Meerzwiebel
Weiße Meerzwiebel | ||||||||||||
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Weiße Meerzwiebel (Drimia maritima), Illustration aus Koehler 1887 | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Drimia maritima | ||||||||||||
(L.) Stearn |
Die Weiße Meerzwiebel (Drimia maritima) (Syn.: Charybdis maritima (L.) Speta, Urginea maritima (L.) Baker, Urginea scilla Steinh., Basionym: Scilla maritima L.) [1] ist eine im Mittelmeerraum heimische Pflanzenart, die zur Familie der Spargelgewächse (Asparagaceae) gehört.
Merkmale
Die Weiße Meerzwiebel ist eine ausdauernde krautige Pflanze und erreicht Wuchshöhen nichtblühend von etwa 50 Zentimeter, einschließlich des Blütenstandes bis 150 Zentimeter. Ihre nur grundständigen Laubblätter sind breit-lanzettlich, bis zu 50 Zentimeter lang, überdauern das Winterhalbjahr und welken im Frühsommer, d. h. die Pflanze „zieht ein“. Sie übersteht die sommerliche Trockenzeit als Geophyt im Ruhezustand mit Hilfe einer auffallend mächtigen Zwiebel, die Anlass zur Namensgebung der ganzen Pflanze war. Die Zwiebel kann mehr als 15 Zentimeter im Durchmesser erreichen, wird bis zu 3 Kilogramm schwer und ragt oft aus dem Boden heraus. Je nach Rasse kann sie von weißer oder roter Farbe sein.
Im Herbst (August bis Oktober), bevor die Blätter austreiben, erscheint der reichblütige, traubige Blütenstand mit bis zu 40 Zentimeter Länge. Die sechs Blütenhüllblätter sind bis 8 Millimeter lang, weißlich, mit purpurnem oder grünem Mittelnerv.
Vorkommen
Die Weiße Meerzwiebel ist im gesamten Mittelmeerraum und auf Teneriffa verbreitet. Sie bevorzugt meist Küstennähe, Weiden und Garigues, wächst auch auf Sandböden und Felsfluren. Vom Weidevieh wird sie gemieden. In USA, Indien und Pakistan wurden Kulturen angelegt.
Inhaltsstoffe
Die wichtigsten pharmakologisch wirksamen Substanzen sind circa 12 verschiedene Herzglykoside aus der Gruppe der Bufadienolide mit einem Gehalt von insgesamt 0,2 bis 0,4 %, besonders Scillaren A (0,06 %), Proscillaridin A (0,05 %) und Glucoscillaren A (0,05 %)[2]; der Gehalt variiert je nach Herkunft. Die rote Zwiebel enthält vor allem Scillirosid, während die weiße Zwiebel hauptsächlich Scillaren A enthält.[3] Weiterhin sei auf den Gehalt von Flavonoiden und Anthocyanen hingewiesen.[4]
Medizinische Bedeutung
Das Deutsche Arzneibuch (DAB) führt die Meerzwiebel (Scillae bulbus) als Arzneidroge. Bei der Droge handelt es sich um quer und längs geschnittene, mittlere, fleischige Zwiebelschuppen, welche von nach der Blütezeit gesammelten Pflanzen stammen.[5] Man bedient sich der weißzwiebeligen Rasse.[2] Das DAB fordert einen Gehalt von 0,15 bis 4,0 % an Bufadienoliden;[5] medizinisch wichtige Vertreter sind dabei Scillaren A[4] und Proscillaridin A. Die Droge selbst ist heutzutage kaum mehr im Einsatz; stattdessen wird reines Proscillaridin angewendet.[5] Das Indikationsgebiet sind leichte Formen der Herzinsuffizienz (herzkraftsteigernde Wirkung).[4]
Pharmakologie
Pharmakokinetik
Meerzwiebel wirkt zwar ähnlich, wie die Glykoside aus Fingerhut (Digitalis),[6] ist jedoch schneller und weniger lang wirksam als diese. Zudem tritt der Effekt der Kumulation (Anreicherung bei mehrmaliger Anwendung) in geringerem Umfang auf, als bei Digitalis. Die perorale Bioverfügbarkeit liegt bei 25 %.[2]
Toxikologie
Die Meerzwiebel ist als stark giftig zu betrachten, daher sind die Wirkstoffe genau zu dosieren. Giftig ist die gesamte Pflanze, besonders jedoch die Zwiebel. Peroral zugeführte Mengen zwischen 0,1 und 1,5 g der Meerzwiebel haben bei Kindern bereits zu Todesfällen geführt. Mögliche Symptome einer Intoxikation (Vergiftung) sind unter anderem Kardialgie (Herzschmerzen), Dysurie, Hämaturie und Störungen im Verdauungstrakt. Der Tod kann durch eine Herzlähmung und damit einhergehenden Kreislaufstillstand eintreten. Inhalierte Partikel bewirken einen Niesreiz. Äußerlich können kleingeschnittene Pflanzenteile zu Blasenbildung und Dermatitis führen. Die Therapie erfolgt symptomatisch.[3]
Geschichte
Der Gebrauch der Meerzwiebel als Arzneipflanze reicht bereits einige Jahrhunderte zurück. Theophrast und Plinius empfahlen sie wegen ihrer harntreibenden Wirkung, Dioskurides verwandt sie bei Wassersucht und Asthma und Albertus Magnus sah in ihr eine regelfördernde Wirksamkeit. Im 18. Jahrhundert wurde dann die direkte Wirkung auf das Herz entdeckt.[7] Weiterhin war die Anwendung als Rattengift (Rodentizid) gebräuchlich.[3]
Bilder
Literatur
- Karl Hiller / Matthias F. Melzig (Hrsg.): Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen. Spektrum Akademischer Verlag GmbH, Heidelberg, Berlin 2003 = Directmedia Publishing GmbH, Berlin 2005, ISBN 3-89853-544-4 (Digitale Bibliothek 144).
- Renate Germer: Handbuch der altägyptischen Heilpflanzen (Philippika 21). Harrassowitz, Wiesbaden 2008.
Einzelnachweise
- ↑ Eintrag bei GRIN.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Stahl & Schild: Pharmazeutische Biologie 4; Drogenanalyse II: Inhaltsstoffe und Isolierungen, Gustav Fischer Verlag, Stuttgard/ New York, 1981, ISBN 3-437-20209-X.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Roth, Daunderer & Kormann: Giftpflanzen - Pflanzengifte, 5. Auflage, NIKOL Verlag, 2008, ISBN 3868200096.
- ↑ 4,0 4,1 4,2 de Gruyter: Pschyrembel; Klinisches Wörterbuch. 261. Auflage, 2007, Walter de Gruyter, Berlin, New York, ISBN 978-3-11-018534-8.
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Bettina Rahfeld: Mikroskopischer Farbatlas pflanzlicher Drogen, Spektrum Akademischer Verlag, 2009. ISBN 978-3-8274-1951-4.
- ↑ Mannfried Pahlow: Das große Buch der Heilpflanzen, Bechtermünz Verlag (Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH, Augsburg 2000), ISBN 3-8289-1839-5.
- ↑ Pistoia: Le piante della salute, Arnoldo Mondadori Editore, S.p.A., Milano.
Weblinks