reihe 70, ISSN 0084-0920).
- D. B. Chase, J. F. Rabolt (Hrsg.): Fourier Transform Raman Spectroscopy. From Concept To Experiment. Academic Press, San Diego CA u. a. 1994, ISBN 0-12-169430-5.
- Jeanette G. Grasselli (Hrsg.): Analytical Raman Spectroscopy. Wiley, New York NY u. a. 1991, ISBN 0-471-51955-3 (Chemical Analysis 114 A Wiley Interscience Publication).
- Michael J. Pelletier: Analytical Applications Of Raman Spectroscopy. Reprinted. Blackwell Science, Malden MA u. a. 2001, ISBN 0-632-05305-4.
- Bernhard Schrader (Hrsg.): Infrared And Raman Spectroscopy. Methods and Applications. VCH, Weinheim u. a. 1995, ISBN 3-527-26446-9.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ M. Krause, P. Rösch, B. Radt, J. Popp: Localizing and identifying living bacteria in an abiotic environment by a combination of Raman and fluorescence microscopy. In: Analytical Chemistry. 80, Nr. 22, 2008, S. 8568–8575, doi:10.1021/ac8014559.
- ↑ 2,0 2,1 Thomas Hellerer: CARS-Mikroskopie: Entwicklung und Anwendung. München, 2004 (Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät für Chemie und Pharmazie, Abstract & PDF).
- ↑ P. G. Etchegoin, E. C. Le Ru: A perspective on single molecule SERS: current status and future challenges. In: Physical Chemistry Chemical Physics. 10, Nr. 40, 2008, S. 6079–6089, doi:10.1039/b809196j (PDF).
- ↑ M. Schmitt, C. Krafft, J. Popp: Molekulares Imaging: Raman, CARS und TERS. In: BIOspektrum. 14, Nr. 6, 2008, S. 605–607 (PDF).